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Journalistische Theatralik kurz vor Sendeschluss: Wie sich Markus Lanz des beschränkten Deutungsrahmens zum Ukraine-Krieg entlarvte!

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Sahra Wagenknecht bei Markus Lanz: Wenn Fakten zum ‚Kulturkampf‘ werden“ (aus: „Berliner Zeitung“ vom 31.10.2025)

Eine wichtige Grundregel des Journalismus, die in Zeiten von Moralisierung häufig in Vergessenheit gerät, besagt nicht zuletzt, dass die publizistische Integrität wesentlich vom Ermöglichen größtdenkbarer Meinungsvielfalt abhängt. Entgegen anderslautender Positionen, ist es uns natürlich als Medienschaffenden gestattet, selbst eine klare Haltung einzunehmen, wenn dies im geeigneten und gekennzeichneten Rahmen geschieht. Hierzu gehört beispielsweise auch die Moderation einer Talksendung wie jene von Markus Lanz. Doch so offen wir mit unserer persönlichen und subjektiven Anschauung aufwarten dürfen, sind wir dringend dazu angehalten, Selbiges auch unseren ideologischen Gegnern zu gestatten. Hieran ist der 56-Jährige in einer der jüngsten Ausgaben kläglich gescheitert, als er am 30. Oktober Sahra Wagenknecht empfing. Diese war zwar von Beginn an provokativ aufgetreten, als sie beispielsweise die Benachteiligung ihres BSW in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anprangerte. Gleichzeitig musste sie sich einer konsequenten, bedauerlicherweise aber nicht fairen Widerrede durch den Südtiroler ausgesetzt sehen.

Wagenknecht lag zwei Mal richtig, bei BSW-Isolation und NATO-Osterweiterung…

In einer zulässigen Darstellung der Moskauer Perspektive auf den Krieg mit der Ukraine fuhr er ihr in die Parade, obwohl sie doch eigentlich nur die Genese eines Konflikts beschrieb, den man nicht alleine auf den Umstand relativieren sollte, dass Putin einen grausamen Überfall auf das Nachbarland vollzieht. Mit der Weitung der Sicht auf die gegen jegliche Absprachen erfolgte Osterweiterung der NATO stand die einstige Ikone der Linken zwar auf weiter Flur, ohne von den anderen Gästen Unterstützung zu erhalten. Doch vor den Bildschirmen dürften nicht nur ihre Anhänger manche Ausführung verstanden haben, als sie den wachsenden Einfluss des Westens auf dem geopolitischen Spielfeld Eurasiens kritisch anmerkte. Eine Relativierung der despotischen Zustände in Russland war ihren Äußerungen nicht zu entnehmen, stattdessen gab sie Repression und Unterdrückung in vielen Staaten der Welt zu bemerken. Immer wieder unterstrich sie die Notwendigkeit der Diplomatie, um eine weitere Eskalation und Ausweitung der militärischen Auseinandersetzung zu verhindern. Dieser konsequente Friedenskurs stieß bei dem teils theatralisch wirkenden Lanz auf eine brüchige Stimme.

Die Hybris eines Moderators, der anders wahrgenommene Realitäten nicht einmal hören will…

Es hätte zur Erfahrenheit und Souveränität des Kollegen gehört, eine Person aussprechen zu lassen und sie nicht mit „Hören Sie auf“-Rufen in der Formulierung ihrer Thesen zu beschneiden, wenn sie mit klarer Rückendeckung durch die Wahrhaftigkeit darauf hinwies, dass auch bei uns Menschen in Angst sind, sich unbehelligt zu artikulieren. Eine Relativierung von Putins Potenz gegenüber seinen Feinden war insbesondere auch deshalb nicht ersichtlich, weil die Jenaerin weder Straflager und „Schwachkopf“-Verfolgung direkt auf eine gemeinsame Stufe stellte, noch dazu überging, das autokratische Herrschaftssystem des Kremls zu leugnen. Die Unterstellung des Verbreitens von Narrativen und Verschwörungstheorien blieb insofern ohne argumentative Untermauerung, die vom Dokumentarfilmer und Podcaster eingeforderten Fakten lieferte er selbst an keiner einzigen Stelle. Stattdessen bestätigte er sämtliche Vorurteile von Voreingenommenheit, die den Zulässigkeitsrahmen von bestimmten Überzeugungen auf die eigene Definition reduziert. Und so blieb am Ende das Resümee für den unverdächtigen Beobachter von außen, dass er seinerseits den Kulturkampf eröffnet hatte.