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Die AfD, ihr Misstrauen und ich: Persönliche Enttäuschung muss in einer Phase hintanstehen, welche Veränderung fürs Volk bringen kann…

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Schwören vor dem Reden: Eine Kritik der neuen Bekenntnis-Kultur“ (aus: DER SPIEGEL vom 11.12.2025)

Eigentlich sollte es einem Journalisten nicht gut zu Gesicht stehen, gegenüber einer durch das Volk legitimierten Partei Kontaktschuld zu pflegen, um sie in der Berichterstattung systematisch zu benachteiligen. Und ich gebe zu, lange Zeit empfand auch ich aus Gründen des Konformitätsdruck in unserer Gesellschaft Distanz zur AfD. Da waren es vor allem soziale Erwägungen, die mich zögern ließen, letztendlich das zu tun, wofür die sogenannte vierte Gewalt in der Demokratie gemacht wurde. Sie soll ausdrücklich jenen Aufmerksam und Raum zur Äußerung schenken, die im politischen Meinungskampf durch manch Unfairness der Konkurrenten beim Kommentieren der Opposition außen vor bleiben. Es sind wohl Begegnungen mit Menschen, welche reflektieren und neu ausrichten lassen. In meinem Fall der Post des bayerischen Landtagsabgeordneten Jörg Baumann in der Timeline von X, welcher mich zu dem spontanen Ausruf hinreißen ließ: „Er hat doch vollkommen recht!“. Es ging um die Migration und notwendige Maßnahmen, die illegale Zuwanderung zu stoppen, Rückführungen zu erleichtern und den Missbrauch des Sozialsystems unmöglich zu machen. Und dann war sie weg, die elendige Brandmauer.

Dass ich über den Umgang von Teilen der AfD mit mir nicht begeistert bin, geschenkt…

Als ehemaliger Integrationsberater hatte ich meine Erfahrungen gesammelt, wie sehr die Entwicklung im Nachgang von Angela Merkels Tabubruch 2015 in eine falsche Richtung lief. Es war für jeden, der einigermaßen selbstkritisch und ohne vielfältige Naivität seinen Job in der Branche verrichtete, ziemlich unmissverständlich, dass wir es nicht schaffen werden. Und wahrscheinlich ist es diese Erkenntnis gewesen, vor allem aber das ins Gesicht spucken eines Asylbewerbers, als ich ihn zur Aufnahme von Arbeit an das Jobcenter verwies, welche in mir einen radikalen Denkwandel verursachten. Die Utopie, wir könnten der gesamten Welt helfen, ist genauso gescheitert wie der hehre Anspruch an Multikulturalismus. Und deshalb bleibe ich auch weiterhin davon überzeugt, dass es in unserer Republik nur dann eine Veränderung geben kann, wenn eine Partei, dem Willen des Souveräns entsprechend, an Regierungen auf Bundes- und Landesebene beteiligt wird, die sich mit Konsequenz für eine Trendwende einsetzt, welche nicht nur an einzelnen Stellschrauben dreht. Sondern auch durch eine zumindest einfache Mehrheit geradezu zur Machtübernahme durch den Wähler befugt wurde.

Die Gefahr besteht, kritische Wähler und Multiplikatoren als Fundament zu verlieren…

Ich mache keinen Hehl aus meiner Enttäuschung darüber, dass es aus Teilen der Alternative für Deutschland die Tendenz gibt, meine publizistische Arbeit unter dem Sammelbegriff der „Lügenpresse“ zu verorten. Über 120 DIN-A4-Seiten an Interna wurden über Monate hinweg anonym an mich durchgestochen, darin enthaltene Chats zeigen deutlich, wie manche Vertreter tatsächlich über mich denken. Vom „nützlichen Idioten“ und „Fanboy“ ist dort ebenfalls die Rede wie von der Verzichtbarkeit meines Kreuzes auf dem Stimmzettel. Dass man bei solchen Zuschreibungen keine Begeisterung jubelt, hat man über 800 Artikel in Fairness und Konstruktivität über einzelne Protagonisten und die „Blauen“ in ihrer Gesamtheit verfasst, dürfte verständlich sein. Doch wir leben in einer Epoche der Geschichte, in der persönliche Befindlichkeiten dem Ideal einer besseren Zukunft für das Volk nachgeordnet werden sollten. Daher bleibt meine Entfremdung, meine Skepsis gegenüber gewissen Strömungen und Charakteren beschränkt, will ich mich ausdrücklich nicht jener Pauschalisierung hingeben, die ich gerade dort beobachten kann, wo man sich eigentlich von den etablierten Sündenbock-Manieren verabschieden wollte.

Doppelzüngigkeit ist es auch, Freund-Feind-Spiele vorzuwerfen, aber selbst zu praktizieren…

Man kann es nun als „gärigen Haufen“ bezeichnen, was sich hinter verschlossenen Türen abspielen mag. Da prosperieren Echokammern, wird jede Form der Kritik und Differenzierung zu einem Ausdruck von Feindschaft degradiert. Es fällt mittlerweile schwer, gegen eine nicht unbeträchtliche Bewegung innerhalb und außerhalb der Partei anzukommen, die sämtlichen Widerspruch als Nestbeschmutzung wertet. Da lassen sich durchaus sektiererischer Merkmale erkennen, wird das „Wir gegen die“ gepredigt, wo man selbst die Abgrenzung „der Guten“ als Spaltung verurteilt. Es ist nicht konsistent, was im Ansinnen der Risikominimierung und des Misstrauens gegenüber Verfassungsschutz, „den Medien“ und allen, die nicht im Gleichschritt marschieren, an Verallgemeinerung praktiziert wird. Stattdessen macht man sich zu einem Musterknaben der klassischen Doppelmoral, will diese mit der Notwendigkeit des Schutzes vor argwöhnischen Einflüssen rechtfertigen. Ich hadere mit solch einer Mentalität, weil sie mich ganz individuell stigmatisiert, aber auch prinzipiell heuchlerisch daherkommt. Trotzdem bin ich mir der Verantwortung bewusst, Chancen des Umbruchs nicht zu vertun, sie auch weiterhin zu fördern.