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War früher doch nicht alles schlecht? Wie die junge Generation zwischen Neid und Argwohn gegenüber den „Boomern“ schwankt!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Krisen: Woher kommt der Optimismus der Boomer?“ (aus: „WirtschaftsWoche“ vom 08.05.2025)

Viele Lebensweisheiten gelten gerade für jüngere Generationen als Leierkasten, die man oftmals unter der Kategorie Besserwisserei in die Mottenkiste packt. Doch wagt man sich einmal an sie heran, um dort ein Sprichwort wieder herauszuholen, besteht Potenzial zur Erkenntnis. Denn auch wenn sie nicht zuletzt deshalb als längst in Vergessenheit geraten und überdauert schienen, weil man manche Floskeln den mittlerweile auch durch Carsten Linnemann in Verruf gebrachten Rentnern zuschrieb, hängt an ihnen häufig ein Fünkchen Wahrheit. Und das, obwohl „Boomer“ heutzutage als Problem und Ursache für fast alles herhalten müssen – unabhängig davon, dass sie doch eigentlich jene Leistungserbringer sind, die überhaupt erst das Fundament errichteten, auf dem nun auch ein hochnäsiger und an den Bürostuhl gewohnter CDU-Politiker seine dreisten Hetztiraden gegen die angeblich faule Seniorenschaft verbreiten darf.

So kann sich bei etwas mehr Ehrlichkeit nur noch derjenige am „Früher war alles besser“ aufreiben, der einen gepamperten Gockel im Paderborner Dom dem in Windeln gewickelten Jesuskind aus der Krippe vorzieht, Weihnachten mehr beleuchten will als den Ramadan, Messergewalt attraktiver findet als den unbehelligten Schwimmbadbesuch, den Geschlechtereintrag „Küchenmixer, divers“ gegenüber jenem des schlichten Mannes präferiert, Frieden eher mit Waffen statt ohne sie schaffen will, Einwanderung in die Sozialsysteme als Bereicherung für die deutsche Altersvorsorge sieht, Migration als Ausdruck kultureller Vielfalt denn als Einfallstor für Missbrauch unseres Asylrechts betrachtet und Grenzkontrollen eklig findet, weil Weltoffenheit und Nächstenliebe nun einmal unsere Bringschuld sind.

Wer sich nach Schwarz-Rot-Gold statt dem Regenbogen sehnt, gilt im Jahr 2025 als gesichert rechtsextremistisch. Anhänger einer konsequenten Rückweisung und Abschiebung von Personen ohne einen dauerhaften Aufenthaltsstatus sind wahlweise Nazis oder Faschisten. Und wer Friedrich Merz nicht mindestens genauso huldigt, verehrt und in den höchsten Tönen lobt wie Robert Habeck, kann damit rechnen, durch den Inlandsgeheimdienst als verfassungsfeindlich etikettiert zu werden. Aber nein, wir dürfen nicht zurückblicken in eine Zeit, in der schönes Wetter kein Klimawandel war, sondern einfach Sommer genannt wurde. Oder wehmütig sein angesichts von Dekaden, in denen sich Frauen nicht nur bei Risiken und Nebenwirkungen durch das generische Maskulinum ganz selbstverständlich mit angesprochen fühlten.

Radikalität und Konservativismus sind ihrem Wortursprung nach ein Bekenntnis zu Wurzeln, Ursprung und der Bewahrung von Erprobtem, Geübtem und Tradiertem. Doch seitdem wir in einer transhumanistischen Manier nicht nur davon überzeugt sind, der Schöpfung wegen einer vermeintlichen Erderhitzung mit Wärmepumpen in die Parade fahren zu müssen, sondern biologische Merkmale als untrügliches Zeichen für einen festgelegten Sexus in Abrede zu stellen befugt seien, zählt all das nicht mehr, was doch nicht zuletzt aus gutem Grund funktionierte, gab es nämlich ein Mindestmaß an Verständigung über den Grundkonsens einer Gesellschaft, an dem Orientierung und Verlässlichkeit möglich waren. Nun schippern wir auf dem Ozean der Vielfalt, ohne Sinn und Ziel. Aber Hauptsache, das Gestrige ist vergangen. Wegen Hitler und so.

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