Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Journalist warnt: ‚Wenn die AfD das macht, wird sie viele Wähler an das BSW verlieren'“ (aus: „Freilich Magazin“ vom 25.09.2025)
Kommt es unter dem Druck der zeitgeistigen Solidarität mit der Ukraine zu einem Umdenken in der AfD? Lange wurde gegen die Partei der Vorwurf erhoben, sie stelle sich ausschließlich auf die Seite von Moskau, wenn es um den mittlerweile seit Jahren fortwährenden Krieg geht. Sogar eine Nähe zum Kreml galt als legitime Unterstellung in Richtung derjenigen, die doch eigentlich nur Weitsicht und Pragmatismus walten ließen, als sie beispielsweise äußerten: „Wir fordern Diplomatie und Ausgleich mit allen, auch mit Russland“. Obwohl es für die Luftraumverletzungen in zahlreichen Metropolen Europas bisher keine tragfähigen und belastbaren Nachweise dafür gibt, dass die unbekannten Flugobjekte von der Wolga aus gesteuert wurden, gab Alice Weidel jüngst wie überraschend zu bedenken, dass Putin zur „Deeskalation beitragen“ müsse, er solle sich „bewegen“.
Der Versuch, alle einzubinden, kann auch zu einer innerparteilichen Zerreißprobe werden…
Mit einem solchen Schwenk geht die 46-Jährige ein Stück weit auf Distanz zu ihrem Co-Chef Tino Chrupalla, welcher insbesondere im Osten Wähler überzeugt, wenn er in den Tenor einstimmt: „Wir brauchen Diplomaten statt Scharfmacher, damit wir wieder gute Beziehungen zu Russland haben. Unsere Länder verbindet mehr, als sie trennt!“. Besteht also die Gefahr, dass im Vorfeld der Landtagswahlen von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zu viel Verständnis für Selenskyj Stammklientel in Richtung des BSW abwandern lässt? Immerhin würde Sahra Wagenknecht als einziger Fels in der Brandung gelten, der sich mit Vehemenz nicht prowestlich oder als Teil der NATO zeigt, sondern ohne Relativierung daran festhält, dass Russland ein unverzichtbarer Partner für Europas Sicherheit sei – und es ohne Dialog mit Moskau keinen Frieden gäbe.
Die Gefahr besteht, bei den Drohnen auf den gleichen Leim zu gehen wie bei „Nord Stream“!
Es ist ein schwieriger Balanceakt, in dieser heiklen und polarisierenden Frage zu einer angemessenen Position zu gelangen, die von nicht allzu viel Parteinahme geprägt ist. Eigentlich war man bei der Alternative für Deutschland auf einem sinnvollen Weg, hatte man sich noch im Mai 2025 dafür ausgesprochen: „Keine weitere Eskalation – sondern eine Rückkehr zu Diplomatie und Realismus. Wir stehen für eine Außenpolitik der Vernunft: friedensstiftend, souverän, im Interesse Deutschlands“. Sind es möglicherweise Fehlzündungen wie jene bei den kommunalen Abstimmungen in Nordrhein-Westfalen, die in Zugzwang bringen, nun auch in Schichten zu fischen, die sich – wie der umstrittene Wuppertaler Freiwillige an der Front, Tim Schramm – im Zweifel mit Leib und Leben für unsere „Freiheit“ und „Sicherheit“ im Donbass zu opfern bereit wären?
Der Reiz scheint groß, für das Erschließen neuer Wählerschichten die Seiten zu wechseln!
Begeht man nicht einen strategischen Fehler, wenn man sich aus Sorge vor fehlender Mobilisierung von Unterstützern an Ruhr und Weser nunmehr auf das Terrain von Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder Roderich Kiesewetter vorwagt, die in einem voreiligen Schulterschluss mit Kiew davon ausgingen, dass „Nord Stream 2“ von Sibirien oder dem Ural aus sabotiert wurde, bis sie die Festnahme von ukrainischen Tatverdächtigen eines Besseren belehrte? Es ist ein gefährliches Manöver, Kehrtwenden zu vollziehen, weil man sich in der festen Meinung wähnt, zwischen München und Kiel, von Saarbrücken bis Hannover, lasse sich nur dann ein Blumentopf beim Souverän gewinnen, wenn man in den blau-gelben Chor der unbedingten Loyalität mit dem nicht gänzlich unschuldigen Regime eines früheren Komikers einstimmt, der vom Maidan profitierte, später wohl aber korrumpierte.