Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Urteil in Leipzig: Bundesverwaltungsgericht setzt Öffentlich-Rechtlichen Grenzen“ (aus: „Tichys Einblick“ vom 15.10.2025)
Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung mit Blick auf den Rundfunkbeitrag verkündet. Eine Frau aus Bayern war durch die Instanzen gezogen, weil sie die grundgesetzlich normierte Meinungsvielfalt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht mehr als gegeben ansah, um somit auch die altbekannten 18,36 Euro an Pflicht- und Zwangsgebühr in Richtung ARD und ZDF zu verweigern. In der Revisionsverhandlung war es vor allem darum gegangen, ob die Vorinstanz in ihrem Urteil grobe Fehler begangen hat. Und tatsächlich wurde es von den Roben in Leipzig aufgehoben. Doch allzu schneller Jubel ist unangebracht. Zwar warf man den Kollegen in München vor, nicht hinreichend geprüft zu haben, ob die durch Karlsruhe festgelegten Standards für den ÖRR gerade in verfassungsrechtlicher Hinsicht weiterhin eingehalten werden. Eine gewisse Vorahnung ließ man allerdings jetzt schon erkennen. Denn in den Ausführungen heißt es, dass es „nach dem bisherigen tatsächlichen Vorbringen derzeit überaus zweifelhaft [sei], ob die Klägerin eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht wird erreichen können“.
Der ÖRR hat Eigenverantwortung, steht aber auch unter juristischer Kontrolle…
Allerdings markierte man auch in Richtung Hamburg und Mainz ein klares Postulat. Denn es stehe nicht etwa den Rundfunkanstalten zu, einen Beurteilungsspielraum darüber zu entfalten, ob eine „Äquivalenz zwischen Beitragspflicht und Programmqualität“ auch weiterhin bejaht werden könne. Diese Überprüfung falle ausschließlich der „tatrichterlichen Würdigung“ zu. Heißt: Inwieweit die „gegenständliche und meinungsmäßige Vielfalt und Ausgewogenheit über einen längeren Zeitraum gröblich verfehlt“ wurde, beurteilen nicht die Sendeanstalten selbst. Viel eher sind sie regelmäßig der juristischen Kontrolle unterworfen. Es bestehe für sie darüber hinaus nicht nur ein Recht, sondern auch die Pflicht, die sich „ergebenden Anforderungen an die Erfüllung des Rundfunkauftrags eigenverantwortlich sicherzustellen und anhand anerkannter Maßstäbe zu bestimmen, was der Rundfunkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt“. Dieser Funktionsauftrag besteht letztlich darin, unter einem individuellen Vorteil des Konsumenten „Vielfalt zu sichern und als Gegengewicht zum privaten Rundfunk Orientierungshilfe zu bieten“.
Gleichzeitig genügen allerdings nicht einzelne handwerkliche Verfehlungen. Stattdessen ist „die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags erst dann in Frage gestellt, wenn das aus Hörfunk, Fernsehen und Telemedien bestehende mediale Gesamtangebot aller öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt erkennen lässt“. Nun wird sich trefflich darüber streiten lassen, ab welchem Augenblick diese Grenze erreicht ist. Eine Studie der Universität Mainz hatte 2024 ergeben, dass die Berichterstattung des ÖRR wesentlich auf der Bevorzugung der damaligen Regierungsparteien SPD und Grünen beruhte. Kritische Stimmen gegenüber der herrschenden Klasse kamen seltener zu Wort, die Themenauswahl war eingeschränkt. Die Autoren stellten fest, dass „durchaus an der ein oder anderen Stelle Raum für eine Stärkung konservativer und marktliberaler Positionen wäre“. Doch reicht dieser Befund für Erfordernis, eine strukturelle Tendenziösität und gravierende Mangelhaftigkeit nachzuweisen?
Viele Zuschauer dürften bei der Argumentation der Verwaltungsrichter nicht mitgehen…
Subjektiv kam es in der jüngeren Vergangenheit immer wieder zu Skandalen, erinnere man sich beispielsweise an umstrittene und teilweise falsche Behauptungen durch Dunja Hayali oder Elmar Theveßen. Auch Magazinen wie „Monitor“, den Formaten von Jan Böhmermann oder der Talkrunde „hart aber fair“ wird einigermaßen substanziell qualitative Unanrüchigkeit abgesprochen. Nicht nur die Auswahl von Interviewgästen scheint ideologisch linkslastig zu sein. Auch die Kommentierung kommt oftmals wie schlichte Propaganda daher. Dieser Eindruck scheint sich auch bei der Allgemeinheit verstärkt zu haben: Hatten 2022 noch 70 % der Westdeutschen Vertrauen in die politische Berichterstattung des ÖRR, sank dieser Wert auf 53 % im Jahr 2023. Unter den 18- bis 29-Jährigen hielten 2024 sogar nur noch 33 % das „Erste“ und „Zweite“ für eine verlässliche Quelle, als integer sahen ihn lediglich 34 % der Gesamtbefragten. Und selbst von „Aussteigern“ gibt es harsche Gegenrede. So formulierte der ehemalige „Tagesschau“-Planer Alexander Teske, dass man in den benannten Medienhäusern durch fehlende Distanz und zahlreiche Verflechtungen zur Politik „Glaubwürdigkeit gefährde“ und sich sein „eigenes Grab schaufele“.
Der ZDF-Journalist Andreas Halbach berichtet von Zensur, Einschüchterung und „Strafen bei kritischer Berichterstattung“, Skandale wie die RBB-Affäre würden vertuscht. Aufhorchen ließ auch die ehemalige „3sat“-Mitarbeiterin Katrin Seibold mit der Feststellung: „Am wirksamsten scheint es mir zu sein, wenn diese Leitwölfe dann Journalistenpreise gewinnen. […] Wenn du zum Beispiel einen Beitrag ‚gegen rechte Tendenzen‘ oder ‚gegen Rassismus‘ machst, dann steigst du im Ansehen“. Sie monierte, dass man für Mainstream „belohnt“ werde, die Führungsebene „Vielfalt blockiere“ und Ideologie über Tatsachen gestellt würde. Ähnlich auch Peter Welchering, ebenfalls früher am Lerchenberg tätig, der sagt: „Mobbing und Angst sind im ÖRR an der Tagesordnung. […] Heute sage ich: Macht den Laden dicht und fangt neu an“. Und der ehemalige Fernsehproduzent Friedrich Küppersbusch geht noch einen Schritt weiter: Der „transparente Journalismus“ habe „im System ÖRR noch nie existiert“. Wie schade, dass solche Stimmen offenbar bei Justitia ungehört blieben. Denn wahrscheinlich wäre der aktuelle Schiedsspruch sodann eindeutiger ausgefallen.