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Deutliche Zugewinne in den Umfragen zur Kommunalwahl: Wird die AfD trotz oder wegen Matthias Helferich Nordrhein-Westfalen rocken?

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Der gewaltige Aufstieg der AfD in NRW – CDU und SPD mit massivem Bedeutungsverlust“ (aus: WELT vom 20.08.2025)

Die Alternative für Deutschland steht bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen vor fulminanten wie historischen Zugewinnen. Laut aktuellen Umfragen ist ein Wert von 15 bis 16 Prozent möglich, das würde eine Verdreifachung des letztmaligen Ergebnisses bedeuten. Die Gründe liegen vor allem in einem massiven Einbruch der Zustimmung für die Grünen. Während die CDU ihre bisherige Spitzenposition erstaunlicherweise halten kann, bricht der Koalitionspartner deutlich ein. Offenbar macht man vor allem ihn für die wirtschaftliche Fehlentwicklung verantwortlich, aber auch die grassierende Kriminalität in den Innenstädten des Ruhrgebiets. Das Thema Migration rückt nicht zuletzt deshalb in den Vordergrund, weil sich auch Ministerpräsident Wüst in seiner Leidenschaft für den Kampf um Vielfalt, Toleranz und „unsere“ Demokratie einbringt. Doch die Zuwanderung ist längst entglitten, verwahrlosen ganze Fußgängerzonen und Bahnhofsviertel in Köln oder Düsseldorf.

Interessant in der Betrachtung bleibt dabei aber auch, dass die AfD trotz interner Querelen im Landesverband erheblichen Rückhalt aus der Bevölkerung erfährt. Hierbei sei insbesondere die Auseinandersetzung des streitbaren Vorsitzenden Dr. Martin Vincentz mit dem populären Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich genannt. Letzterwähntem droht ein endgültiger Parteiausschluss, hatte das eigene Schiedsgericht diesem Vorstoß seiner Gegner jüngst noch einmal stattgegeben. Die Personalie ist ambivalent und facettenreich, kursiert vor allem in der Presse beständig und zeitlos ein Zitat des Dortmunder Rechtsanwalts, gemäß dessen er sich einst als „das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet haben soll. Der Passus an sich ist hierbei einigermaßen unumstritten, doch der Kontext scheint immer wieder verkannt zu werden. Die Äußerung soll als Antwort in einem Schlagabtausch mit linken Konkurrenten gefallen sein, offenbar mit bewusstem Augenzwinkern.

Der polarisierende Charakter Helferichs ist Fluch und Segen zugleich…

Diese Behauptung würde ins Bild passen, ist der 36-Jährige für markante Formulierungen bekannt. In seinen Reden im Parlament nimmt er kein Blatt vor den Mund, gilt als rhetorisch versiert, in seinem Vokabular aber keinesfalls zurückhaltend. Ironie und Sarkasmus sind seinen Verlautbarungen immanent, gleichzeitig wirken sie oftmals provozierend und herausfordernd. Und so verwundert es auch nicht, dass er seine Rivalität mit dem gemäßigten Lager ganz gezielt in die Öffentlichkeit zerrt, trägt den Hahnenkampf mit Widersachern auch auf der Plattform X aus. Nahezu jedes neue Kapitel der Auseinandersetzung wird in das Rampenlicht der sozialen Medien gezogen, vor konfrontativen und verbindlichen Schuldzuweisungen schreckt er dabei nicht zurück. Bisweilen zwischenmenschlich wenig auf Respekt und Wertschätzung seiner Gegenüber bedacht, stellt der Mandatar neben Konflikt und Reibereien aber auch sein Engagement, die Bürgernähe und Fachkenntnisse in den Vordergrund.

Vor allem in den Bereichen Kultur und Identität verhaftet, setzt er sich für eine Bewahrung von Tradition, Prägung und Werten ein. Er gilt als strenger Verfechter der Remigration nach dem Konzept des österreichischen Aktivisten Martin Sellner, was ihm nicht zuletzt den Vorwurf rechtsextremistischer Tendenzen einbrachte. Er gilt als Objekt der Begierde des Verfassungsschutzes, soll er vor geraumer Zeit das Foto eines Duftbäumchens unter dem Motto „Raus mit die Viecher!“ in Verbindung mit Abschiebungen von Flüchtlingen gebracht haben. Einen entsprechenden Zusammenhang wies er allerdings stets zurück. Der für außenstehende Beobachter bisweilen rüde anmutende Umgangston korreliert mit dem Eindruck eines äußerst selbstbewussten Charakters, dessen Drang zur Omnipräsenz auch gewisse Anhaltspunkte für eine übersteigerte bis arrogante Persönlichkeit liefern kann, schart er einen begeistert-glorifizierenden Fanclub an der Basis um sich, deren Kritiker ihm eine „bewussten Bruch mit der Zivilisation“ unterstellen.

Besonders die nationalkonservativ überzeugte Wählerschaft wird die Stange halten…

Zum sogenannten völkisch-nationalen Flügel unter Björn Höcke zählend, erklärte der Funktionär 2021 seine Bewunderung für den Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg. „Befindlichkeiten“ der Anderen sind ihm ein Dorn im Auge, er pocht auf ein „Mosaik bürgerlicher, liberal-konservativer, libertärer, souveränistischer, nationalkonservativer und rechtsintellektueller Kräfte“, das „Seit an Seit“ von wechselseitigen Distanzierungen Abstand nimmt. Sein Credo ist der Zusammenschluss von „grundsätzlich-widerständigen“ Vertretern mit auf „Sachlichkeit ausgerichteten“ Realos. Er warb für eine harte Hand gegen das Corona-Regime und bezeichnete das Vorgehen von Demonstranten während der Pandemie „den Geist des 17. Juni atmend“, um gleichzeitig große Sympathie mit den Protesten in der DDR zu zeigen. Nicht nur hierfür bekam er ausdrücklich Lob und Rückhalt von der ihn unterstützenden Jugend, die zum Instrumentarium des notwendigen Vorfelds zählt.

Der in Bonn und Bochum studierte Jurist verwahrte sich wiederholt dagegen, das Aufbegehren gegen die Mächtigen in der Gegenwart regelmäßig als faschistisch zu brandmarken. Ohne Beweis für Authentizität und Echtheit, veröffentlichte der „Spiegel“ im Mai 2025 investigative Recherchen über angeblich antisemitische und rassistische E-Mails des früheren Christdemokraten, die aus den Jahren 2014 bis 2016 stammen sollen, als er noch der Burschenschaft Frankonia nahestand. Hierbei geht es um Termini wie“ brennende Asylantenheime“ oder Theorien über die „Rassenmischung“. Helferich bestritt vehement, der Urheber dieser Schriftsätze zu sein, würden sie auch nur dann konkludent oder plausibel daherkommen, stünde er nicht für seine persiflierenden Anekdoten, Reime und Ausdrucksweisen ein, denen man nur dann Wortwörtlichkeit wird attestieren können, stellt man sich von vornherein in böser Absicht gegen die Ideologie eines zweifelsohne polarisierenden Politikers.