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Der Umgang Deutschlands mit einem Staat „Palästina“: Sollte man Judenfeindlichkeit aus Emotionalität und Mitleid institutionalisieren?

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „New York: Palästina im Fokus der Vollversammlung der Vereinten Nationen“ (aus: „taz“ vom 23.09.2025)

Steht auch Deutschland vor der Anerkennung eines Staates Palästina? Zumindest lässt Außenminister Wadephul dies vermuten, wenn er entsprechende Planungen hierfür erwähnt. Nachdem Kanada, Frankreich und Großbritannien einen entsprechenden Vorstoß unternommen haben, wollen auch Belgien und Luxemburg folgen. Doch in Berlin gibt es weiterhin große Vorbehalte. Insbesondere in der CDU wird darüber diskutiert, inwieweit ein solcher Schritt auch ein Zeichen gegen die hiesige Staatsräson bedeuten würde, sich uneingeschränkt für das Existenzrecht Israels einzusetzen. Immerhin fällt es schwer, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen eindeutig von der radikalislamistischen Hamas zu unterscheiden. Wie stark ist die Unterstützung für die Terrororganisation unter den Bürgern heute noch? Bei den Wahlen zum legislativrat im Jahr 2006 holte sie mit 74 Sitzen und 56,1 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Kann davon ausgegangen werden, dass dieser Rückhalt weiterhin fortbesteht? Wie ernsthaft und glaubwürdig sind mögliche Abgrenzungen und Distanzierungsversuche gegenüber einem autoritären Regime wirklich?

Laut dem „Palestinian Center for Policy and Survey Research“ hatten noch im März 2024 rund 71 Prozent der Menschen im Küstenstreifen ihre Befürwortung für den Angriff auf das jüdische Volk vom 7. Oktober 2023 zum Ausdruck gebracht. Dieser Wert sank im August 2025 auf nur noch 37 Prozent. Bei einer gleichlautenden Erhebung im Mai 2025 machten 87 Prozent der Einwohner die eigenen Extremisten für den Krieg mit dem Nachbarland verantwortlich. Der Leidensdruck durch den Einmarsch Jerusalems hinterlässt deutliche Spuren. Die Popularität der Dschihadisten sinkt merklich. Nur noch sieben Prozent wünschen sich, dass sie nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzung weiterhin an der Macht bleiben. Insgesamt stehen aber etwa 50 bis 70 Prozent hinter der antizionistischen Haltung, um prinzipiell auch Gräueltaten – wie den barbarischen Überfall und die Geiselnahme aus dem vorvergangenen Jahr – zu rechtfertigen. Man hält das Vorgehen der Fanatiker offenbar nicht für grundsätzlich falsch, zeigt sich lediglich von den Begleitumständen gepeinigt. Die Mentalität hat sich nicht gewandelt, der Groll ist unvermindert.

Der Rückhalt der Hamas schwindet nicht aus ideologischen, sondern aus praktischen Gründen!

Stattdessen wirft man der Führung vor, sie hätte die Region nicht hinreichend auf eine zu erwartende Reaktion von Netanjahu vorbereitet. Eine prinzipielle Abwendung und Distanzierung von dem, was die Miliz an politischer Agenda verkörpert, sind kaum erkennbar. In ihrer Grundsatzcharta von 1988 erwähnt die „Widerstandsbewegung“ ausdrücklich Sure 3 aus dem Koran. Dort finden sich Formulierungen wie „Gewiß, denjenigen, die ungläubig sind, werden weder ihr Besitz noch ihre Kinder vor Allah etwas nützen. Sie sind es, die Brennstoff des Höllenfeuers sein werden“ oder „Lasse dich ja nicht durch den Wandel derer in den Landstrichen täuschen, die ungläubig sind. Es ist nur ein geringer Genuß, daraufhin wird die Hölle ihr Zufluchtsort sein. Und wie schlimm ist die Lagerstatt!“. Die Überlegenheit des Islams, der sich als Vervollständigung von Christentum und Judentum versteht, kommt auch in zahlreichen weiteren Schriften zum Ausdruck. So, wie in der Präambel der Kampf, „bis dass die Niederlage der Juden die Macht Allahs offenbaren werde“. Unverhohlener können Hass und Schmähung kaum in Worte gefasst werden.

