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Ohne Orientierung auf den Meeren der Selbstbestimmung: Identitätslosigkeit wird zur hehren Tugend des Zeitgeistes!

Kommentar von Dennis Riehle

Es war nicht zuletzt der Gipfel der Obszönität auf dem ESC, welcher auch den letzten Zweifler darin bestätigt hat, dass wir uns in der westlichen Zivilisation einer Rückentwicklung hingegeben haben, die uns an die Ursprünge des Menschseins führt. Doch schon damals war man offenkundig etwas weiter als im Jahr 2024 – denn schließlich konnte man bereits bei der Geburt erkennen, dass der Nachwuchs entweder männlich oder weiblich ist. Biologen und Queer-Beauftragte von heute wollen uns dagegen erklären, dass es nicht einmal einem Arzt möglich sei, bei einem Baby das Geschlecht klar festzustellen. Der wesentliche Unterschied zwischen einer Ideologie der Unbedingtheit, der Willkür und der Desorientierung einerseits und der Überzeugung des Verstandes, der Logik und der Rationalität andererseits liegt wesentlich im Aspekt der Objektivität begründet.

Dass sich eine transhumanistische, teils auch dehumanisierende Weltanschauung in den vergangenen Jahren immer weiter vorgekämpft hat, ist dem Bedürfnis immer mehr Personen geschuldet, sich nicht auf eine Konformität, Integrität und Authentizität festlegen zu können – und zu wollen. Denn der Maßstab von heute ist die Emotion. Die Frage lautet also nicht mehr: Wer bin ich? Sondern sie wurde zu „Als was empfinde ich mich?“ fortentwickelt. Damit geht jegliche Verlässlichkeit verloren, die für eine Gemeinschaft so wichtig ist, in der man nicht nur eine Leitkultur benötigt – sondern eben auch einen Konsens darüber, dass die Binarität das evolutionäre Rahmengerüst ist, in dem sich die private und öffentliche Identifikation abspielt – und dabei den Anspruch an die natürlichen Wesensmerkmale erhebt.

Lässt sich eine Gesellschaft darauf ein, dass der Einzelne nicht mehr anhand eindeutig erkennbarer und durch die Schöpfung definierter Charakteristika zu fassen ist, sondern die nahezu minütlich wechselnde Individualität als gültig normiert wird, lässt sich Kollektivität kaum noch verwirklichen. Stattdessen sind wir dann auf dem Weg in Richtung Anarchie, in der es nicht nur zu einer massiven sozialen Spaltung kommt, sondern die Entfremdung immer weitere Vorurteile, Ressentiments und Distanz schürt. Eine Gruppe kann nicht funktionieren, wenn jedes Mitglied seine immanenten Regeln determiniert. Es fällt der letzte Ankerpunkt, auf den man sich als Minimum an Wirksamkeit hätte verständigen können.

Wir verlieren unsere Eindeutigkeit und die Anknüpfungspunkte für das Zusammenleben. Und scheinbar ist dies auch bewusst so gewollt. Denn die „Szene“ hat sich schon immer in ihren separierten Communitys vom Rest der Welt abgegrenzt. Man möchte also unter seinesgleichen bleiben, die ebenfalls keinen Wert auf Klarheit oder Prägnanz legen. Es kommt also letztlich einer Kompensation von massiven Insuffizienzgefühlen gleich, wenn sich jemand auf eine endlose Suche nach dem Ich begibt – und auf dem Ozean der Vielfalt nie zu einem Heimathafen kommen wird, weil damit ein Ankommen in der Deckungsgleichheit verbunden wäre. Dass es in unserem Land so viele Menschen gibt, die sich einer persönlichen Übereinstimmung verwehren, dürfte nicht zuletzt auch an einer wachsenden Zahl an überbehüteten Schützlingen liegen, denen in einer Laissez-Faire-Erziehung immer wieder das Recht auf Eigenbestimmung eingetrichtert wurde.

Wer also mit seiner aktuellen Identität nicht zufrieden ist, dem wird am Ende suggeriert, sich auch nicht entscheiden zu müssen. Und so reift der Nachwuchs in der Schwammigkeit heran, sich weder hinsichtlich des Jobs oder Berufs zu verpflichten, noch bei der Sexualität. Doch ein Dasein in Vagheit bringt beständige Unrast mit sich – und schließt einen Seelenfrieden nahezu komplett aus. Dabei ist die Ebenmäßigkeit ein zentrales Kriterium für mentale Stabilität, Leistungskraft und Beständigkeit. Wankelmütigkeit zwischen den beiden Polen oder gar außerhalb dieses Spektrums verwirren nicht nur die inhärente Kompassnadel. Viel eher bleibt die für einen Verbund an Menschen zwingend notwendige Unverfälschtheit auf der Strecke, die die Prämisse für Vertrauen, Reliabilität und Glaubwürdigkeit ist.

Wenn wir nicht mehr wissen, wie wir das Gegenüber ansprechen sollen, welcher Abstammung es ist und inwieweit es überhaupt zur Integration bereit scheint, dann wir Beziehung undenkbar. Dass sich darüber hinaus immer neue Barrieren auftun und die Risse in einer ohnehin labilen Solidarität größer werden, interessiert dabei diejenigen nicht, denen es vor allem auf eine egozentrische und narzisstische Verwirklichung ihrer Mentalität als Buntvogel ankommt – welche im Zweifel allerdings auf einem äußerst tönernen Persönlichkeitsfundament fußt. Und was soll das Ziel eines solchen Schlingerkurses sein, der von jeglicher Geradlinigkeit abhält – und hierbei alle Optionen offen lässt? Man tut sich keinen Gefallen damit, sich ständig deviant zu geben, mit Provokation um Aufmerksamkeit zu ringen und von Scheitern und Versagen ablenken zu wollen. Die Flucht in eine Wirklichkeit der völligen Zwangslosigkeit mag wie Freiheit und Selbstfindung anmuten. Aber sie ist Ausdruck der Konfusion.