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Eine selbstbewusste Erkenntnis beim „Team Freiheit“: Es gibt keinen Grund, die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD zu scheuen!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Thomas Kemmerich über die Freiheit, die Brandmauer und die Kettensäge“ (aus: „Apollo News“ vom 26.10.2025)

Braucht man das noch – oder kann es weg? Beantwortet man diese Frage mit Blick auf die Brandmauer in Deutschland, so sollte die Entscheidung für jeden verstandsmäßigen Beobachter eindeutig ausfallen. Denn in einer Demokratie wirkt es wie ein Fremdkörper, wenn gegen den grundgesetzlich verbrieften Anspruch auf Chancengleichheit der Parteien mit einem Bollwerk agiert wird, das nicht nur auf politischer Ebene, sondern vor allem gesellschaftlich spaltet. Solange ein Wettbewerber nicht verboten ist, stehen ihm alle Rechte auf Partizipation zu. Sich gegen diese Selbstverständlichkeit zu wehren, indem man weit mehr als nur rote Linien zieht, ist ein Ausdruck von Verachtung des Willens von mittlerweile mehr als einem Viertel der Wähler. Insofern war es richtig und notwendig, dass sich nunmehr auch Thomas Kemmerich als Frontmann von „Team Freiheit“ unmissverständlich zum Thema einließ. In einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ vom 26. Oktober 2025 wandte er sich ausdrücklich gegen die Ausgrenzung der Alternative für Deutschland, betonte aber gleichzeitig auch, dass es keine Zusammenarbeit mit ihr geben werde.

Zunächst ambivalent, doch jetzt scheint der Kurs gefunden worden zu sein…

Man mag diese Haltung als inkonsistent wahrnehmen, ist auch die Initiatorin des Projekts, Frauke Petry, in ihren früheren und heutigen Aussagen recht ambivalent. Einst noch Mitglied bei der AfD, bedauerte sie im Nachhinein, dass der Inlandsgeheimdienst zu spät mit deren Überwachung begonnen habe. Sie sprach von einer „Radikalisierung“ und „lupenreine Nationalsozialisten“, bezog sich hierbei explizit auf Björn Höcke. Zwar sieht sie die Isolation als „politisch dämlich“ an, weil die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung dem Gegner „Punkte schenke“. Gleichzeitig war sie im Zeitraum von 2017 bis 2019 mit ihrer kurzlebigen „Blauen Partei“ ausdrücklich auf Konfrontation eingestellt. Heute gibt sie sich dialogischer, wenn sie davon spricht, dass jeder ihr Verbündeter sei, der „mit uns für mehr Freiheit stimmt“. Man wolle sich als ein inklusives Vorhaben verstehen, im Endeffekt auch aufzeigen, dass viele Forderungen des Widersachers – wie etwa die breitflächige Remigration – letztlich unrealistisch seien. Sie bemängelt unter anderem Standpunkte wie jene zum Mindestlohn, welche sie nicht zuletzt zum Austritt bewogen hätten.

Petry und Kemmerich haben kluge und weise entschieden, die Brandmauer zu umgehen…

Es scheint, man habe etwas verstanden, wenn man sich – im Gegensatz zum etablierten System – auf die thematische und argumentative Debatte einlässt, statt weltanschaulich verkopft jedweden Kontakt zu meiden. Man wird in unserer Herrschaftsform nur dann Vertrauen und Glaubwürdigkeit gewinnen, überzeugt man mit besseren Lösungen und Konzepten für die Zukunft. Begriffen zu haben, dass Scheuen und Schmähen keine adäquaten Umgangsformen im Erwachsenenalter sind, dürfte in Sachen Rationalität und Kognition einen deutlichen Vorsprung gegenüber der Union bringen. Denn es gibt keinen Grund, sich dem Schlagabtausch zu entziehen, hat man doch eine Programmatik aufgestellt, die es durchaus mit der der AfD aufnehmen kann. Denn die Alleinstellungsmerkmale vom „Team Freiheit“ können sich zweifelsohne sehen lassen. Statt einem starken Staat in Sachen Sicherheit und Ordnung will man eine Verschlankung des Apparats erreichen. Sozialpatriotismus stellt man Individualismus entgegen. Nicht das Kabinett am Regierungstisch soll das Einkommen der Menschen bestimmen, sondern der Wettbewerb die Bezahlung des Einzelnen regeln.

Die Programmatik zwischen „Team Freiheit“ und „AfD“ markiert wichtige Nuancen…

Die Rente will man privatisieren, nicht länger auf das Umlageverfahren setzen. Die Schuldenbremse soll strikt eingehalten werden, eine Lockerung auch für Infrastruktur ausgeschlossen sein. Zwar möchte man illegale Einwanderer rückführen, sieht jedoch von einer massenhaften Abschiebung ab. Nicht das dänische Modell soll leiten, sondern das kanadische. Grenzkontrollen stehen im Zentrum. Wer integriert und leistungsfähig ist, darf bleiben. Wer sich bei uns eine Existenz aufgebaut hat, gehöre dazu. Mit Blick auf die Europäische Union will man reformieren und die EZB entmachten, von einer Entscheidung über einen möglichen „Dexit“ möchte man aber nichts wissen. Man stellt Technologieoffenheit in den Vordergrund, Subventionen sollen gestrichen werden. Der Schwerpunkt liegt auf mehr Innovation, statt allein die Klimaideologie zu bekämpfen und die CO2-Steuer abzuschaffen. Plebiszite sieht man kritisch, will den Charakter der Verfassung erhalten, Bürgerräte stärker etablieren. Und so stehen sich am Ende ein libertär-bürgerlicher und ein völkisch-konservativer Ansatz zur Wahl gegenüber.