Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel TV-Debatte zur Bundestagswahl: Merz warnt vor der AfD und Wladimir Putin („Die Zeit“ vom 13.02.2025)
Das Format war gedacht, um die Spitzenkandidaten der Parteien bei der antretenden Abstimmung vom 23. Februar durch den Bürger direkt befragen zu lassen. Und so trafen Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck und Alice Weidel in der ZDF-Sendung „Klartext“ zwar aufeinander, konnten sich allerdings einzeln mit unmittelbaren Antworten an den Souverän zu Wort melden. Durch dieses direkte Begegnen mit den Sorgen und Nöten der Gesellschaft kam deutlich mehr Dynamik und Ehrlichkeit in die Debatte, als man es beispielsweise beim Duell zwischen den Kanzleranwärtern von SPD und CDU zuletzt gewohnt war. Inhaltlich gab es zwar keine allzu großen Überraschungen. Doch gleich mehrere fundamentale Irrungen dieser Tage wurden aufgeklärt. So wissen nun auch diejenigen unter uns, welche bislang noch davon ausgingen, dass die Grenzverläufe in der politischen Landschaft an der richtigen Stelle gesetzt sind: Die Gefahr für die Demokratie geht von links aus, die Brandmauer muss notwendigerweise verrückt werden! Gerade, wenn man die Einlassungen des sich lobhudelartig wiederholenden und streckenweise lamentierenden Sauerländers der Union auf der einen Seite, der rhetorisch eloquenten und fachlich versierten Frontfrau der AfD auf der anderen Seite authentisch und wahrhaftig ernstnahm und verglich, blieben keine Zweifel, dass Allianzen möglich und machbar wären.
Immerhin konnte man über weite Teile zum Befund gelangen, dass sich Schwarz und Blau ideologisch und weltanschaulich bei vielen Themen eben doch erheblich näher sind, als dies der gemäßigt Konservative eingestehen würde. Ob nun in der Frage der ungezügelten Migration oder der kopflosen Transformation ähnelten sich die programmatischen Aussagen bisweilen so sehr, dass man nur in Nuancen Unterschiede erkennen konnte. Abgeschlagen standen dagegen Genossen und Grüne vor den Bildschirmen, die ihre Vertreter zwar anfeuerten, aber letztlich doch mit dem tragischen Umstand brüskiert wurden, dass sie die Probleme des kleinen Mannes nicht erfasst haben. Ihre Teilnahmslosigkeit unterstrich sich durch Phrasieren und Rezipieren ihrer ständigen Ladenhüter eindrücklich. So philosophierte der Wirtschaftsminister in bekannter Manier um jede Eindeutigkeit herum. Der frühere Hamburger Bürgermeister attestierte dem eigenen Ich einmal mehr, wieviel er doch mit seiner Führung erreiche – und dass sich die Bevölkerung ledig unterhaken müsse, um jene Zeitenwende zu vollziehen, die seit Jahren angekündigt wurde. Man konnte sich die Floskeln und Plattitüden kaum noch mit anhören. Und so machte sich die Bedeutungslosigkeit manch anwesender Charaktere auch im markanten Widerspruch des diesmal einigermaßen kritisch besetzten Publikums klar.
Auch wenn das penetrante Distanzieren innerhalb des Mitte-Rechts-Lagers mit voller Vehemenz weiterging, bestätigte sich abermals, dass es auf Dauer schwierig werden wird, dem artikulierten Wunsch der Mehrheit eine Absage zu erteilen, wonach es für eine Bewältigung all der Missstände in unserer Republik eines Bündnisses der stärksten Kräfte bedarf. Und da möchten immer weniger Souveräne falsche Rücksicht auf wachsame und warnende Zeigefinger nehmen. Die Brücke für eine Koalition aus den offiziell Verfeindeten wäre nämlich sachlich und inhaltlich schnell zu schlagen. Im Wege steht ihr jedoch die Moralkeule von Seiten der Guten und Korrekten, die Prinzipien über Pragmatismus stellen. Und somit jegliche fundamentale Veränderung zu untergraben bereit sind, welche an den Grundzügen von Vielfalt, Toleranz und Respekt gegenüber dem Fremden hier, den Idealen wie Utopien von Wokeness, Klimarettung oder Neosozialismus dort rütteln könnten. Nicht nur für den taktischen Wähler steht fest: Mit einem Votum abseits der Alternative für Deutschland bleibt das Risiko für ein „Weiter so“ enorm. Schließlich mangelt es weiterhin am Mut der Konkurrenten. Wer die Umfaller aus dem Konrad-Adenauer-Haus aus ihrem Schlafwagen befreien und zur Vernunft zwingen will, muss sein Kreuz beim Original machen. Das mag Überwindung kosten, doch es könnte Leben retten.