Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Sebastian Ostritsch: Ein frischer Versuch, die Existenz Gottes zu beweisen“ (aus: FAZ vom 05.12.2025)
„Gott ist out!“, so sagte es mir ein Freund am Ende der Schulzeit, als ich mit dem Gedanken spielte, Pfarrer zu werden. Dass sich diese Berufung nicht erfüllte, hing keinesfalls mit einem nachlassenden Bekenntnis zusammen, sondern an einer Überwerfung mit der Kirche, gleichsam mit dem Ausblick auf ein langes Studium, welches ich wohl – alleine aus Krankheitsgründen – kaum hätte bewältigen können. Ich bin bis heute leidenschaftlich mit der Auseinandersetzung beschäftigt, wie es sich nun eigentlich verhält mit dem großen Ganzen. Zugegeben, auch bei mir gab es Sinnkrisen. Insbesondere aufgrund meiner Schicksalsschläge stand die Theodizée-Frage, also das Ringen mit dem „Warum?“, immer wieder im Raum. Doch sie hat mich nie derart erschüttert, dass ich losgelassen hätte von der Überzeugung, wonach es einen Anfang und ein Ende geben muss. Wie wohltuend war es jüngst, als ich mich aufgrund der Schlagzeile über einen abgesagten Vortrag des Philosophen Sebastian Ostritsch mit seinen Werken befasste, fand ich endlich wieder jemanden, der sich nicht einschüchtern lässt von der wachsamen Moderne des Atheismus.
Boykottiert wegen seines Einsatzes für das Leben, zwei Geschlechter und den lieben Gott…
Der publizistische Kollege wurde neudeutsch „gecancelt“, hatten ihn Studenten angeschwärzt, weil er angeblich populistisch, fundamentalistisch und gar rechtsextremistisch unterwegs sei. Wie leicht solche Zuschreibungen momentan möglich sind, das kann jeder erfahren, der eine einigermaßen konservative Grundhaltung besitzt. Dass er sich bisweilen kritisch gegenüber Abtreibung, Regenbogenmentalität, Geschlechtervielfalt, Massenmigration und Globalismus zeigt, darüber hinaus die katholische Lehre vertritt, macht ihn zur Zielscheibe derjenigen, die neben ihrer linken, moralinsauren Anschauung keine anderslautenden Meinungen im eigenen Horizont dulden. Wer sich dagegen nicht beeindrucken lässt von solchen Ressentiments, stattdessen den Menschen und seinen Argumenten offen begegnet, der wird eine Wiederbelebung der Agenda von Thomas von Aquin in der Literatur des 1983 geborenen Privatdozenten finden. Und sie ist allemal berechtigt, hat sich nichts von dem überholt, was der hochaktuelle Theologe im 13. Jahrhundert mit seinen „fünf Wegen“ als Zugang zur Existenz des Schöpfers und Machers beschrieb.
Schon die Vernunft sagt: Wo etwas ein Ziel hat, muss es einen Anfang gegeben haben…
Überall dort, wo sich etwas bewegt – also auch in einem Universum mitsamt unseres Erdballs -, braucht es jemanden, der den Anstoß gegeben hat. Schon allein das ist eine ziemlich simple Regel der Physik. Wissenschaft und Religion spielen sich nicht gegenseitig aus, sondern die eine erklärt die andere. Jede Kausalitätskette muss an einen Ausgangspunkt gelangen, an eine einmalige Ursache. Das Reduzieren alles Nachfolgenden auf einen Knall scheitert auch in unserem Verstand an der mangelnden Vorstellung über das Nichts. Natürliche Prozesse, wie die Evolution, streben nach einem hehren Ziel, nach einer altruistischen Sinnhaftigkeit, die sich nur schwerlich mit einem Zufall begründen lässt. Ostritsch gelingt es in einer die empirischen Schlusstechniken bis ins Detail berücksichtigenden Perfektion, verständlich, nachvollziehbar wie mitreißend darzulegen, warum Immanuel Kant mit seiner Vernunftkritik an Grenzen stößt, denn die Notwendigkeit des Seins ist kein irdischer Selbstzweck. Unser schlichtes Bestehen verlangt nahezu gierig nach Vollkommenheit im Guten und Schönen, in einem typischen Wesen, das schafft und lenkt.
Die Physik ist nicht des Glaubens Feind, sondern ein Säkularismus der Beliebigkeit…
Was oftmals als dogmatische Scholastik missverstanden wird, entpuppt sich in Wahrheit als brillante Rationalität. Man könnte auch sagen, Aristoteles wird noch einmal entdeckt, die christliche Offenbarung erneut geschrieben, wenn sich ein erfolgreicher Redakteur auf die Harmonisierung zwischen Wahrheit und Glaube einlässt. Mit dieser überzeugenden wie sorgfältigen Rekonstruktion von analytischer Tradition wie kosmologischer Quantologie wirkt der auch in den sozialen Medien aktive Heidenheimer nicht etwa pedantisch oder belehrend, sondern präzise, anschaulich und dezidiert in seinen Texten. Ohne unnötigen Jargon wird auch der Laie mitgerissen von einem Thema, das in einer aufgeklärten Epoche häufig als verstaubt gilt. Doch vielleicht ist es einfach die Sorge vor der Komplexität, welche uns die Konfrontation mit den tragenden Säulen von Individuum und Weltenraum umschiffen lässt, die ein ausgewiesener Experte nimmt, wenn er weder auf Tiefe verzichtet, es noch an Inspiration, Verlässlichkeit und Nähe mangeln lässt. Da bietet sich weit mehr als bloße Apologie, nämlich eine Versöhnung ganzer Denkrichtungen.







