Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Wie sich die CDU im Osten gegen den Durchmarsch der AfD stemmt“ (aus: „Handelsblatt“ vom 02.10.2025)
Ist es ein bloßer Hype im Stile götzenhafter Anbetung – oder steckt hinter der Welle an Zuspruch für den Ministerpräsidentenkandidaten der AfD in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, mehr als nur das Stilisieren eines zweifelsohne markanten, charismatischen, ehrlichen und geradlinigen Charakters mit Mut und Courage für eine konsequente Wende in Deutschland? Dass der Partei bei den bevorstehenden Wahlen in jüngsten Umfragen eine absolute Mandatsmehrheit zugetraut wird, hat wesentlich mit seiner Persönlichkeit zu tun, die als Glücksfall eingeordnet werden muss.
Selten hat man in der jüngeren Vergangenheit einen überzeugenderen Anziehungspol für ein breites Publikum auf dem politischen Parkett wahrnehmen können, der in seiner Programmatik überaus strikt und konsequent daherkommt. Aber es gleichzeitig beispielhaft versteht, mit geschliffener Rhetorik, pointierten Reden, kurzen Botschaften, Augenhöhe und Nahbarkeit als Stimme des Volkes die Atmosphäre nicht nur im Osten aufzugreifen – und zu artikulieren. Seine Popularität lässt sich unter anderem mit einer Mischung aus Demut, Selbstbewusstsein, Expertise und Routiniertheit erklären.
Menschlich gesehen ein Glücksgriff, politisch gesehen ein Ausnahmetalent…
Aber sie nährt sich auch aus dem Abgang von Amtsinhaber Haseloff und der Schwäche seines Nachfolgers, die kaum noch jemanden vom heimischen Sofa zum Urnengang mobilisieren können. Die enorme Zustimmung bleibt also einerseits Ausdruck des Protests gegenüber CDU, SPD und FDP. Deutlich gewichtiger scheint jedoch die Glaubwürdigkeit eines Mannes, der modern und sympathisch gleichermaßen wirkt, die Massen mitreißen kann, eloquent und freundlich auf aggressive Wortgewalt verzichtet. Gleichwohl besteht bei jedem Superstar auch eine enorme Fallhöhe. Der Übergang zur Hybris kann fließend sein. Doch im Augenblick sind keine Anzeichen zu erkennen, dass der 34-Jährige die Bodenhaftung preisgibt.
Er gilt schon jetzt als ein potenzieller Regierungschef der Herzen, dem es allerdings nicht an unmissverständlicher Intention mangelt. Unbeeindruckt zeigt sich die Öffentlichkeit von seiner Teilnahme am sogenannten Geheimtreffen von Potsdam, über das viele Unwahrheiten kursieren, sprach man unter anderem mit dem österreichischen Aktivisten Martin Sellner nicht über die „Deportation“ von Millionen Staatsbürgern, sondern von der Notwendigkeit einer breitflächigen Remigration von Ausländern ohne Bleibeperspektive. Der gegen den Groß- und Außenhandelskaufmann erhobene Rechtsextremismusverdacht begründet sich laut Verfassungsschutz auf sehr mageren Aspekten.
Markige Aussagen, strike Forderungen, provokative Thesen – aber sehr viel Wahrheit…
Moniert wird vornehmlich der Gedanke eines friedlichen Ethnopluralismus, also einem Nebeneinander der Nationen, ohne sich Souveränität, Integrität und Wesenseinheit streitig zu machen. Mit klaren Ansagen für die ersten 100 Tage einer Alleinregierung verspricht der studierte Wirtschaftspsychologe einen Ausstieg aus den Rundfunkgebühren, massive Grenzkontrollen und eine Abwendung von Klimahysterie, Genderwahn und linkem Mainstream. Der von den Etablierten abberufene Vorsitzende des Sozialausschusses gehört zu den Unterzeichnern der „Dresdner Protestnote“, die sich gegen die Aushöhlung von Grundrechten, die „planmäßige Ersetzung der deutschen Bevölkerung“ durch Zuwanderer und die mutwillige Zerstörung der Ressourcen des hiesigen Wohlstandes stemmen.
Dass ihm nicht zuletzt deshalb Heuchelei vorgeworfen wird, weil er sich gegen die Verwendung von 2,61 Milliarden Euro an Infrastrukturgeld aus Zeiten der Ampel wendet, irritiert seine Anhänger nicht. Auch Vokabeln wie das „Replacement“ oder eine „Abschiebeoffensive“ stoßen kaum auf Argwohn, weil es mit dem Drehen an einzelnen Stellschrauben keinesfalls mehr getan ist. „Die AfD ist für mich gegenwärtig die einzige Partei, welche die Sorgen und Nöte vieler, vieler Menschen offen und vorurteilsfrei anspricht“, sagte der Tangermünder einst selbst, um pragmatisch zu bleiben: „Patriotismus heißt, stolz auf Deutschland zu sein – auf unsere Geschichte, unsere Kultur, unsere Fahne. Nicht diese Regenbogen-Flags überall, sondern Schwarz-Rot-Gold!“