Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Bundespräsident Steinmeier: ‚Nie waren Demokratie und Freiheit so angegriffen'“ (aus: „Tagesschau“ vom 09.11.2025)
„Die Funktion des Bundespräsidenten ist repräsentativ, integrativ und reservatrechtlich“, so hatte es einst schon das Verfassungsgericht in Karlsruhe definiert, um auch Frank-Walter Steinmeier ins Stammbuch zu schreiben, welche Aufgaben er wahrzunehmen hat. Das klar umrissene Ziel sollen also die Versöhnung, der Brückenbau und die Diplomatie im eigenen Volk sein. Doch der 69-Jährige scheint mit dieser Bestimmung nicht zum ersten Mal Probleme zu haben. In der jüngsten Rede zur Matinee im Schloss Bellevue am 9. November 2025 äußerte er sich zum historisch bedeutsamen Datum der Reichspogromnacht und des Mauerfalls, warnte mit dem eindringlichen Wortlaut „Nie in der Geschichte unseres wiedervereinten Landes waren Demokratie und Freiheit so angegriffen“ insbesondere vor Rechtsextremismus, Antisemitismus und Hass im Netz. Dass er hierbei die AfD nicht explizit ansprach, gehört offenbar zu seiner Taktik. Schon in der Vergangenheit wandte er die Metaphorik des „Rattenfängers“ an, um die Partei andeutungsweise zu diskreditieren. Er machte einfache Parolen aus, mit denen Menschen verführt werden. Seine Anspielung an gefährliche Demagogen war unübersehbar.
Ein Staatsmann ohne rhetorische Manieren: Kontroversen reihen sich an Fettnäpfchen…
Auch wenn seine eigene Mitgliedschaft zur SPD ruht, so war selten die fehlende Neutralität des Staatsoberhauptes derart offenkundig wie beim momentanen Amtsinhaber. Bereits die Erwähnung der wegen Mordes verurteilten Gudrun Ensslin in einem Glückwunschschreiben an die Regisseurin Margarethe von Trotta als „große Frau der Weltgeschichte“ ist in die Geschichtsbücher eingegangen. Auch die Termini von „Kaliberexperten“, „Verschwörungstheorien“, der „Überwachungsgesellschaft“ oder eines „Tiefpunkts der politischen Auseinandersetzung“ finden sich in einer langen Liste der einseitigen Fettnäpfchen, mit denen er rhetorische Unzulänglichkeit bewies. Auch seine damalige Rolle als Kanzleramtschef brachte ihm zahlreiche Vorwürfe ein, unter anderem habe er ein US-Angebot, den deutschen Staatsbürger Murat Kurnaz aus Guantanamo freizulassen, trotz des vermeintlichen Wissens um seine Unschuld abgelehnt. Eine mögliche Komplizenschaft bei der Auslieferung des Hamburger Islamisten Zammar steht im Raum. Als Außenminister war er Geschenkeempfänger des libanesischen Rüstungslobbyisten Ahmad El Husseini, der von Fregattendeals profitierte.
Niemand braucht einen Bundespräsidenten, der die wirklichen Probleme umschifft…
Ist er also weiterhin geeignet für die derzeitige Position? Wo sind seine Mahnungen und Erinnerungen an die Opfer von islamistischem Terrorismus in der Bundesrepublik? Wo bleibt das Eingeständnis, dass Kultur, Identität, Sicherheit und Ordnung für Vielfalt und Toleranz geopfert wurden? Wo ist die Verdeutlichung, dass Judenhass im 21. Jahrhundert vor allem eine radikal muslimische Wurzel hat? Wo benennt er, wie eklatant die Grenzöffnung von 2015 die Solidarität von heute erodiert? Stattdessen wirft er Nebelkerzen, stimmt in den Chor der Brandmauer ein, schlägt in die Kerbe der Polarisierung zwischen den „Guten“ und den „Bösen“, zwischen den Mächtigen und den Oppositionellen, zwischen den Wählern links und rechts der Mitte, zwischen Befürwortern und Gegnern der Stadtbild-These von Merz. Völlig am Thema vorbei, erkennt er nicht etwa die Rückkehr des Denunziantentums, Meldestellen als Wegbereiter für eine Stasi 2.0. Viel eher sollen jene für die vergiftete Atmosphäre schuldig sein, die ihr Recht auf unbehelligte Meinungsäußerung wahrnehmen und an der Urne souverän abstimmen. Nein, für mich spricht dieser Mann nicht. Er ist ein ideologischer Spaltpilz.