Die Wurzeln des Konflikts liegen tief. Schon etwa 1200 vor Christus stritten die Israeliten und die Vorgänger der heutigen Palästinenser, die Philister, bei der Landnahme um Ansprüche. Bekannt ist aus der Bibel die stellvertretende Auseinandersetzung zwischen David und Goliath. Sie wird auch aktuell immer wieder als Begründung und Motivation für das angeblich auserwählte Volk herangezogen. Doch dessen Ausbreitung mit einer offensiven Siedlungspolitik, vor allem in Richtung des Westjordanlandes, hat nicht zuletzt dazu geführt, dass 156 der 193 Mitgliedstaaten der UN die entsprechenden Gebiete samt Ostjerusalem als unabhängiges Territorium von dessen Gegnern, also eine defacto Zwei-Staaten-Lösung, offiziell respektieren, um gleichzeitig diplomatische Beziehungen zur Autonomiebehörde, der Fatah und der Hamas zu pflegen. Und je weiter die Vergeltungsaktion voranschreitet, die als Sühne für den Sündenfall, den größten Massenmord an Juden seit dem Holocaust, durch die israelische Armee deklariert wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere Länder solidarisieren dürften.

Sind wird wegen der Bilder aus dem Kriegsgebiet zur Staatslegitimierung verpflichtet?

Wie erbarmungslos darf man sein, wenn man sich dagegen wehrt, auf durch Not gezeichnete und ausgemergelte Kinder als etwaiges Propagandamittel hereinzufallen und reflexartig Sympathie mit jenen zu bekunden, welchen Feindseligkeit und Zerstörungswut gegen Semiten augenscheinlich bereits mit der Muttermilch eingeimpft wird? Ist es moralisch legitim oder gar geboten, sich nicht von dem blenden zu lassen, was teilweise verzerrt und als Halbwahrheiten getarnt über die Nachrichtenticker der westlichen Welt geschickt wird? Da waren es Bilder von Babys und Jugendlichen, die nur noch als Gerippe erschienen, aber nicht etwa aufgrund fehlender Nahrungsmittel an Unterernährung litten, sondern an vorbestehenden Muskelerkrankungen, die die Muslimbruderschaft der Öffentlichkeit zur Irreführung präsentierten. Man kann sich über Verhältnisse in der Ferne kaum eine unabhängige Meinung bilden. Doch dass die Vereinten Nationen und die EU lange zögerten, tatsächlich von einer Hungersnot am östlichen Mittelmeer zu sprechen, um mit der Begrifflichkeit des Genozids gänzlich zurückhaltend zu sein, muss zumindest aufhorchen lassen.

Zweifel und Skepsis sind weiterhin geboten. Wer versucht, Objektivität und Ausgewogenheit zu wahren, verlässt sich weder auf die Einlassungen der einen noch der anderen Seite. Sondern betrachtet mit einer gewissen Nüchternheit den Befund, dass sowohl Holocaust und Nationalsozialismus in den Schulbüchern palästinensischer Kinder seit 2009 nicht mehr vorkommen. Die Leugnung von Hitlers Massenmord wird also bereits dem Nachwuchs mit auf den Weg gegeben. Und so ist fraglich, wie ein friedliches Nebeneinander funktionieren soll, wenn selbst den Kleinsten das Ziel indoktriniert scheint, den Sieg gegenüber den Kreuzfahrern und den Tataren zu wiederholen, Israel von der Landkarte zu tilgen. Es gibt wenige Anhaltspunkte dafür, dass die derzeit in Alleinherrschaft regierenden Fundamentalisten mit ihrer Gesinnungsdiktatur aus ideologischen Gründen von den Zivilisten abgelehnt werden. Viel eher sitzen Aversion, Zwietracht und Gewaltbereitschaft tief. Und sie drohen, bei einer Aufwertung Palästinas nicht nur hoffähig, sondern zu einem Bumerang für die modernen, aufgeklärten Kulturen zu werden.