Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Mit Chatkontrolle ‚Privatsphäre faktisch verloren‘: Messenger Signal droht mit Rückzug aus EU“ (aus: „Apollo News“ vom 05.10.2025)
Der Jurist und ehemalige Richter am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, Louis Brandeis, formulierte einst sehr treffend und deutlich: „Das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, ist das wertvollste Recht eines Bürgers“. Ursula von der Leyen zieht ein solches Zitat in diesen Tagen auf tragische, empörende wie despotische Art und Weise ins Lächerliche. Mit der geplanten „Chatkontrolle“ wird unter dem Deckmantel der Bekämpfung sexuellen Missbrauchs von Kindern jegliche Privatsphäre in der EU ausgehebelt. Anbieter von Messenger-Diensten wie „WhatsApp“, „Signal“, „Telegram“ oder „Threema“, E-Mail-Services und Hosting-Plattformen sollen demnach Inhalte, Nachrichten, Fotos, Videos und Dateien automatisch, flächendeckend und ohne jeglichen Verdachtsmoment scannen. Diese Überprüfung erfolgt nach Vorstellung der Kommission vor einer etwaigen Verschlüsselung auf dem Gerät des Nutzers. Basierend auf KI-Tools sind Beliebigkeit und Willkür schon allein deshalb Tür und Tor geöffnet, weil Techniken und Methoden zum Einsatz kommen, die höchst fehleranfällig und für externe Manipulation oder Zugriffe äußerst prädestiniert sind. Die Kollateralschäden wären also riesig.
Nicht nur Sicherheitslücken und Technikversagen würden Willkür den Weg ebnen…
Denn das Vertrauen in die Künstliche Intelligenz wird ins Absurde getrieben, sämtliche Grundrechte erodieren, das Wertegerüst von Demokratie und Liberalismus auf diesem Kontinent zerbricht. Das Eindringen in die intimsten Bereiche der Menschen erreicht mit einem solchen Schritt jenes Ausmaß an potenter Überwachung, wie man es nur aus diktatorischen Regimen wie China kennt. Künftig sollen also Durchsuchungsanordnungen der Behörden gegenüber den Unternehmen verbindlich sein, anderweitig drohen Bußgelder. In einer zentralen Koordinationsstelle dürften Meldungen gesammelt und Entfernungen veranlasst werden. Die Zensur prosperiert, die Inspektion höchsteigener Lebensbereiche macht uns endgültig gläsern und durchsichtig. Österreich, Luxemburg und Polen sind entschieden gegen das Vorhaben. Deutschland droht zu schwanken, um der Absicht im Rat mit etwa 19 zu 27 Staaten eine Mehrheit zu verschaffen. Das Parlament hatte sich gegen die Maßnahme gewandt, Kritiker sehen eine völlige Ineffizienz auch deshalb, weil Kriminelle andere Verbreitungswege als die offiziellen Kanäle suchen. Sicherheitslücken sind schon jetzt aufgetaucht, erste Provider drohen mit Rückzug aus Europa.
Plötzlich könnte jeder von uns zum Beschuldigten und Opfer KI-erhobener Vorwürfe werden!
Die Anlasslosigkeit ist einer der wesentlichen Streitpunkte. Aber auch rechtlich gibt es nahezu unüberwindbare Hürden. Offensichtlich ist beispielsweise der Verstoß gegen die E-Privacy-Richtlinie (2002/58/EG) und Art. 5 DSGVO, die eine Vertraulichkeit der Kommunikation und Eingriffe nur nach Zweckmäßigkeit gewährleisten sollen. In einem Gutachten des Europäischen Datenschutzausschusses und fachkundiger Datenschutzbeauftragter wird vor massiven Verletzungen und Risiken wie Fehlalarmen gegenüber Unschuldigen gewarnt. Der juristische Dienst des EU-Rates selbst sieht das Prozedere als unverhältnismäßig und unhaltbar an. Und auch Experten bei uns machen auf eine Kollision mit dem digitalen Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG aufmerksam, welches nach gültiger Rechtsprechung Absolutheit besitzt. Eine Ratifizierung von Beschlüssen aus Brüssel ist für die hiesige Regierung nur dann verbindlich und möglich, wenn sie gemäß Art. 23 GG verfassungskonform sind. Andernfalls ist Karlsruhe zum Einschreiten angehalten. Sollte es also am 14. Oktober 2025 zur Annahme des Projektes kommen, ist glücklicherweise mit sofortigen klagen zu rechnen.