Wäre Waffengewalt ausgeschlossen gewesen? Die Debatte über Fehler im Jahr 2015 verkennt Befugnisse zu Remigration und Selbstverteidigung!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Zehn Jahre ‚Wir schaffen das‘: Ein Rückblick auf Krisengipfel und geöffnete Grenzen“ (aus: „Der Spiegel“ vom 31.08.2025)

Wie weit darf die Forderung nach Remigration gehen? Was lässt sich angesichts von Verfassung und Übereinkünften auf internationaler Ebene tatsächlich realisieren? Und wäre es legitim, vielleicht sogar notwendig gewesen, im Jahr 2015 nicht etwa die Grenzen zu öffnen, sondern das deutsche Territorium im Zweifel auch mit Waffengewalt gegenüber einer Invasion von ganzen Menschenmassen zu verteidigen? Die Diskussion ist entbrannt, seitdem der ehemalige Vizekanzler Sigmar Gabriel nunmehr eine Dekade nach dem berüchtigten „Wir schaffen das“ zu dem Urteil gelangt, dass Angela Merkel gar keine andere Möglichkeit gehabt hätte, als die Schlagbäume zu Scheunentoren zu weiten. Doch stimmt diese Interpretation der geltenden Paragrafen und Konventionen tatsächlich? Blickt man zunächst auf die Ausgangslage unserer eigenen Statuten, so besagt § 11 des „Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes“ wie folgt: „Vollzugsbeamte können im Grenzdienst Schußwaffen auch gegen Personen gebrauchen, die sich der wiederholten Weisung, zu halten oder die Überprüfung ihrer Person oder der etwa mitgeführten Beförderungsmittel und Gegenstände zu dulden, durch die Flucht zu entziehen versuchen“.

Wer voreilige Antworten findet, hat das Kleingedruckte meist nicht gelesen!

Gänzlich ausgeschlossen ist demnach nicht, dass ein Vorgehen dann legitim gewesen wäre, hätten die Flüchtlinge den hiesigen Grund und Boden ohne Aufklärung ihrer entsprechenden Befugnis erreicht, um sich zuvor nicht im Einzelfall auf Herkunft, Motivation und Identität abklopfen zu lassen. Ruft man sich diesbezüglich noch einmal die Bilder von damals ins Gedächtnis, so wird man bei etwas Abstand ehrlicherweise attestieren müssen, dass es genau zu diesen Szenerien von Chaos und Willkür gekommen ist, in denen keine Kontrolle mehr herrschte. Tastet man sich in der weiteren Argumentation auf die juristische Metaebene vor, so landet man rasch beim Völkerrecht. Artikel 51 der UN-Charta verbrieft das Selbstverteidigungsrecht jeder Nation im Falle eines „bewaffneten Angriffs“. Dabei ist die Definition des letztgenannten Terminus 1974 aus Gewohnheit noch einmal neu umrissen worden, um auch „nicht-militärische Formen der Aggression“ zu umfassen. Es braucht also nicht zwingend das Mitführen von Bomben und Pistolen durch den Gegner, um sich entsprechend zur Wehr setzen zu dürfen. Viel eher genügt das Vorgehen „gegen die Souveränität, die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates“, um die entsprechende Normierung zu aktivieren.

Normalerweise gilt die Regelung allerdings für Auseinandersetzungen zwischen zwei Staaten. Doch bedeutet dies zwangsläufig, dass andere Konfliktkonstellationen gänzlich außer Betracht bleiben müssen? Laut Art. 3 der Aggressionsdefinition ist beispielsweise auch eine hybride Variante der Bedrohung vorstellbar, welche exemplarisch mit der Phrasierung „Das Entsenden bewaffneter Banden, Gruppen, Freischärler oder Söldner mit Waffengewalt Handlungen durch einen Staat oder für ihn, wenn sie gegen einen anderen Staat von so schwerer Art ausführen, dass sie den oben angeführten Handlungen gleichkommen, oder die wesentliche Beteiligung an einer solchen Entsendung“ durch die Vollversammlung zu Papier gebracht ist. Zudem wird in Art. 4 des gleichen Dokuments betont, dass bislang keine abschließende Aufzählung darüber existiert, in welchem Zusammenhang ein Akteur in die Defensive gehen darf, sodass Präzedenzen geschaffen werden können. Die Volatilität der Klarlegung und Lesart entsprechender Standards zeigt unter anderem auch das Beispiel der terroristischen Attacke der Hamas auf Israel. Auch dort handelte es sich um nicht-institutionelle, aber durchaus organisierte Invasoren, auf die Jerusalem unter allgemein anerkanntem Verweis auf die Vereinten Nationen reagierte.

2015 hätte ein Präzedenzfall für die höchstrichterliche Klärung der Gesetzeslage sein können!

Insofern ist Vieles im Fluss und bis heute nicht höchstinstanzlich entschieden. Dass es innenpolitisch allerdings ohne jeden Einwand bleibt, beispielsweise auch mit der Parole „Ausländer raus!“ nicht etwa unzulässig Stimmung zu machen, sondern unter dem Segen von Karlsruhe eine Weltanschauung zu vertreten, die sich gegen das Verdrängen der autochthonen Mehrheit richtet, wird im Beschluss von 2010 deutlich, wonach es sich nicht um „ein böswilliges Verächtlichmachen sowie mithin eine Menschenwürdeverletzung der ausländischen Mitbürger“ handelt. Auch dürften in der ideologischen Meinungsdebatte heikle Positionen vertreten werden, wie die in einem konkreten Fall zur Verhandlung gestandene Forderung nach „Schaffung einer ‚lebenswerten deutschen Stadt'“ ohne Ausländer. Zwar widerspreche dies „auch ohne Zweifel der für die freiheitliche demokratische Grundordnung grundlegenden Erwartung einer Toleranz der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern. Das Strafgesetzbuch stellt aber nicht schon ausländerfeindliche Äußerungen als solche unter Strafe“. Überdies greife eine Interpretation zu kurz, die suggeriert, dass Personen fremder Herkunft in derartigen Kundgaben unter „Missachtung des Gleichheitssatzes als unterwertig dargestellt würden“, so die roten Roben.

Zudem könne nicht obligatorisch davon ausgegangen werden, dass ihnen dank solcher Slogans „das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten werde. Diese Auslegung lässt sich jedenfalls nicht auf den bloßen Wortlaut“ stützen. Ähnlich befand auch das Bundesverwaltungsgericht 2023 auf die Frage hin, ob es angemessen war, ein Wahlplakat der NPD mit der Aufschrift „Migration tötet!“ auf Veranlassung der zuständigen Stadtverwaltung abhängen zu lassen. Prinzipiell herrsche keine Skepsis, dass bei der Bewertung einer Akzentuierung „nicht die subjektive Absicht des sich Äußernden, sondern der Sinn zugrunde zu legen ist, den sie objektiv nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums“ haben dürfte. Das Motiv könne deshalb durchaus als „überspitzter und polemischer Beitrag zu der Debatte im Sinne einer Kritik an der Migrationspolitik verstanden werden“, der von Art. 5 GG gedeckt ist. Und so zeigt auch dieses Beispiel, wie sehr ein restriktives Vorgehen gegen die illegale Einwanderung im Einklang mit der vielschichtigen Exegese unserer bestehenden Ordnung steht, schmäht man das reflexartige Totschlagargument von links, diese und jene Praxis sei juristisch unhaltbar. Gerade heute muss vielmehr Konsens sein: „Geht nicht, gibt’s nicht!“.