Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Seine Wahl galt als ‚Tabubruch‘: Thüringens FDP-Chef Kemmerich tritt aus Partei aus“ (aus: „FOCUS“ vom 12.09.2025)
„Der Markt ist keine Erfindung des Kapitalismus. Er existiert seit Jahrhunderten. Er ist eine Erfindung der Zivilisation“, sagte Ludwig von Mises, einer der bekanntesten Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie. Und sicherlich ist er damit ein Vorbild für jene, die sich in diesen Tagen eine Rückbesinnung auf die Wurzeln jenes wirtschaftsfreundlichen Denkens wünschen, das einst sogar die FDP vertrat. In ihren Karlsruher Thesen von 2012 formulierte sie nahezu philosophisch: „Jeder Mensch soll faire Chancen haben, sich gemäß der eigenen Talente und Ideen zu entfalten, von eigener Arbeit zu leben und nach eigener Façon glücklich zu werden“. Doch was ist geblieben von einer Mentalität des Walter Scheels, eines Theodor Heuss, von Hans-Dietrich Genscher, Hildegard Hamm-Brücker, Thomas Dehler oder Guido Westerwelle?
Ein neuer Zufluchtsort für vergessene Ideale der großen Liberalen aus früherer Zeiten?
Augenscheinlich wenig, glaubt man den aktuellen Umfragen. Das frühere Aushängeschild taumelt unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde, macht keinerlei Anstalten, in den nächsten Bundestag wieder einziehen zu wollen. Zwar tönte aktuell der Vorsitzende Christian Dürr großspurig, man möchte zur „radikalen Mitte“ werden. Doch ob dies im Zweigespann mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann gelingen wird, stellte offenbar nicht nur Kurzzeit-Ministerpräsident Kemmerich in Frage. Mit Ablauf von Jahrzehnten der Zugehörigkeit trat er jüngst aus, hatten es vor ihm weitere Prominente gleichgetan. Sie sehnen sich nach einem frischen Wind, nach einem Libertarismus à la Javier Milei. Und sie könnten Heimat finden bei einer Bewegung, die schon alsbald ganz offiziell unter dem Namen „Team Freiheit“ auf das politische Tableau in Berlin vordringen könnte.
Angestoßen von der einstigen Abgeordneten der AfD, Frauke Petry, findet sich momentan ein Sammelbecken von enttäuschten Antiautoritären, die nicht nur bei den bevorstehenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg unter anderem mit den Kernforderungen nach Senkung der Staatsquote auf 25 Prozent, Abbau von Bürokratie sowie weniger Ideologie und Kollektivismus antreten wollen. Die Macher setzen dabei auf ein gänzlich anderes Konzept als das etablierte Kartell, verkündete die 50-Jährige doch erwartungsvoll: „Mit der Besonderheit, dass wir parteilose Bürger und Unternehmer mit Lebens- und Berufserfahrung als Kandidaten gewinnen wollen. Sie sollen dafür nicht Mitglieder der Partei werden“. Zeichnet sich dort also tatsächlich eine Alternative ab, nicht nur zu den Freien Demokraten, sondern vielleicht auch zu den Überfliegern unter den Blauen?
Anders als die FDP, versucht man sich nicht monothematisch auf Wirtschaft zu fokussieren…
Schließlich umfasst die Programmatik deutlich mehr als ökonomische Aspekte. Es geht ebenfalls um Stärkung der unbehelligten Meinungsäußerung, Kritik an Zensur durch den Digital Services Act der Europäischen Kommission oder die Erneuerung der „kulturellen Westbindung“. Dass man als „Abklatsch der Alternative für Deutschland“ bezeichnet wird, scheint ihre Repräsentanten auch in den sozialen Medien nicht zu irritieren. Man bleibt bei dem Standpunkt, Migration eng an Qualifikation knüpfen zu wollen. Asyl wird demnach wieder auf seine ursprünglichen Prinzipien gestutzt, also ausschließlich bei nachgewiesener Verfolgung gewährt. Einwanderer haben sich an Sitten und Normen des Gastlandes anzupassen, die nationale Souveränität darf laut Aussagen auf der Plattform X nicht länger durch Gesetze und Konventionen höherer Ebenen ausgehebelt werden.
Auf der eigenen Homepage erläutert man darüber hinaus: „Sozialistische Umverteilung durch Behörden und paternalistische Überheblichkeit ihrer Vertreter haben den Bürgern scheibchenweise Wohlstand, Sicherheit und Frieden geraubt, während die Nutznießer in steuergeldfinanzierten Organisationen und Firmengeflechten von der Enteignung einer gesamten Volkswirtschaft profitieren. Hinter den Kulissen florieren Korruption, Verschwendung, Günstlingswirtschaft und Korporatismus“. Man könnte dies im Geiste des amerikanischen Journalisten Henry Hazlitt betrachten, der einst sagte: „Die Kunst des Wirtschaftens besteht darin, nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die langfristigen Auswirkungen jeder Maßnahme zu sehen; sie besteht ferner darin, die Folgen jedes Vorgehens nicht nur für eine, sondern für alle Gruppen zu bedenken“.
Das „Team Freiheit“ könnte die Umfragen konterkarieren, will mehr als Alternative zur AfD sein!
Und schon allein mit dieser Perspektive scheint man Facetten zu den Konkurrenten aufzuzeichnen. Während Alice Weidel und Tino Chrupalla den Fokus auf illegale Flüchtlingsströme, Euroskepsis und Kritik an der „Altparteien-Politik“ richten, um dabei besonders stark soziale Ängste anzusprechen, wollen Charaktere wie Oliver Gorus, Marcus Pretzell oder Joana Cotar ihr Augenmerk nicht alleine auf Protestwähler lenken, sondern ein inhaltlich wie argumentativ gefestigtes Klientel ohne populistische Rhetorik rekrutieren. Man ist diesbezüglich um Intellektualität und Lösungsorientierung bemüht, ringt um eine sachliche Sprache, ein integres Auftreten und weniger Polarisierung, wenngleich manch eine Formulierung etwas gänzlich anderes vermuten lässt. Immerhin scheint im Jahr 2025 Begeisterung kaum noch ohne übersteigerte Zuspitzung möglich.
„Die Medien haben in ihrer Kontrollfunktion dramatisch versagt und sind in weiten Teilen zu Hofberichterstattern des sozialistischen Spektrums geworden. Anstatt zu berichten, heizen sie die Polarisierung zwischen den politischen Rändern an und verschweigen die ideologische Ähnlichkeit der Kollektivisten verschiedener Farben“, heißt es in der vorläufigen Doktrin. Da ist man nicht weit von der pauschalisierenden „Lügenpresse“ entfernt, dem bekannten Vokabular eines Björn Höcke, von Alexander Gauland oder des Pressesprechers deren Fraktion. Man wird also den richtigen Platz noch finden müssen, sieht man sich derzeit als Lückenfüller, irgendwo im Dreieck zwischen AfD, CDU und FDP. Die Mitgliedergewinnung läuft auf Hochtouren, nun sollte sich das Projekt beweisen, zu mehr als einer BSW-ähnlichen One-Woman-Show zu taugen.







