Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Politik: Vier BSW-Abgeordnete in Brandenburg treten aus Partei aus“ (aus: „NiUS“ vom 11.11.2025)
Das BSW steht in jeglicher Hinsicht im Umbruch. Nicht nur in einem Namensfindungsprozess entwickelt man sich derzeit weiter, der Personenkult um Sahra Wagenknecht hat sich durch ihren Rücktritt von der Spitze zumindest für den Moment in Luft aufgelöst. Mit ihrem Abgang in die Wertekommission verliert das Bündnis jedoch auch den Leuchtturm für Pragmatismus, stand sie realpolitisch der Brandmauer zur AfD mit großer Skepsis gegenüber, wollte verschiedene Lager vereinen. Mit Fabio De Masi rückt ein Vertreter nach, der sich auch heute noch stringent zu seinen sozialistischen Wurzeln bekennt – und nicht nur mit Blick auf das Verhältnis zu den „Blauen“ nach einem Mittelweg sucht. Wäre das Chaos nicht schon perfekt, verließen nunmehr vier Mandatare in Brandenburg die Partei, um die Koalition in Potsdam in arge Bedrängnis zu bringen. Ihre Begründung liest sich wie eine Generalabrechnung, denn „Autoritäre Tendenzen prägen zunehmend mehr das innerparteiliche Klima, der Druck auf Abgeordnete wächst, während offene Diskussionen und die Einbindung unterschiedlicher Stimmen in den Hintergrund treten“. Was ist da also los in der noch jungen Sammelbewegung?
Ein Geburtsfehler tritt zutage: Weil das Programm unklar blieb, bricht nun der Streit los…
Wahrscheinlich ist es genau dieser Versuch, höchst divergierende Interessen unter einen Hut bringen zu wollen, über Lagergrenzen hinweg ein gemeinsames Sprachrohr abzubilden, das zum Beben führte. Die Einigungsfähigkeit um der Regierungsverantwortung willen scheint zu leiden, gehen im aktuellen Fall die Vorstellungen über den Medienstaatsvertrag wohl diametral auseinander. Die Abtrünnigen wollten einer Ablehnung nicht zustimmen, obwohl doch aus Berlin die Vorgabe ausgesendet wurde, im Sinne der generellen Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk das „Ja-Wort“ zu verweigern. In vielen programmatischen Aspekten scheint die Debatte noch nicht abgeschlossen, der Leitfaden ungeklärt. Die wahrgenommene Hierarchie erklärt sich nicht zuletzt mit diesen offenen Flanken, hat man sich vielleicht zu schnell auf ein Projekt verständigt, dessen fundamentale Grundzüge man unzureichend deklinierte. Ein bisschen Kommunismus, eine Prise Konservativismus, Weltoffenheit bei gleichzeitiger Heimattreue, Pressefreiheit versus Staatsfernsehen, rote Linien nach rechts, bröckelnde Abgrenzung nach links, da kann ein Kartenhaus zusammenstürzen.
Ein bisschen Hierarchie, eine klare Wegweisung, anders kann eine Partei nicht überleben…
Solange es nicht gelingt, mit einem vereinbarten Kompass wenigstens die Stoßrichtung vorzugeben, bleiben erhebliche Unwägbarkeiten im Raum, die ohne Zweifel zur Disposition stellen, ob man bereits führungstauglich ist. Die Risse gehen offenbar tief, werden Kompetenzen nicht respektiert, die uralte Fragestellung erneut ins Rampenlicht gerückt, ob man für Anpassung auch eigene Maximalforderungen auf den Prüfstand stellen soll. Wie viel Profil gibt man ab, wenn Macht und Einfluss locken? Steht man eher mit Rückgrat da – oder nimmt eine Erosion in Kauf, um Pöstchen und Ämter behalten zu können? Man mag den „Dissidenten“ Verrat vorwerfen. Doch sie haben einen Dienst am BSW getan, es vor die Qual der Wahl zu stellen. Geht man auch künftig das Risiko einer Abspaltung ein, um sich beim Souverän als geradlinig und standhaft beweisen zu können. Oder schüttet man Gräben zu, lässt internen Druck im Topf, um irgendwann eine Zerreißprobe zu riskieren? Es gibt kein Patentrezept für die Entscheidung zwischen Idealismus und Pragmatismus, zwischen Enthusiasmus und Realismus. Doch Mut kann nicht schaden, sich für Prinzipien auf die Hinterbeine zu stellen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Denn nicht selten werden Courage und Stärke mehr belohnt als Kompromiss und Bourgeoisie.







