Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Vormarsch der Rechtsextremen: Was tue ich, wenn die AfD an die Macht kommt?“ (aus: „Tagesspiegel“ vom 17.09.2025)
Der Aufbau ist beendet, nun geht es an die Solidität. Nach dem deutlichen Wahlergebnis bei den kommunalen Abstimmungen in Nordrhein-Westfalen ist die AfD endgültig auch im Westen der Republik angekommen. Auf Bundesebene zeigen die neuesten Umfragen einen unangefochtenen Wert von 27 Prozent. Trotzdem sind diese Ergebnisse kein Selbstläufer, auf den man sich dauerhaft wird verlassen können. Selbst wenn die derzeitige Koalition unter Friedrich Merz in Berlin absehbar keine durchgreifende Migrationswende schafft, weil sich die Zahlen über einen vermeintlichen Rückgang der Asylanträge schon allein deshalb wie die Katze in den Schwanz beißen, bleibt die Fluchtbewegung jenseits von Art. 16a weiterhin auf einem überproportional hohen Niveau, können Alice Weidel und Tino Chrupalla die Hände keinesfalls in den Schoß legen. Denn nach deutlich mehr als zehn Jahren seit der Gründung darf man von einer zur Volkspartei drängenden Kraft erwarten, dass sie sich breiter aufstellt als mit einem monothematischen Schwerpunkt auf das Thema der illegalen Einwanderung.
Nach getaner Arbeit auf Landesebene, braucht es nun den verstärkten Fokus auf die Basis!
Es braucht vor allem Strukturen vor Ort, eine Präsenz der Alternative für Deutschland in der Peripherie. Glücklicherweise gedeiht dieses Ankommen bei der Bevölkerung an verschiedenen Stellen herausragend. Vom Südwesten bis in den Nordosten engagieren sich Menschen, die keine Angst mehr davor haben, sich zu „Blau“ zu bekennen. Zwar macht es einen Unterschied, ob man sich für ein bestimmtes Amt oder ein Mandat aufstellen lässt – oder lediglich ehrenamtlich an einem Zusammentreffen teilnimmt. Dennoch sinkt die Hemmschwelle, nicht länger mit einer ideologischen Überzeugung hinter dem Berg zu halten. Immerhin hängt die Sympathie mittlerweile immer seltener vom alleinigen Protest ab, sondern basiert auf dem fundierten Vertrauen, dass sich die unliebsame Opposition auch programmatisch zu immer mehr Schieflagen und Problemen der Gegenwart explizit äußert. Wenngleich der Tabubruch Merkels die Mutter vieler Missstände von heute ist, wäre es zu kurz gegriffen, in blankem Populismus und ohne individuelle Lösungsvorschläge mit dem Finger auf sie zu zeigen.
Es gibt zahlreiche Vorzeigeprojekte, die die Kontextualisierung der AfD deutlich machen…
Dass man dies aber gerade nicht tut, sondern sich auch inhaltlich austauscht, machen zahlreiche Beispiele aus der Praxis illustrierend und anschaulich deutlich. Eine erfolgreiche Premiere feierte unter anderem der Stammtisch des AfD-Konzilstadtverbandes in Konstanz, der sich nach der Sommerpause einfand, um „in einem aufschlussreichen und schonungslosen Vortrag“ des Landtagsabgeordneten Christian Köhler aus Stuttgart rhetorisch geschliffene Worte über „die ideologischen Wurzeln des linken Zeitgeistes und den prägenden Einfluss der Frankfurter Schule, des Kulturmarxismus sowie der Kritischen Theorie“ zu hören. In der Pressemitteilung hieß es weiter: „Nur wer diese Grundlagen unserer politischen Gegner versteht, kann ihren zersetzenden Einfluss auf unsere Gesellschaft wirksam bekämpfen. […] Wir müssen für unsere Werte und unsere Nation einstehen“. Es geht also auch um den Sinngehalt von perspektivischen Zielen, um das Begreifen des Denkens der Anderen. Schließlich wird man im Fundament nur wachsen können, rekrutiert man aus fremden Lagern.
Von plakativen Kacheln auf X zum inhaltlichen Streitgespräch in der Realität…
Diese Einsicht scheint zu reifen, hatte man berechtigt den Vorwurf erhoben, der Forderungskatalog der Partei würde sich auf Abschiebungen und Rückführungen beschränken. Doch es braucht Antworten auf Wohnraummangel und Wirtschaftsflaute, Bildungsmisere und Haushaltslöcher, Rentendefizit und Krankenkassenschulden. Natürlich kommt man in der Erörterung dieser Crux nicht umhin, immer wieder zu betonen, wie folgenreich ein „Wir schaffen das“ auf nahezu sämtliche Bereiche der legislativen Bühne ist. Doch mit dem Benennen dieser Tatsache scheint es weder getan, noch genügt das Plakatieren. Es wäre zu wünschen, dass die Alternative für Deutschland endlich in Verantwortung kommt, um zu beweisen, dass sie abseits von schlichten Memes in den sozialen Medien punkten kann, um als Teil einer Regierung wirklich etwas zu verändern. Vielleicht gelingt dieser Schritt im kommenden Jahr in Sachsen-Anhalt, wo die Zeichen auf einen Ministerpräsidenten Ulrich Siegmund allzu positiv stehen, ist die absolute Mandatsmehrheit zur Erleichterung vieler Bürger nicht mehr weit.







