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Nach dem inszenierten Fraktionsausschluss: Schlägt jetzt die Stunden der Alternativen zur Alternative?

Kommentar von Dennis Riehle

Fallen in einem ansonsten behäbigen Machtapparat Entscheidungen auffallend schnell, so sollte man als kritischer Beobachter hellhörig werden – und sich die Frage stellen, inwieweit bestimmte Vorgänge nicht bereits über Wochen und Monaten erprobt wurden. Dass innerhalb von wenigen Stunden der Beschluss der Fraktion „Identität und Demokratie“ im Europaparlament fiel, die Delegation der AfD auszuschließen, begründet sich also im Zweifel damit, dass man in Brüssel nur auf einen Umstand gewartet hat, mit dem man diesen Schritt der Trennung und Spaltung begründen konnte. Es braucht nicht einmal ein Dasein als Insider, um zu der wenig verschwörungstheoretischen Überzeugung zu gelangen, dass auch die deutsche Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen ihre Finger im Spiel hatte, als es am Ende um die Segregation von Vertretern einer deutschen Partei ging, welche auch sie als den größten Feind für ihre weitere Karriere ansieht. Ob es nun um eine persönliche Feindschaft aus früheren Tagen zwischen der ehemaligen Bundesfamilienministerin und dem früheren CDU-Mitglied Maximilian Krah ging, entsprechende Sorgen um den Machtverlust einer Behördenchefin mit einem momentan lediglich ruhenden Ermittlungsverfahren an der Backe oder etwaige Rufe aus Berlin zur Beteiligung an der Diffamierungskampagne gegen die Alternative für Deutschland: Der reibungslose Ablauf eines beispiellosen Gebarens illoyaler Verräter von den Äußerungen des blauen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl in einem Zeitungsinterview bis zur Aufkündigung der Zusammenarbeit durch die französische Vorsitzende des Rassemblement National und dem Rauswurf aus der gemeinsamen Abgeordnetengruppe lässt vermuten, dass es sich um ein inszeniertes Schauspiel handelt, das von langer Hand geplant war – und jetzt zur Aufführung kam, weil es langsam knapp wird, so kurz vor dem wichtigen Urnengang.

Denn während hierzulande die Bürger nur noch bedingt auf die aufgebauschten Skandale und Affären reagieren, die man im Vorfeld der Abstimmungen am 9. Juni denjenigen anhängt, welche sich durch die Gängelung des Verfassungsschutzes einigermaßen unbeeindruckt geben, scheinen sich gerade Le Pen und Meloni weiterhin auf einem Schmusekurs mit dem Establishment zu befinden – weil sie entweder an die Spitze eines Staates kommen möchten oder sich dort halten wollen. Und für eine derartige Anbiederung ist es nur allzu störend, wenn sich ein Partner in der prinzipiellen Opposition gegenüber den Alteingesessenen übt. So ist es in Paris der schon lange offenbar gewordene Argwohn, welchen man gegenüber dem Nachbarn hegt – da man im tiefsten Herzen doch einen gewissen Neid in sich spürt, dass die AfD mit einer konsequenten Politik der Verteidigung von Einheit, Fortbestand und Kontinuität der Nationalstaaten und ihrer Völker beim hiesigen Souverän ebenso wie mit der Forderung nach einer stringenten Remigration punkten kann – ohne Abstriche bei der Glaubwürdigkeit machen zu müssen. Stattdessen stand die Partei über Jahre trotz diametral entgegenstehender Strömungen einigermaßen geschlossen da – und konnte sich mit dem Alleinstellungsmerkmal schmücken, als einziger nennenswerter Widersacher der herrschenden Klasse für eine komplette Trendwende einzutreten. Dass man diesen Schulterschluss von Seiten des Bundesvorstandes aufgab, weil man nicht dazu bereit gewesen ist, Krah für seine differenzierte Antwort hinsichtlich der individuellen Schuld von Angehörigen und Mitläufern der SS in Schutz zu nehmen, ist gerade in dieser heiklen Phase der politischen Auseinandersetzung eine Bankrotterklärung gewesen. Sicherlich war es aber auch seinerseits nicht die klügste Abwägung, die Diskussion über ein derart komplexes Thema ausgerechnet jetzt aufzumachen.

