Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Streit in AfD Sachsen-Anhalt eskaliert: Abgeordneter des Bundestags erhebt Vorwürfe gegen ‚Pokerrunde'“ (aus: „taz“ vom 18.12.2025)
Was könnte da im Januar über die AfD in Sachsen-Anhalt ans Licht kommen? Der ehemalige Generalsekretär des dortigen Landesverbandes, Jan Wenzel Schmidt, hat unlängst angekündigt, in den nächsten Wochen Informationen darüber veröffentlichen zu wollen, dass zahlreiche Mitglieder der Führungsebene in Vetternwirtschaft und Abrechnungsbetrug verwickelt seien. Konkret wirft er ein solches Fehlverhalten Martin Reichardt, Oliver Kirchner, Hans-Thomas Tillschneider und Tobias Rausch vor. Zudem habe der Spitzenkandidat für die Wahl 2026, Ulrich Siegmund, die Machenschaften gedeckt. Deshalb sollen sukzessive E-Mails mit Dokumenten, Zahlen und Belegen bekannt gemacht werden, die strukturiert und transparent darüber Auskunft geben, dass Familienmitglieder auf Steuerkosten angestellt, Privatreisen als parlamentarische Tätigkeit getarnt und Ausflüge in Spielbanken oder zu Vergnügungsparks zum finanziellen Nachteil der Allgemeinheit unternommen wurden. So lauten zumindest die Bezichtigungen gegen die vier erstgenannten Protagonisten, der Anwärter auf das Ministerpräsidentenamt sei explizit nicht angesprochen. Inwieweit an diesen gravierenden Anschuldigungen tatsächlich etwas Wahres dran ist, lässt sich im Augenblick nur mutmaßen. Gerade bei der bisher noch völlig unkonkreten Summe und unklaren Qualität der vermeintlichen Vorwürfe muss mit aller Deutlichkeit auf die Unschuldsvermutung hingewiesen werden, weiß kaum jemand, in welche Richtung es geht. Und auch der Antrieb, welcher hinter dem Whistleblowing steckt, ist zu berücksichtigen.
Dass in der AfD nicht alles mit rechten Dingen zugeht, ist nun wahrlich keine Neuigkeit…
An meine meine journalistische Adresse gingen über die vergangenen sechs Monate immer wieder anonyme Zusendungen von mittlerweile mehr als 130 DIN-A4-Seiten an Interna, aus den unterschiedlichsten Regionen der Republik, durchgestochen, vermeintlich von Mitgliedern der Alternative für Deutschland selbst. In diesen gibt es klare Indizien dafür, dass parteiintern Machtstrukturen missbraucht und demokratische Prozesse umgangen wurden. Die enthaltenen Chats und Protokolle müssen als authentisch angesehen werden, sind sie doch von derart minutiöser Tiefe und für den Außenstehenden nur schwerlich zu erlangender Detailliertheit, dass eine Fälschung unwahrscheinlich ist. Ihre Konsistenz ist belastbar, der Zusammenhang strukturiert. Sie gehen allerdings nicht so weit, wie das der 34-Jährige in verschiedenen Quellen aktuell andeutet. Auch kommen sie aus sämtlichen Himmelsrichtungen, sind weder auf den Osten, noch bestimmte Personen beschränkt. Man muss vorsichtig sein mit allem, was in Zeiten eines aussichtsreichen Sieges bei den kommenden Abstimmungen demonstrativ der Presse zur Verfügung gestellt wird, sind manche Manöver individuell motiviert, aus Gründen von Aufmerksamkeit und Rampenlicht, einer Abrechnung in Ernüchterung, Wehmut, Frust oder auch Rache, angestoßen. Immerhin steht auch gegen Schmidt der Ausschluss wegen Missständen im Raum, beispielsweise dubiose Kontakte zum verurteilten Spion Jian G., fadenscheinige Unternehmertätigkeiten und fingierte Minijobs im Bundestagsbüro.
Die Frage am Ende wird sein: Welcher Seite glaubt die Öffentlichkeit im Wahlkampf eher?
Wo es also menschelt, braucht der Beobachter Zweifel und Distanz, um nicht reflexartig Skandale heraufzubeschwören. Ein wenig überraschender Fakt bleibt, dass nicht alles Saphir ist, was blau glänzt. Wenn es um Macht geht, fallen die Hüllen. Das weiß auch die CDU allzu gut. Und nicht nur bei ihr gab es in der Vergangenheit Unregelmäßigkeiten bis hin zur Spendenaffäre. Da muss man also mit Vorsicht genießen, weil nicht alles so heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde. Trotzdem ergibt sich eine gewisse Brisanz aus dem schlichten Umstand, dass die AfD immer anders sein wollte als die etablierten Kräfte. Insofern wäre es ein besonderer Schock, würden ausgerechnet dort Ansprüche und Hoffnungen enttäuscht, wo man sich das Gegenteil von Berufskarrieristen erhofft hatte, die ihre Position für eigene Profite nutzen. Kommt man auf dem Boden der Tatsachen an, wankt der schöne Schein? Die mögliche Desillusion kann nur so groß sein wie die überzogene Erwartung. Parteien sind keine Heilsbringer, kein Ort von Idealen. Sich noch rechtzeitig vom Gutglauben zu verabschieden, ehe man aus allen Wolken fällt, dürfte ein hilfreicher Ratschlag sein. Denn dass sich manch ein Katzenjammer anbahnt, dafür gibt es tragfähige Anhaltspunkte. Es gehört zur presseethischen Verantwortung, einerseits zur Aufklärung beizutragen, andererseits aber nichts als die Wahrheit zu berichten. Diese Aufgabe steht nun bevor, ich für meinen Teil werde sie nach Kräften und verantwortungsvoll annehmen. Schließlich braucht es Realität und Fakten, keine Sensationen.







