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In der Correctiv-Berichterstattung zeigt sich die Ignoranz gegenüber Publizistischen Grundsätzen

Kommentar von Dennis Riehle

Betrachtet man dieser Tage noch einmal die Berichterstattung über das vermeintliche Geheimtreffen, so zeigt sich völlig abseits einer unerträglichen Instrumentalisierung dieses eigentlich wenig bedeutsamen Ereignisses zu politischen, medialen und die Öffentlichkeit aufstachelnden, polarisierenden und aufwiegelnden Zwecken ein in der jüngeren Geschichte bisher kaum dagewesenes mediales Überschreiten geltender Regelungen und Grenzen. Als Journalist bin ich einigermaßen schockiert – wenngleich nicht mehr unbedingt überrascht -, darüber, wie dreist, schamlos und ungeniert Publizistische Grundsätze über den Haufen geworfen werden. Es beginnt mit der mittlerweile nicht mehr nur für die öffentlich-rechtlichen, sondern auch die privaten Sender geltenden Missachtung des Prinzips der grundsätzlich wahrhaftigen Darstellung nach Ziffer 2 Pressekodex. Hierzu gehört es einerseits, dass gelieferte Informationen insbesondere dann nochmals auf ihre Plausibilität, Konsistenz und Ursprung eigenständig überprüft werden müssen, die von einem einzelnen Recherchezentrum stammen. Die Quellenkritik ist gerade dann angezeigt, wenn man mit Darstellungen versorgt wird, die von einer in der Vergangenheit immer wieder durch Abhängigkeit zu Parteien und von Fördergeldern einzelner Behörden, Organisationen und Institutionen aufgefallen sind – und darüber hinaus wiederholt in juristische Streitigkeiten wegen der Qualität, Echtheit und Authentizität ihrer Arbeit vor Gericht standen. Correctiv also ungefragt, unkritisch und Distanzlos zu eine seriösen und glaubhaften Investigativjournalisten zu erklären, deren dargebotenes Material bei ein wenig gesundem Menschenverstand und für Medienschaffende eigentlich notwendigen Skepsis bereits hätte aufhorchen lassen müssen, ist nicht nur fahrlässig und naiv, sondern scheint der mittlerweile etablierten Methode „Solidarität gegen das Böse“ zu entsprechen.

Und spätestens, als sich Teilnehmer der Veranstaltung eindeutig von den vorgebrachten Inhalten der dokumentierten Gespräche distanziert und ihnen widersprochen haben, stand Aussage gegen Aussage. Das Prinzip der Unschuldsvermutung gilt auch dann. Man hätte also eindrücklich deren Gegendarstellung nachliefern und diese ebenso ausführlich, gleichwertig und transparent abbilden müssen. Denn nur dann kann Fairness hergestellt werden, die zu einem elementaren Wert von Demokratie und anspruchsvollen Journalismus gehört. Es liegt aber möglicherweise auch ein Verstoß gegen Ziffer 1 Pressekodex vor. Denn in einer bisher für mich kaum gekannten rhetorischen Eskalation, einer Zuspitzung, einer Übertreibung, einer Nazifizierung von Sprache wurde plötzlich aus einer anfangs noch als Remigration bezeichneten Idee der Rückführung von Personen, denen in Deutschland Asyl rechtskräftig verweigert wurde oder die keinen Anspruch mehr auf Aufenthalt haben, eine im Indikativ formulierte und in mehreren Medien wiederholte Aussage, man habe sich auf eine „Deportation von Millionen Bürgern“ verständigt. Dass hier mit weit über die im Zuge einer Berichterstattung zulässigen Kommentierung hinausgehender Subjektivierung, Bewertung und Interpretation ein Sachgehalt unterstellt wurde, der mit der Ursprungsformulierung nichts mehr zu tun hat, widerspricht jedem Anspruch an Sorgfalt. In einer nahezu verleumderischen und den Ruf der an diesem Treffen Beteiligten bewusst massiv diskreditierenden Weise eine emotional, moralisch und politisch aufgeladene Konklusion als tatsächlich stattgefundene Absprache darzustellen, verstößt nicht nur gegen die Würde und Integrität der dort Anwesenden. Viel eher wird mit der Betitelung einer „Wannsee-Konferenz“ zudem explizit eine Parallele zur Geschichte gezogen, welche suggeriert, man habe sich in der Manier der damaligen Massenmörder auf eine erneute Rassifizierung in diesem Land vorbereitet.

Solch eine Ableitung, Verzerrung und offenkundige Falschdarstellung ist unsäglich, denn die Zeugen haben allesamt zurückgewiesen, dass über eine in der Verfassung als legitim und gar notwendig dargestellten Praxis der Abschiebung von Menschen, die ihren Anspruch auf Schutz in der Bundesrepublik verwirkt haben, hinausgehende Rückführung gar von eingebürgerten Personen mit deutschem Pass und Migrationshintergrund debattiert wurde. Und der dritte Verstoß liegt sicherlich mit Blick auf Ziffer 4 Pressekodex vor. Demnach sind die Medien dazu verpflichtet, nur jene Informationen zu verwenden, die auf legalem Wege erworben wurden – und explizit nicht durch das Eindringen in die Privatsphäre. Doch hiervon muss zwangsläufig ausgegangen werden, da sich offenbar keiner der Beteiligten dazu bekannt hat, etwas aus den vertraulichen Beratungen an die Öffentlichkeit weitergetragen zu haben. Völlig abgesehen davon, dass es sich um eine Zusammenkunft von Funktionären aus der zweiten und dritten Reihe der AfD, der WerteUnion, der Identitären und der Wirtschaft gehandelt hat, die überhaupt nicht befugt oder in der Position sind, irgendeinen maßgeblichen Einfluss auf die derzeitige Politik nehmen zu können, wurde bislang die Brisanz dieser vermeintlichen Schlagzeile weder begründet noch belegt. Wenn wir in einen Modus übergehen, dass in Hinterzimmern geführte Diskussionen keinen Schutz mehr vor dem Zugriff von selbsternannten Aufklärungsjournalisten genießen, nimmt die Macht der Presse ein für die Grund- und Persönlichkeitsrechte des Einzelnen höchst gefährliches Ausmaß an, das in keiner Weise verhältnismäßig ist oder mit der Bedeutung des Gesprochenen gerechtfertigt werden kann. Zusammenfassend liegt für mich also ein massives Verletzen berufsethischer Vereinbarungen vor, die dazu geeignet sind, das Ansehen der Medien weiter in ernsthaften Misskredit zu ziehen. Nicht das eigentliche Treffen ist eine Story wert, sondern der Skandal um die völlige Zügellosigkeit eines gutmenschlichen Journalismus.