Gastkommentar von Kevin Eßer
Es gibt einen Account, da schaut die Welt hin. Nicht einmal. Nicht beiläufig. Sondern ständig. Jeder Staatschef, jeder Analyst, jeder General, jeder Händler – sie alle haben die Glocke aktiviert. Denn wer nicht weiß, was dort zuletzt geschrieben wurde, ist nicht mehr steuerungsfähig. Nicht medial. Nicht diplomatisch. Nicht strategisch.
Donald J. Trump ist das Epizentrum der Weltordnung.
Er postet nicht, er greift ein. In Zeit, in Sprache, in Logik. Er dreht den Takt, während andere noch den Taktstock suchen. Wer auf Inhalt wartet, verpasst längst Struktur. Kaum ist ein Satz verstanden, folgt der nächste. Kaum steht jemand, fällt schon die Linie. Das ist keine Kommunikation, das ist Kriegsführung im Informationsraum. Und während die Welt erklärt, was das soll, sortiert er die Welt nach seinen Bedingungen. Trump handelt nicht impulsiv, sondern kalkuliert. Er überfordert, um zu führen.
Er ist im Amt. Und er weiß, dass ihm bis zu den Midterms 2026 nur wenig Zeit bleibt, um das Fundament zu legen. Also drückt er. Härter, schneller, kompromissloser als zuvor.
Europa soll fünf Prozent des BIP für die NATO zahlen. Nicht verhandeln. Zahlen. Wer nicht liefert, verliert Schutz. Wer zaudert, verliert Gesicht. Und während Berlin stammelt, Warschau schwitzt und Paris windet, ist längst klar: Der Westen kauft sich neu ein. Die NATO wird zur Mautstelle. Sicherheit ist nicht mehr Vertrauenssache, sondern Bilanz. Trumps Amerika schützt nicht mehr, es rechnet. Und Europa zögert, weil es zu lange gewohnt war, die Rechnung wegzulegen.
Doch der Blick geht weiter. Richtung Osten, wo China mit BRICS+ an einer alternativen Weltordnung baut. Entdollarisierung, Rohstoffwährung, Blockbildung. Peking will aus dem Dollar heraus und die Welt mitnehmen. Aber Trump hat den Plan vorerst zerschlagen, bevor er Realität wird. Saudi-Arabien, eben noch Hoffnungsträger der BRICS-Offensive, ist umgeschwenkt. Sechshundert Milliarden Dollar schwer, unterzeichnet mit Trump in Riad. Rüstung, Energie, Bergbau. Ein Deal wie ein Donnerschlag. Und plötzlich sitzt Riad nicht mehr mit Xi Jinping am Tisch, sondern wieder mit dem Amerikaner, der weder Öl noch Ehre verschenkt. Die Anbiederung an BRICS war ein Flirt mit Ansage. Vielleicht nur eine Sommerromanze, die endete, sobald die Dollarströme wieder flossen. Jetzt wird wieder in Dollar gerechnet. Wer die Leitwährung verlässt, wird eingepreist. Hundert Prozent Zoll auf BRICS-Importe. Das ist keine Drohung. Das ist Regel.
Während der wirtschaftliche Block wankt, brodelt es im Nahen Osten. Trump tourt durch die Golfstaaten, kündigt an, die Region solle wieder groß werden. Nicht großartig, sondern strategisch nützlich. Und plötzlich meldet sich Teheran. Ein Berater Khameneis erklärt öffentlich, dass man zu einem Abkommen mit Trump bereit sei. Kein Uran über ziviles Maß, keine Bombe, kein Schattennetz. Nur Inspektionen, offene Bücher und das Ende der Sanktionen. Es ist das erste Mal seit Jahren, dass Iran auf Augenhöhe signalisiert: Reden wir. Und Trump antwortet. Nicht mit Vertrauen, sondern mit Drohung. Trefft die richtige Entscheidung, sonst wird etwas passieren. Entweder freundlich oder sehr unfreundlich. Diplomatie ohne Lächeln. Aber wirksam. Hinter den Kulissen laufen Gespräche, die weiter sind, als öffentlich bekannt. Und tatsächlich, auch aus Washington sickert durch: Der Deal ist denkbar. Vielleicht sogar gewollt.
Und dann geschah das Undenkbare.
Assad ist gestürzt. An der Spitze steht nun Ahmad al-Sharaa, besser bekannt als Abu Mohammad al-Jolani. Früher Terrorist, heute Präsident. Und Trump? Hebt alle Sanktionen auf. Reist nach Riad. Schüttelt Jolani die Hand. Nennt ihn einen tough guy mit starker Vergangenheit. Und gibt ihm die Chance, Syrien wieder aufzubauen. Nicht aus Romantik. Sondern aus Kalkül. Wer Syrien kontrolliert, kontrolliert die Achse zwischen Teheran, Beirut, Damaskus. Wer Jolani anbindet, entzieht dem Iran das Rückgrat. Und Trump hat begriffen: Ein Dschihadist, der heute Präsident ist, kann morgen der Türsteher des amerikanischen Einflusses sein.
Israel sieht das anders. Netanjahu wollte den Krieg gegen Iran, wollte die Bombe, den Angriff, die Annexion, das Feuer. Trump will etwas anderes. Er will Deals, nicht Eskalation. Die derzeitige Regierung in Tel Aviv unter Netanjahu steht mit ihrer Kompromisslosigkeit nicht mehr nur für Sicherheit, sondern auch für eine Eskalation, die Trump für seine Interessen nicht gebrauchen kann. Was einst Partner waren, wird zum Drahtseilakt zwischen Risiko und Interessenausgleich. Und während in Jerusalem die Alarmglocken schrillen, reihen sich Katar, Saudi-Arabien und Ägypten in Trumps Wirtschaftsordnung ein. Milliarden fließen. Rüstung, Infrastruktur, Technologietransfer. Trump kauft sich Einfluss, während andere noch glauben, ihn mit Konferenzen aufzuhalten.
Die Welt verschiebt sich – nicht leise, sondern gewaltig. Nicht ideologisch, sondern strategisch. Trump baut keine Blöcke, er schafft Verpflichtungen. Nicht alle zum Nachteil – aber alle zu seinem Vorteil. Wer sich anpasst, wird integriert. Wer sich verweigert, wird isoliert. Keine Augenhöhe, kein Wertebündnis, kein multilaterales Gerede. Sondern ein System aus Leistung und Gegenleistung. Partner auf Rechnung, nicht auf Überzeugung. Das ist nicht der Rückfall in alte Ordnungen. Das ist die neue. Und während die EU noch auf Verlässlichkeit hofft, hat Trump längst entschieden, dass Loyalität nur dort zählt, wo sie etwas bringt.
BRICS wankt. Iran signalisiert. Syrien dreht sich. Israel irritiert. Die NATO zittert. Und Trump? Bleibt still. Beobachtet. Und setzt Züge. Nicht auf dem Account. Sondern im Spiel, das er längst für sich geöffnet hat.
Der Autor ist auf der Plattform X mit dem Account @Kevin_Esser91 vertreten.