Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Bundesverfassungsgericht nimmt AfD-Klage gegen Malu Dreyer nicht an“ (aus: SPIEGEL vom 26.07.2025)
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Beschwerde der Alternative für Deutschland in Rheinland-Pfalz nicht zur Entscheidung angenommen, in der sich der Landesverband dagegen wehrte, dass die ehemalige Ministerpräsidentin Malu Dreyer zu Amtszeiten die Partei im Zuge einer Warnung vor Extremismus, Hass und Hetze in den sozialen Medien explizit und beispielhaft erwähnte. Sie habe damit den Boden des Neutralitätsgebotes verlassen, begründeten die Kläger. Doch die roten Roben stellten insbesondere aus formalen Gründen fest, dass das Organstreitverfahren bereits vor der hierfür zuständigen Instanz vor Ort geführt wurde – und es prinzipiell nicht vorgesehen sei, deren Entscheidungen ohne nennenswerte Verfahrensfehler zu überdenken oder zu hinterfragen. Zudem mangelte es der Kammer offenbar an hinreichenden Argumenten dafür, weshalb die AfD im Urteil aus Koblenz eine dahingehende Abweichung von der Rechtsprechung aus Karlsruhe sehe, dass es unter der Maßgabe einer Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter zu einer Benachteiligung im substanziellen und konkreten Sinne gekommen sei. Da ergießt man sich in ellenlangen Texten darüber, warum man keine Lust empfindet, die Gelegenheit für eine ganz fundamentale Wegweisung zu nutzen, die da lautet: Auch ungeliebte Dissidenten können sich auf Fairness und Integrität berufen.
Ein windiges Verfassungsgericht, das längst selbst unter Beschuss steht…
Doch die Worte mitten aus den Weinbergen hatten es in sich, verteidigte die dritte kurzerhand die zweite Gewalt, zum Schutz der „freiheitlich-demokratischen Ordnung“, wie es hieß. Ein lapidarer Leierkasten, der als schlichte Killerphrase dient, aber dem Widerspruch allein aufgrund seiner Abgedroschenheit und Floskelhaftigkeit nicht standhält. Für gewöhnlich hätte man erwarten können, dass derartiges Geplänkel von jenen nicht unkommentiert bleibt, welche derzeit aufgrund von Neubesetzungen im Zweiten Senat die Nachrichtenlage dominieren. Doch die Ausführungen lesen sich bisweilen wie eine Ausflucht, wollte ausgerechnet jene Institution eine weitere Befassung mit dem Thema umschiffen, die durch die Personalien Brosius-Gersdorf und Kaufhold ohnehin in Verruf steht. Man muss sich mittlerweile fragen, wie es um die Justiz bestellt ist, deren Gebaren immer häufiger willkürlich, beliebig und ausweichend anmutet, sicherlich aber nicht mutig, couragiert und mit Rückgrat. So ist es weder zu einer sachlichen Positionierung noch zu einer eigenen Abwägung darüber gekommen, ob es einem Regierungschef prinzipiell abverlangt werden kann, in seiner Funktion auf Herabwürdigung und Verleumdung der Opposition zu verzichten. Und das ist bitter, hätte man doch erwarten müssen, dass der früheren Landesmutter gerade von ganz oben ein Riegel vorgeschoben wird.
Klare Antworten bleiben aus: Dürfen Regierungschef Wahlkampf gegen die AfD machen?
Allerdings machen die Verantwortlichen nicht zum ersten Mal eine wahrlich unrühmliche Figur, wenn sie die Entscheidung der Kollegen am Zusammenfluss von Rhein und Mosel augenscheinlich deshalb nicht auf ihre Tragfähigkeit überprüfen möchten, weil es zum ansehnlichen Ton gehört, die altehrwürdigen Hallen in Nordbaden bei föderalen Konflikten nach Möglichkeit gänzlich herauszuhalten. Das Duckmäusertum, sich hinter umfassenden Bestimmungen und Normierungen aus Furcht vor einem Bekenntnis zu verstecken, mit dem man klar Position hätte beziehen müssen, warum die SPD-Politikerin einen Freifahrtschein erlangt hat, die „Blauen“ auf das Übelste bloßzustellen, warf sie ihnen über die genannten Beschuldigungen hinaus auch Rassismus vor, um damit Ansehen, Leumund und Ehre eines Konkurrenten unverhohlen in den Schmutz zu ziehen, ist letztlich das Eingeständnis, den Aktivismus gegen rechts in seinem zweifelhaften Engagement passieren zu lassen. Wo kommen wir hin, wird unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die vermeintlichen Feinde des Guten all das für legitim erklärt, was noch vor Jahrzehnten durch Charaktere wie Limbach, Papier oder Herzog als unzulässig eingestuft worden wäre, haben nämlich in unserer Staatsform alle Wettbewerber einen Anspruch auf Gleichbehandlung und Chancengerechtigkeit, ohne darin durch plumpe Fouls der Mächtigen beschränkt zu werden.
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