Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Verfassungsschutz nennt AfD vorläufig nicht mehr rechtsextrem“ (aus: ZEIT ONLINE vom 08.05.2025)
Zwei Schritte nach vorne, fünf wieder zurück. Diese Taktik von Voreiligkeit und Kapitulation ist nicht nur jenen immanent, die mit Blick auf ihr eigenes Leben Wankelmut zeigen. Sondern auch politisch zu den Umkehrern gehören, müssen sie eingestehen, dass es unklug sein dürfte, im Glashaus mit Steinen zu werfen. Der nunmehr Alexander Dobrindt unterstehende Inlandsgeheimdienst hat mit einer „Stillhalteerklärung“ zugesichert, bis zur Eilentscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts nicht länger die Behauptung zu verbreiten, die Alternative für Deutschland verfolge mit ihrem Programm gesichert rechtsextremistische Bestrebungen. Es zieht damit seine Einstufung zwar nicht zurück, aber die Kölner Behörde gesteht indirekt ein, trotz einer über drei Jahre fortdauernden Prüfung offenbar doch nicht genügend belastbare Belege vorweisen zu können, um unter der Androhung von juristischen Konsequenzen den Vorhalt antidemokratischer Tendenzen bei Alice Weidel oder Tino Chrupalla aufrechterhalten zu können. Feigheit, Mutlosigkeit und Zaghaftigkeit sind also jenen ins Gesicht geschrieben, die offenbar unter der Hektik von Nancy Faeser ein Etikett in die Welt setzten, das ausschließlich auf einem Gutachten basierte, welches man weder der Öffentlichkeit zugänglich machen wollte, noch dazu bereit schien, die AfD selbst darin Einblick nehmen zu lassen. Offenbar ist die Fadenscheinigkeit der Argumente von noch weniger Wahrheitsgehalt als gedacht.
Hält man also Attestierungen unter Verschluss, die aus nicht viel mehr bestehen dürften als einer Aneinanderreihung von Zitaten aus der Mitte der Partei, die für den gesunden Menschenverstand nur allzu logisch, nachvollziehbar und plausibel klingen, weil aus ihnen der Geist des Erhalts von Heimat, Identität und Prägung spricht? Dass man im ideologischen Wettbewerb nicht mit Samthandschuhen agiert, dürfte vor allem denjenigen klar sein, die den Kern der liberalen Ordnung tatsächlich verinnerlicht haben. Es mag sein, dass Äußerungen und Kundgaben von Vertretern der Blaue nicht immer diplomatisch und konziliant daherkommen. Doch Zuspitzung und Polemik sind Instrumente in einer funktionierenden Volksherrschaft, die vom Austausch und Ringen der besten Ideen und Konzepte für die Zukunft lebt. Weder die Forderung nach konsequenter Remigration stößt sich mit Normen und Prinzipien des Grundgesetzes. Noch hat es etwas Anrüchiges, die in Artikel 116 verbriefte Kontinuität einer autochthonen Mehrheit dadurch zu sichern, dass wir unsere Grenzen nicht wie Schleusentore öffnen, um diejenigen auf unsere Territorien strömen zu lassen, die in immer häufigeren Fällen keine dauerhafte Bleibeperspektive oder einen anerkannten Fluchtgrund vorweisen können. Auch ist es nicht verwerflich, sich für eine Weiterentwicklung des repräsentativen Systems in Richtung plebiszitärer Verhältnisse einzusetzen, bleibt die Staatsform erhalten – und der Reiz zum Totalitären geschmäht.
Wer sich dazu drängen lässt, die Opposition aufgrund einer ablaufenden Amtszeit der nunmehr ehemaligen Innenministerin SPD medienwirksam an den Pranger zu stellen, indem die schlichte Lüge aufgestellt wird, die Besinnung auf den Gedanken eines Miteinanders, welches nicht von der Ideologie der Verschiedenartigkeit geleitet ist, sondern auf den Anspruch nach Unversehrtheit und Integrität eines jeden Landes beharrt, sei verfassungsfeindlich, stellt sich gleichsam gegen internationale Konventionen. So heißt es in der bindenden Verpflichtung aus dem Pakt, der 1966 von der UN-Generalversammlung angenommen und 1977 ratifiziert wurde: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung“ (IPwskR, Artikel I). In der Atmosphäre des erhobenen Zeigefingers moralapostolischer Grüner und Genossen, die utopische Ideale von Vielfalt und Toleranz ins Absurde getrieben haben, automatisiert sich eine Doktrin, die bei der Konfrontation mit Paragrafen in die Knie geht. Schließlich muss es als ein Armutszeugnis angesehen werden, dass man nicht nur die Pressemitteilung von der Webseite löschte, in der Horch und Guck seinen neuen Blick auf die Konkurrenz zum Kartell hinausposaunte. Auch juristisch musste man klein beigeben und sich letztlich dazu bereit erklären, zunächst auf eine subtile Märchenerzählung zu verzichten.
Die Bankrotterklärung für einen Apparat, der mittlerweile vor dem Kalifat einknickt, aber Kritiker von Robert Habeck überwacht, ist immens. Der Bumerang fällt auf Demagogen zurück, die im Moment unmissverständlicher Umfragen dafür sorgen wollten, dass der erste Platz wieder der Union gehört. Ihr Schnellschuss ist nach hinten losgegangen, denn die Konkludenz und Stringenz einer Nachweiskette scheint zu wanken. Schließlich braucht es für einen stabilen Befund die konkrete Dokumentation einer sich durch die gesamte Organisation von Bundes- bis Landesverbänden verbreiteten Zielsetzung, Menschen fremder Herkunft allein aufgrund der Ethnie in ihrer Würde zu beschneiden und sie entsprechender Befugnisse zu berauben. Nach der geltenden Auffassung aus Karlsruhe genügt es dafür ausdrücklich nicht, sie in bestimmten Bereichen ungleich zu behandeln. Denn nur dann, wenn sie als unwerte Wesen angesehen und ohne eine legislative Basis diskriminiert werden, kann man allenfalls von Verstößen gegen Artikel 1 und 3 GG ausgehen. Von einer solch gar aggressiven oder gewaltsamen Mentalität liest man jedoch weder bei Höcke noch Krah. Und es braucht schon viel Fiktion und Schizophrenie, irgendjemanden aus diesen Reihen der Wiederbelebung faschistischen Gedankenguts überführen zu wollen. Das hat man nun wohl auch bei den Schlapphüten einsehen müssen. Umso spannender ist der Ausgang eines Klageweges, der auch Vorgeschmack auf ein Verbotsverfahren sein könnte.