Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „AfD und der Verfassungsschutz: ‚Die Medien sollen die Parteien beobachten und nicht der Geheimdienst'“ (aus: WELT vom 12.05.2025)
Der Verfassungsschutz ist tot, es lebe der deutsche Spitzelapparat! Denn auch wenn nach dem Gutachten und der Einstufung der AfD durch eine weisungsgebundene Behörde immenses Misstrauen gegenüber den Kölner Schlapphüten besteht – werden doch immer neue Details aus den gesammelten Zitaten über eine vermeintlich gesichert rechtsextremistische Partei bekannt, die bei einem vernunftorientierten Menschen kaum Anstoß erwecken können -, scheint man unter den Nachfolgern von Thomas Haldenwang und einem frischgebackenen Innenminister Alexander Dobrindt wenig Bemühen zu zeigen, die eigene Arbeit zu rechtfertigen. Zwar musste man mit einem Stillhalteabkommen einen juristischen Rückschlag eingehen und hinnehmen, darf man die Brandmarkung der Alternative für Deutschland in der Öffentlichkeit zunächst nicht weiterverbreiten. Trotzdem hält man an der Einschätzung fest, dass die Kraft um Alice Weidel und Tino Chrupalla gegen die liberale Ordnung gerichtete Positionen und Forderungen vertritt, welche Anlass genug seien, nun auch eine sukzessive und vollständige Überwachung aller Strukturen in die Wege zu leiten, denen man in einer augenscheinlichen Paranoia doch tatsächlich zutraut, Gedankenmuster der Nationalsozialisten zu reaktivieren.
Wer solch einer Bigotterie anhängt, weil er trotz siebenmaliger Erwähnung unseres Volkes im Grundgesetz nicht davon sprechen will, dass die autochthone Mehrheit einen ganz natürlichen Anspruch auf den Fortbestand abseits staatsbürgerschaftlicher Konzepte hat, sondern eben auch unter dem Aspekt ethnischer Verwurzelung existieren soll, darf gerne Selbstzweifel hegen. Denn schon unsere obersten Gesetzeshüter in Karlsruhe haben entschieden, dass die Würde des Einzelnen nach Art. 1 nicht tangiert wird, behandelt die Legislative In- und Ausländer in gewissen Bereichen eben doch unterschiedlich. Auch widerspricht es keinesfalls dem Gleichheitsgedanken aus Art. 3, Hiesigen und Fremden verschiedene Befugnisse und Ansprüche zuzugestehen, negiert man dabei weder Integrität noch Wertigkeit des Individuums allein aufgrund dessen kultureller und geografischer Herkunft. Dass den Blauen darüber hinaus angelastet wird, sie stelle die Kompatibilität zwischen dem politischen Islam und der westlichen Vorstellung eines Miteinanders in Frage, untergräbt ebenfalls die einschlägige Rechtsprechung. Denn im Rahmen der Meinungs- und und Religionsfreiheit ist auch Kritik an weltanschaulichen Bekenntnissen erlaubt, setzt man sich vor allem politisch mit ihnen auseinander.
Wir sind keinesfalls verpflichtet, einen Umstand hinzunehmen, der den abendländischen Okzident in einen sarazenischen Orient überführt. Pluralismus im Sinne einer Verdrängung des Gefestigten scheint offenkundig kein Element der uns leitenden Räson, die darüber hinaus auch nicht vor der Weiterentwicklung gefeit ist, will man unser System von repräsentativen in plebiszitäre Verhältnisse transformieren. Der Anwurf erweist sich als einigermaßen grotesk, irgendjemand aus den Reihen der ungeliebten Opposition wolle die Demokratie aufgeben, wird in deren Programmatik eindrücklich festgehalten, dass es viel mehr darum geht, die Befugnisse des Souveräns wieder zu stärken, musste er doch beispielsweise während Corona massiv federn lassen. Niemand auf diesem Erdball kann gezwungen werden, die Mentalität von geweiteten Schleusentoren als Ausdruck immerwährender Bringschuld zu akzeptieren. Die christliche Tradierung erschöpft sich nicht als vorläufiger Übergang, sondern wurde von den Vätern dieser Republik als unumstößliche Charakterlichkeit normiert, welcher wir auch dann anhängen sollen, stürmt der Zeitgeist mit Vehemenz über das Mittelmeer nach Europa. Denn die Preisgabe definierter Territorien ist nicht nur internationalen Konventionen kategorisch ausgeschlossen.
Entsprechend verwundert es auch nicht, dass sich nur noch die Wenigsten dafür interessieren, was Horch und Guck tatsächlich zu sagen hat. In den Umfragen tut sich kaum etwas, obwohl man sicherlich gehofft hatte, mit einem Stempel könnten jene ins Wanken gebracht werden, die eventuell nur aus Protest wählen. Doch über diesen Punkt sind wir wohl längst hinaus. Zu ernst ist die Lage, bricht sich auf unseren Straßen nahezu täglich noch mehr Kriminalität und Gewalt bahn, bewirken die Kontrollen bei der Einreise nur Marginales, missbrauchen zahlreiche Flüchtlinge ihren Status allein zum Erhalt von Sozialleistungen, nimmt die Bereitschaft zum Integrieren ab, unterwirft sich Weihnachten dem Ramadan, wird das Kalifat als Option für die Zukunft propagiert, relativieren Extremisten aus dem sozialistischen Spektrum die Scharia, treten wir ständig weitere Kompetenzen nach Brüssel ab, mischen wir uns in sämtliche Kriege ein, lassen wir Rentner Flaschen sammeln, ruinieren wir die Landschaft durch Windräder und Photovoltaik, wollen wir den Unbequemen den Mund verbieten, wird Parlamentarismus zur Farce. Man kann eine Gesellschaft bis aufs Äußerste provozieren. Doch man möge dann nicht versuchen, den Geist aus der Flasche mit Repression einzufangen.