Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Ukraine-Krieg: US-Friedensplan laut Trump wohl doch nicht das letzte Angebot“ (aus: WELT vom 22.11.2025)
Gibt es Hoffnung auf einen baldigen Waffenstillstand in der Ukraine? Der 28-Punkte-Plan der Trump-Administration zielt auf eine schnelle Beendigung des Krieges, indem er das ureigene Instrument der Diplomatie, nämlich den Kompromiss, in den Vordergrund eines zum schlichten Abnutzungskonflikt gewordenen Schlagabtauschs rückt, der immer neue Opfer fordert, aber bei etwas Rationalität militärisch längst entschieden scheint. Inhalte sind neben territorialen Zugeständnissen wie der Anerkennung von Krim, Donezk und Luhansk als de facto russisches Gebiet auch eine Reduzierung von Kiews Armee auf 200.000 Soldaten, ein Verbot neuer Aufrüstung, Pufferzonen entlang möglicher Demarkationslinien und das Versprechen für Neutralität, ein Ausbleiben der NATO-Mitgliedschaft über mindestens 20 Jahre sowie Vetorechte Moskaus bei künftigen Sicherheitsabkommen. Gleichzeitig sollen Gefangene ausgetauscht, der Handel über die Schwarzmeerhäfen zugelassen, Hilfen für den Wiederaufbau genehmigt und Wahlen unter Aufsicht von UN und USA innerhalb von sechs Monaten ermöglicht werden. Ein Paket der Zumutungen, so könnte man bei dieser Klarheit denken.
Europa scheint Idealismus zu favorisieren, Grenzlinien höher zu stellen als Menschenleben…
Wenig überraschend ist deshalb auch, dass sich Europa querstellt. Die Prämissen werden als von Putin diktiert abgetan, weder Merz noch Starmer oder Macron können sich für die Initiative erwärmen. Gleichzeitig setzt der amerikanische Präsident ein Ultimatum. Bis in die kommende Woche hinein solle eine Zustimmung erfolgen, andernfalls könnte sich Washington gänzlich aus der Unterstützung und Vermittlung zurückziehen. Entsprechend artikuliert Selenskyj völlig zu Recht eine Schicksalsentscheidung, ob man den strategisch wichtigsten Partner verliert – oder sich auf die massive Preisgabe von Freiheit und Integrität einlässt. Man werde die eigene Würde nicht veräußern, aber ruhig und besonnen über eine Lösung verhandeln. In den Äußerungen schwingt mit, dass er selbst innenpolitisch massiv unter Druck steht. Wirtschaftlich steht ein enorm harter Winter bevor, Korruption durchzieht seine Regierung, Widersacher gibt es nahezu aus allen Reihen. Ein gewisser Pragmatismus wird ihm also aufgezwungen, gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die eigene Bevölkerung die Einigung als Kapitulation wertet, das Vertrauen in seine Führungsstärke gänzlich schwindet.
Man sollte auf die ukrainische Bevölkerung hören, die eine klare Meinung zum Krieg hat…
Dabei sehen die Umfragen eine deutliche Müdigkeit unter den Bürgern, weiter kämpfen zu wollen. 69 Prozent wollen ein sofortiges Ende der Schlacht, nur 24 Prozent plädieren für ein Durchhalten bis zum Schluss. Trotzdem sehen Experten ein Potenzial von lediglich 20 bis 40 Prozent, dass es zu einer raschen Übereinkunft kommt. Denn Gesichtswahrung scheint immer noch ein wesentliches Ziel, es müsste „gerecht“ zugehen. Doch tritt man hinter Idealismus und Utopie zurück, dass die ukrainische Seite irgendeine Chance auf den Sieg hat, kommt man zu der ernüchternden wie pragmatischen Erkenntnis, dass Menschenleben im Zweifel wichtiger sein sollten als Grenzverläufe. Bismarck lehrte den Tenor, dass die großen Fragen der Zeit nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse entschieden werden, sondern durch Eisen und Blut – aber nur so viel Eisen und Blut, wie unbedingt nötig sei. Sind die Beteiligten also nicht an einem Punkt angelangt, bittere Pillen zu schlucken, weil die Situation festgefahren ist, wenn man sich noch so sehr auf die Hinterbeine stellen kann, dass der Kreml einen Rückzieher machen müsse? Frieden ist kein Wunschkonzert, sondern das Ende von Realitätsverlust.







