Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Vier Entwürfe – Debatte um neues Logo der AfD-Jugend: ‚Das hat ein bisschen NS-Ästhetik'“ (aus: „Stern“ vom 25.07.2025)
Die AfD befindet sich momentan in einer sehr bequemlichen Situation. Ohne allzu viel Engagement zeigen zu müssen, legt sie in den Umfragen beharrlich zu. Affären und Skandale wie das von Linksradikalen gestörte Sommerinterview der ARD mit Alice Weidel, der mit einem durch den Landtagsvizepräsidenten der SPD mit einem Hakenkreuz versehene Stimmzettel im baden-württembergischen Parlament, der Entzug des Rederechts für die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner im Maximilianeum, die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde durch den rheinland-pfälzischen Landesverband der Alternative für Deutschland aufgrund einer Verletzung des Neutralitätsgebots durch die frühere Regierungschefin Malu Dreyer sind dabei nur einige Schlagzeilen der vergangenen Tage, die den Blauen in die Hände spielen. Doch ist es tatsächlich genug, sich im Sinne eines Selbstläufers darauf zu verlassen, dass die Konkurrenz Fehler begeht, um mit eigenen Inhalten. Positionierungen und Debatten zurückhaltend sein zu können? Blickt man hinein in die Untiefen der Opposition, so ist auch dort wahrlich nicht alles Gold, was glänzt. Andere Behauptungen sind Utopie, kommt man generell nicht um den Befund herum, dass es überall brodelt und rumort, wo sich Menschen für ein ideologisches Projekt zusammenfinden, das nur allzu sehr einlädt für Hahnenkämpfe um der Schalthebel an Einfluss willen. Trotzdem ist es auffällig, dass gerade diese Partei so gar nicht untereinander klarkommt.
Die internen Querelen überdauern Versuche, die AfD programmatisch zu einen!
Die Zerwürfnisse in Nordrein-Westfalen um den Abgeordneten Helferich und Vincentz‘ geschassten Pressesprecher Schnappertz, die Personalie Maximilian Krah und seine Vision vom Binnen-Ethnopluralismus, heftige Kontroversen um Ukraine-Befürworter und Russland-Verehrer, Polarisierung hinsichtlich des Umgangs mit Homosexuellen, die anhaltende Diskussion über das richtige Ausmaß von Remigration und Abschiebung oder Forderungen nach einer Mäßigung, „Normalisierung“ und Anpassung des Auftretens im Bundestag sind dabei stellvertretende Beispiele für das Attest eines ziemlich großen Chaos, mangelt es auch über ein Jahrzehnt seit der Gründung weiterhin an Professionalität, vor allem aber an Routine in der Kommunikation und Krisen-PR, was die durchgestochene Auseinandersetzung um eine mögliche Streichung der „deutschen Leitkultur“ aus der Programmatik exemplarisch zeigte. Da entbehren die Zuständigen ihre eigentlich klar umrissenen Befugnisse des Moderierens und Führens, lassen die Kompetenz bei Bedarf ungenutzt, kräftig auf den Tisch zu hauen und Richtlinien zu definieren, die eine – nach den Worten von Alexander Gauland als „gäriger Haufen“ zu bezeichnende – Truppe an die Netiquette erinnern, welche Verbindlichkeit besitzt. Man investiert viel in die Gehälter der beiden Co-Chefs, um gleichzeitig unbeholfen zu wirken, geht es nunmehr um die teilweise Empörung mit Blick auf den Entwurf eines Logos für die neue Nachwuchsorganisation „Junge Patrioten“.
Die Professionalisierung ist ausgeblieben, die kindlichen Streitigkeiten dominieren…
Wieder einmal scheint man sich hinter den Sprösslingen nicht verteidigend und klärend aufzustellen, sondern stimmt bisweilen sogar in jene Hysterie ein, die aus dem konservativen wie linken Spektrum gleichermaßen ertönt, weil der abgebildete Adler möglicherweise ästhetische Parallelen zu jenem aus Zeiten des Nationalsozialismus aufweist. Was für den unvoreingenommenen Betrachter wie schlichte Geschichtsrelativierung aussieht, gibt es zu dem verbotenen Wappentier nicht einmal im Ansatz Beweggründe, die ohne Not eine Assoziation mit damals rechtfertigen würden, ist für Granden ein weiterer Affront. Man sich untereinander das Leben schwer, beharrt nicht etwa auf Geschlossenheit, sondern scheint zwanghaft nach immer weiteren Bruchkanten zu suchen, die den Kahn vom ruhigen Fahrwasser fernhalten. Nicht wenige Wähler fragen sich angesichts dieser Umstände, ob man regierungsfähig wäre, würde irgendwann die Brandmauer fallen und das Votum der Bürger eine Mehrheit erlauben, die an die Macht bringt. Es geht weniger um die Frage, inwieweit man inhaltlich und substanziell aufgestellt ist, wenngleich auch in diesem Punkt erheblicher Nachholbedarf besteht. Sondern es ist die charakterliche Eignung vieler Funktionäre, die einem Hauen und Stechen frönen, statt sich auf das große Ganze zu fokussieren, was nur gelingen kann, zeigt man ein Mindestmaß an Einigkeit, Loyalität und Gemeinsinn, um Befindlichkeiten und Egozentrismus hintanzustellen.