Quelle: Clipdealer.de, B507439710, erworbene Standardlizenz.

Der Reflex, sich mit dem vermeintlich Guten solidarisieren zu müssen: Wie Journalisten ihre Objektivität um Moral und Tugend willen preisgeben!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Schlag gegen Iran: Ein notwendiger Schritt“ (aus: „Jüdische Allgemeine“ vom 13.06.2025)

Über den früheren Tagesthemen-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs wird oftmals ein verkürztes, verändertes und aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat verbreitet. Demnach solle sich der Journalismus mit nichts gemein machen, auch nicht mit einer hehren Sache. Doch diese recht profane Handlungsanweisung hat seit jeher gehinkt, passt sie doch so gar nicht mit dem gewaltigen Auftrag zusammen, den die sogenannte vierte Gewalt in einer Demokratie zu leisten in der Lage sein muss. Nein, wir sind als Publizisten keinesfalls zur Neutralität verdammt, sondern sollen uns objektiv über die Geschehnisse in der Welt, in unserer Republik und vor der Haustür äußern. Im Rahmen von Meinungsbeiträgen ist eine Parteinahme durchaus zulässig, weil nur die Vielfalt an Blickwinkeln einen mündigen Bürger in die Position des autonomen Reflektierens und Abwägens versetzen kann.

Doch wenn man nach jedem Ausbruch eines neuen Konflikts auf diesem Erdball umgehend und reflexartig, in vorauseilender Solidarität, in nachvollziehbarer Emotionalität und in persönlicher Betroffenheit dazu tendiert, gegenüber der Politik und den eigenen Lesern die Erwartung zu formulieren, man müsse sich kurzerhand auf die Seite der Ukraine oder von Israel schlagen, dann hat das eben nichts mehr damit zu tun, was unseren Job ausmacht. Es ist nicht erstrebenswert, selbst im Rahmen eines Kommentars den Beobachterstatus zu verlassen und nur deshalb zu einem Propagandasprachrohr zu mutieren, weil man sich in bester Gesellschaft mit der Staatsräson oder unserer Historie wähnt. Ich soll mein Publikum dazu befähigen, sich auf Grundlage von Informationen, Kontext, Details, Hintergründen und Perspektiven eine souveräne Überzeugung zu bilden.

Das kann allerdings dann nicht gelingen, deklariere ich meine subjektive Sicht als alleinige Wahrheit, welche ich von meinem Publikum einzunehmen verlange. Denn ein Credo unserer Branche ist die Ergebnisoffenheit, keine moralinsaure Belehrung, Erziehung oder Bevormundung. Ohnehin wird es in kaum einem Krieg eine absolute Richtigkeit geben. Auch aktuell bleiben hinsichtlich des Angriffs auf den Iran viele Fragen, die man nicht deshalb unter den Teppich kehren kann, weil andernfalls die Moralkeule des Antisemitismus droht. Mir bleibt es fern, mich als Tugendbold aufzuspielen, um über Gut und Böse zu urteilen. Und ich lasse mich auch nicht dazu drängen, eine andere als die deutsche Flagge zu zeigen, wird die Freiheit weder am Hindukusch, noch unsere Sicherheit im Donbass und auch die Zukunft nicht am Persischen Golf verteidigt.