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Karl Lauterbach wirft mit gesundheitspolitischen Nebelkerzen

Die Entscheidung von Karl Lauterbach ist eine Nebelkerze. Denn die Einsparungen, die mit dieser Entscheidung zur Streichung der Homöopathie als Kassenleistung eingefahren werden, sind mit Blick auf die völlig außer Rand und Band geratenen Gesundheitskosten einigermaßen marginal. Sehr viel bedeutsamer ist dagegen das, was sich der Minister im Rahmen seines Pressestatements noch vorgenommen hat – nämlich die deutliche Effizienzsteigerung unseres Versorgungswesens. Denn obwohl wir uns das teuerste System in Europa leisten, scheint es dennoch nicht hinreichend und zufriedenstellend zu funktionieren. Dies liegt nicht zuletzt an einer massiven Erschwerung von Prozessen und Abläufen durch die Bürokratie, den Datenschutz und die massive Regelwut in der Bundesrepublik, die auch durch Vorgaben aus der EU weiter befeuert wird. Es fehlt bei uns an einer Patientensteuerung, die Arztbesuche auf das tatsächlich Notwendige beschränkt und eine hausarztzentrierte Versorgung verpflichtend vorsieht. Zudem brauchen wir eine sehr viel bessere, zentral erreichbare Dokumentation von Diagnostik, Therapie und Behandlung, damit Doppelstrukturen abgebaut werden und somit Ausgaben gesenkt werden, die durch unnötige Zweifachbefundung entstehen.

Außerdem müssen wir uns gegen die immer weiter steigenden Arzneimittelkosten stemmen, die unter anderem auch deshalb überhaupt erst möglich werden, weil sich die Bundesrepublik diesbezüglich von den Herstellern einigermaßen offensichtlich über den Tisch ziehen lässt. Es braucht wieder einen stärkeren Wettbewerb unter den Produzenten, der unter anderem auch dadurch zustandekommt, dass die Medikamentenproduktion wieder vermehrt in unseren Breiten stattfindet. Wir müssen das Personal zudem entlasten, indem wir an den Stellen, an denen die menschliche Sensibilität, Einfühlungsvermögen, Zuwendung, Erfahrung und Fachkenntnis entbehrlich sind, auf Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Technologisierung setzen. Der Grundsatz „ambulant vor stationär“ muss weiter forciert werden, die Einbeziehung von zusätzlichen niederschwelligen Akteuren in die Strukturen ist nötig. Denn nicht jede medizinische Leistung muss heute unbedingt durch einen Arzt erbracht werden. Stattdessen haben wir viele andere Berufsgruppen, die fähig und in der Lage sind, entsprechende Aufgaben mit zu übernehmen. Eine Entlastung der Praxen durch die zunehmende Nutzung der Videosprechstunde als eine Alternative zum Präsenzbesuch des Patienten, aber auch die kontaktlose Kommunikation zwischen Versicherten und ihrem behandelnden Mediziner, muss erleichtert werden.

Daneben bedarf es insbesondere im Bereich der Volkskrankheiten einer intensiveren Nutzung des Instruments der strukturierten Versorgungsprogramme und des Ausbaus der Prävention überall dort, wo der Patient zur selbstverantwortlichen Mitwirkung an seiner Genesung beteiligt werden kann – zu nennen sind dabei beispielsweise digitale Gesundheitsanwendungen, aber auch Vorsorgeuntersuchungen und Maßnahmen zur Vorbeugung mit Blick auf die seelische und mentale Gesundheit. Insgesamt braucht es weitere Anreize für einen gesünderen Daseinsstil, der aber nicht durch Verbote und Entmündigung der Bürger stattfinden kann, sondern durch eine maßvolle Aufklärung und das Angebot zur Unterstützung bei einem persönlichen Lebenswandel. Entsprechend gibt es viele Baustellen, zu denen es abschließend aber auch gehören muss, umfassend über die Finanzierungsbasis unseres Gesundheitssystems nachzudenken und sie endlich zu reformieren. Eine Zwei-Klassen-Medizin ist im 21. Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen braucht es deutlich mehr Einbeziehung von bisher privatversicherten Bürgern in die gesetzliche Krankenkasse. Denn die Vitalität der Menschen ist eine Voraussetzung dafür, in unserem Land auch künftig Wohlstand erarbeiten zu können. Deshalb ist es eine solidarische Gemeinschaftsaufgabe, dass hierzu möglichst viele beitragen.

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