Denn zweifelsohne wäre er durchaus in der Lage gewesen, im Gespräch mit „La Repubblica“ den Komplex zu umschiffen – oder seine Einlassungen in einen Rahmen zu stellen, der zunächst einmal unmissverständlich deutlich gemacht hätte, dass die grundsätzliche Intention der Schutzstaffel die vorrangige Beteiligung an den Massenmorden des Hitler-Regimes gewesen ist. Sein Standpunkt war in der Sache somit nicht falsch, möglicherweise aber zu kurz gedacht. So hat er zwar eine notwendige und richtige Differenzierung vorgenommen, welche allerdings die Leitmedien und die momentanen Stimmungsmacher aus dem Mitte-Links-Spektrum nur allzu gerne aufgegriffen, instrumentalisiert und ausgeschlachtet haben. Das war erwartbar – jedoch auch vermeidbar. Somit ist man an der Eskalation nicht völlig unbeteiligt. Gerade aus taktischen Gründen wäre man gut beraten gewesen, der agierenden Masse an „Demokratieförderern“ nicht auch noch den letzten Tropfen an die Hand zu geben, der das Fass zum Überlaufen brachte – und nun tatsächlich eine Affäre ausgelöst hat, die dazu geeignet ist, der AfD in der Gesamtheit einen schweren Schaden zuzufügen. Insbesondere das reflexartig verhängte Auftrittsverbot für Krah und das ihm offenbar nahegelegte Ausscheiden aus dem engeren Zirkel seiner Partei haben bei nicht wenigen Wählern den Anschein hinterlassen, dass sich Weidel und Chrupalla aus dem Ausland erpressen ließen. Dies wiederum ist ein deutlich gravierender Schlag ins Kontor als die bisherigen Märchenerzählungen, die die Systempresse über die Alternative für Deutschland in die Welt gesetzt hat. Immerhin treten nun auch interne Verwerfungen zwischen zerrütteten Lagern zutage, welche man nach Meuthen und seinem Umfeld doch eigentlich für überwunden hielt.

Die Beschäftigung mit sich selbst kommt zu einem denkbar ungünstigen Augenblick, weil sie damit die Möglichkeiten und Chancen weiter verkompliziert, mit Programmatik oder Inhalten in der Öffentlichkeit überzeugen zu können. Es fällt mir am Ende schwer, zu glauben, dass man nicht abgesehen habe, wie unsolidarisch die europäischen Verbündeten mit Krah und seinen Mitstreitern umgehen würden – falls man ihnen dafür eine passende Gelegenheit gibt. Die Preisgabe als Sündenbock durch die ID kam für die AfD sicherlich nicht völlig überraschend. Denn es geht den meisten Spitzen der Rechten vornehmlich um das  persönliche Prestige und die Anschlussfähigkeit an das Kartell. Sie haben sich in diesem Zuge zu einem Handlanger für die verweichlichte Bourgeoisie gemacht – und es an jeglichem Rückgrat vermissen lassen. Man weiß nun auch darum, dass sie ihre Seele verkaufen würden, um mit von der Leyen politisch kuscheln zu können. Dieses Armutszeugnis ist gerade deshalb ernüchternd, weil besonders in Deutschland nicht wenige Bürger darauf vertrauen, dass es wenigstens einen Standhaften gibt, der sich von der Verlockung der Einflussnahme nicht verbiegen lässt. Doch dieser Überzeugung muss man jetzt mit einer gewissen Skepsis begegnen. Schließlich war es ein Ausdruck von fehlender Charakterlichkeit, die eigenen Leute derart im Stich zu lassen. Es ist ohne Umschweife ein Fiasko, mit dem man sich nun konfrontiert sieht. Denn sowohl kommunikativ wie auch strategisch wurde fast alles falsch gemacht, was angesichts der bereitgestellten Fettnäpfen und des hingehaltenen Stöckchens hätte schiefgehen können. Ob sich der Scherbenhaufen vor dem Votum in den ostdeutschen Bundesländern noch kitten lässt, wird abzuwarten zu sein. Die Krisen-PR muss nahezu Unmögliches leisten, will sie Aufmerksamkeit zurück auf die Sachebene lenken. Profitieren könnte die CDU, welche möglicherweise jene Wähler wieder an sich bindet, die Blau ohnehin nur aus Protest und Trotz in Erwägung gezogen hatten. Und auch für kleinere Konkurrenten wie „Bündnis Deutschland“, „WerteUnion“ oder „Die Heimat“ dürften die Sterne recht verheißungsvoll stehen, wenn nun manch ein Enttäuschter eine Alternative zur Alternative sucht.

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