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Drohnen über Polen: Waren sie ein Missgeschick – oder doch eine Antwort auf das gebrochene Genscher-Baker-Versprechen von 1990?

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Russische Drohnen über Polen abgeschossen: Merz wird deutlich – ‚ernsthafte Bedrohung'“ (aus: „Merkur“ vom 10.09.2025)

Quo vadis, Ukraine-Krieg? Nach dem Eindringen mehrerer Drohnen in den Luftraum Polens und das Auffinden von Raketenteilen auf dortigem Staatsgebiet, zeigten sich sowohl bundes- wie auch europapolitische Vertreter nahezu reflexartig im Einklang auf den sozialen Medien gewillt und entschlossen, Russland nunmehr als NATO die Stirn zu bieten, hatte Warschau doch nach Artikel 4 Konsultationen der Partner über den „Bedrohungsfall“ beantragt. Die Aussagen klangen lautmalerisch nahezu gleich, hat man auch auf der Plattform X beim Durchstöbern erster Stellungnahmen durchaus den Anschein vernommen, manch ein Post könnte mithilfe von Künstlichen Intelligenz reproduziert worden sein. Unmissverständlich drückte sich der Generalsekretär des transatlantischen Bündnisses, Mark Rutte, aus: „Wir werden jeden Zentimeter unseres Territoriums verteidigen“, um nach einer eilig einberufenen Telefonkonferenz offenbar auch im Namen von Georgia Meloni, Emanuel Macron, Keir Starmer und Friedrich Merz zu sprechen. Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Kaja Kallas, sah Anzeichen für ein „absichtliches Handeln“ des Kremls, ohne hierfür entsprechende Belege vorweisen zu können.

Die Eskalation, gerade deutscher Politiker, ist mit Kriegstüchtigkeit allein kaum zu erklären!

CDU-Politiker Roderich Kiesewetter bestätigt „eine neue Form der Eskalation“, Grünen-Ikone Anton Hofreiter will Kiew einräumen, „russische Waffenfabriken zerstören“ zu dürfen. Der US-Präsident kommentierte mit „Los geht’s“, sicherte Kollege Karol Nawrocki Einigkeit zu. Und der hiesige Regierungschef wittert in seiner altbewährten Tüchtigkeit blindlings eine „ernsthafte Bedrohung für den Frieden“ auf dem gesamten Kontinent. Dabei stehen die Ermittlungen noch ziemlich am Anfang, weisen erste Indizien darauf hin, dass die Flugobjekte aus Richtung Belarus kamen. Natürlich kann man die Drahtzieher dahinter in Moskau vermuten. Doch welche Absicht scheint hinter solch einem Austesten zu stecken? Will Putin wirklich prüfen, wie geschlossen der Westen ist? Oder handelte es sich vielleicht doch um fehlgesteuerte und außer Kontrolle geratene Copter, die in einer militärischen Auseinandersetzung nur allzu selbstverständlich und routinemäßig auftreten? Bisweilen scheint der Eindruck vorzuherrschen, man warte in Paris, Berlin, London oder Brüssel lediglich auf einen Trigger, einen auslösenden Faktor für weitere Eskalation, um Selenskyj, gegenüber der Öffentlichkeit argumentativ untermauert, neuerliche Unterstützung und Solidarität mit Milliarden für die Rüstungsindustrie zuzusichern.

Die Warnungen vor einer Ausbreitung des Krieges scheinen logisch nicht begründet zu sein…

Denn weshalb sollte eine weitere Front eröffnet werden, tun sich die russischen Truppen doch seit mehr als drei Jahren außerordentlich schwer damit, weiter als über den Donbass hinaus ins Landesinnere vorzurücken – einmal ganz abgesehen von fehlendem „Humankapital“. Selbstredend könnte man die jetzige Entwicklung als Anhalt dafür werten, dass ein mögliches Ablenkungsfenster geschaffen wird, um mit einer frischen Offensive in den besetzten Gebieten weitere Dörfer zu erobern. Einigermaßen unbehelligt von der medialen Öffentlichkeit, ließen sich vielleicht auch weitere Attacken auf die Hauptstadt vollführen. Doch jeder Nadelstich scheint willkürlich und ohne Konzept. Und gerade solch eine Taktik abseits jeden Plans wäre untypisch für die Führung um den ehemaligen KGB-Agenten, der bis heute keine konkreten Kundgaben dafür geliefert hat, dass der Boden der EU sein nächstes Ziel sei. Stattdessen bleibt das Agieren eine schlichte Antwort auf das gebrochene Versprechen von Genscher aus 1990: „Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR […], sondern das gilt ganz generell“. Schon Gorbatschow hatte fixiert, dass „jegliche Ausdehnung inakzeptabel“ sei.

Putin dürfte es um eine klare Revanche für den Bruch mündlicher Zusicherungen gehen!

US-Außenminister Baker antwortete zusichernd: „Wir stimmen darin überein“, um möglicherweise einigermaßen unüberdacht eine mündliche Vereinbarung darüber zu treffen, was längst zur Disposition steht. Denn was folgte, war ein beispielloses Gebaren von Imperialismus. 1999 folgten Polen, Tschechien und Ungarn, 2004 traten Estland, Litauen, Lettland, die Slowakei, Rumänien, Bulgarien und Slowenien bei, 2009 Kroatien und Albanien, 2017 Montenegro und 2020 Nordmazedonien. Die einseitige Verschiebung der Weltordnung war ein Affront. Und man wäre naiv gewesen, hätte man tatsächlich geglaubt, dass nach dem inszenierten Maidan-Aufstand 2014 und dem Sturz jener Machthaber, die sich für die russophilen Interessen der Bevölkerung in den Regionen Luhansk und Donezk einsetzten, eine Antwort vom geopolitischen Widersacher zwischen Sibirien und Ural ausbleiben würde. Wer im Duktus unseres Bundeskanzlers behauptet, eine Rote Armee 2.0 würde in den kommenden Jahren vor dem Brandenburger Tor stehen, um den Ravioli-Bestand in deutschen Kellern auf seine Haltbarkeit zu prüfen, betreibt nichts Anderes als Panikmache auf Basis bloßer Annahmen verschiedener „Think Tanks“. Getrieben vom Lobbyismus für die Waffenschmieden jener Republik, die momentan nicht nur ökonomisch am Stock geht.