Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Gericht hebt Einreiseverbot für Rechtsextremisten Martin Sellner nachträglich auf“ (aus: NZZ vom 10.12.2025)
Das Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen hat eine im Oktober 2024 von der schweizerischen Polizei „Fedpol“ verhängte Einreisesperre von 18 Tagen gegen den österreichischen Aktivisten Martin Sellner für widerrechtlich erklärt und sie rückwirkend aufgehoben. Für seine Rechtskosten erhält der Wiener eine Entschädigung von insgesamt 3000 Schweizer Franken. Die Juristen begründen ihre Entscheidung mit einer fehlenden „tatsächlichen, gegenwärtigen und schwerwiegenden Bedrohung für die innere Sicherheit“, da der 36-Jährige lediglich geplant hatte, an einer Veranstaltung der Gruppe „Junge Tat“ in Locarno teilzunehmen, gegen die zwar Ermittlungen geführt werden, zu denen der Auftritt des Influencers aber keinen kausalen Zusammenhang darstellte. Insbesondere sah man die versagte Aufenthaltserlaubnis als einen Verstoß gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, konnte die zuständige Behörde keine Unterstützung für gewalttätig-extremistische Tendenzen belegen. Administrative Maßnahmen dürften nur in Ausnahmefällen und streng proportioniert angewendet werden. Es habe eine offensichtliche Unverhältnismäßigkeit vorgelegen.
Auch das Bundesverfassungsgericht wird beim AfD-Verbot auf Belege pochen müssen…
Mit diesem Urteil unterstreicht die Rechtsprechung der Eidgenossenschaft, was auch für Verfahren in der Bundesrepublik von Relevanz ist. Sollte es in Karlsruhe zu einer Debatte darüber kommen, ob die Alternative für Deutschland verfassungswidrig ist und damit verboten wird, bedarf es genau dieser überzeugenden Nachweiskette, dass nicht nur ein von der Exekutive festgestellter Rechtsextremismus vorliegt, dessen Definition weder durch einen gesellschaftlichen noch politischen Konsens anerkannt ist. Sondern es braucht eine konkludente Indizienkette für die Annahme, dass die Partei willens und in der Lage dazu scheint, in einer aggressiv-kämpferischen Art und Weise die geltende Herrschaftsordnung zu überwinden. Und hierfür genügt keine abstrakte Prognose, sondern eine stringent gefestigte Überzeugung, die sich im Zweifel auch realisieren lässt. Doch Remigration erweist sich gerade nicht als grundgesetzwidrige Rückführung von Inländern, wie beispielsweise nach dem sogenannten Geheimtreffen von Potsdam unter dem Stichwort „Deportationen“ behauptet wurde. Sie ist stattdessen das forcierte Anwenden bestehender oder legislativ zunächst zu schaffender Befugnisse.
Eine Gesinnung allein macht noch keine Bedrohung, lässt die Schweizer Justiz wissen…
Selbst wenn man argumentativ davon ausgeht, eine völkisch-nationalistische Gesinnung widerspreche dem Gedanken der liberalen Ordnung, weil sie dem zeitgeistigen Prinzip von Vielfalt und Toleranz nicht nach dem Munde redet, kann das Beharren auf einer autochthonen Mehrheit und dem Erhalt von Kultur, Tradition, Brauchtum und Prägung nur dann anrüchig sein, lehnt man das Gegenüber vorurteilhaft allein aufgrund der Herkunft ab, schmälert seine Existenz in Richtung eines bloßen Objekts, nimmt ihm die menschliche Würde durch eine nicht näher dargelegte Willkür und benachteiligt es ohne erkennbare Notwendigkeit. All diese Voraussetzungen lassen sich dann nicht als erfüllt betrachten, geht man systematisch gegen den Missbrauch des Asylwesens vor, schiebt jene Personen ab, die ohne eine dauerhafte Bleibeperspektive sind, weil ihnen entweder nur vorübergehender Schutz zugesagt wurde – oder ihre Integration aufgrund von Straftaten, unzuverlässiger Eingliederungsbereitschaft und Ignoranz von Werten, Regeln und Namen gescheitert ist. Was Sellner also einfordert, das ist Verstand. Und er kann auch bei der AfD nicht sanktionsbewährt, madig oder strafbar sein.







