Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Oktoberfest: Kusshände und ein Kanzler, der in München Gefühle zeigt“ (aus: „Süddeutsche Zeitung“ vom 22.09.2025)
Der „Duden“ sagt, sensible Menschen seien „von besonderer Feinfühligkeit und empfindsam“. Was zunächst wie eine ehrenwerte Charaktereigenschaft klingt, ist schnell dazu geeignet, für Entschuldigung und Rechtfertigung hinhalten zu müssen. Lars Klingbeil dürfe nicht allzu hart angefasst werden, ließ aktuell Bundeskanzler Merz gegenüber seinen Leuten verlautbaren, gilt der SPD-Vorsitzende als zart besaitet. Dabei ist er doch im Austeilen ganz groß, wirft mit Nazi-Vorwürfen in Richtung der AfD um sich, erklärt sich durch sein Bekenntnis zu „unserer Demokratie“ zum Rächer der DDR-Willkür, scheint eng verbandelt mit der Antifa. Und nun soll man Rücksicht nehmen, weil sich der Vizekanzler andernfalls entmutigt und gekränkt in jenen Elfenbeinturm zurückzieht, wo schon Robert Habeck haust, sah auch er sein Ego durch Kritik angekratzt? Mitnichten kann diesem Anliegen entsprochen werden.
Ein Amtsträger, der Gegenrede kaum erträgt, hat auf politischem Boden nichts zu suchen!
Der jetzige Finanzminister versucht die Wahrheit zu umgehen, dass er seinen Aufgaben kaum gewachsen ist. Bei Pressekonferenzen muss er in fast jedem zweiten Satz das Wort an seine Mitarbeiter übergeben, mangelt es an Expertise, Erfahrung und Einsicht. Denn außer Steuererhöhungen weiß er keine Antwort auf die monetäre Schieflage dieses Landes. Und was soll das überhaupt für eine Beziehung sein, in der man aus falschem Respekt vor Gemütern weniger ehrlich zueinander sein darf? Ist eine solche Koalition nicht von Beginn an auf Sand gebaut? Diesen Befund wird man aufgrund vieler Belege zweifelsohne unterschreiben müssen, hält einzig die Sehnsucht nach Macht und Einfluss ein Bündnis zusammen, welches nicht unterschiedlicher sein könnte. Toleranz und Vielfalt bremsen jeglichen Reformkurs in der Flüchtlingspolitik aus, der Sozialismus lässt allen haushalterischen Verstand in den Hintergrund treten.
Was hält die Koalition zusammen, wenn sie sich selbst nicht hinterfragen darf?
Das Verbindende liegt in der Brandmauer, beim Agitieren gegen den ideologischen Gegner. Das gemeinsame Hetzen täuscht über die tiefen Gräben hinweg, welche strikte und konsequente Eingriffe in das ausufernde Sicherungssystem verhindern, die globale Alimentierung schicksalsgeplagter Völker in der Ferne verlängern. Nebelkerzen sollen dabei helfen, die Verwahrlosung der Innenstädte zu übertünchen. Das Rampenlicht auf die vermeintliche Verfassungsfeindlichkeit der Alternative für Deutschland verklärt den Zustand der inneren Sicherheit. Mit Floskeln und Plattitüden über die angebliche Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich hält man ein Feigenblatt vor die Tatsache, dass wir budgetär kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem haben. Und gerade, weil es in einer Marktwirtschaft weder Geldbäume noch Dukatenesel gibt, stattdessen die Pflicht zur Vernunft, ist der jetzige Amtsinhaber eine Luftnummer.
Wer sich wegen Widerspruchs ins Schneckenhaus zurückzieht, sollte kein Minister sein!
Schließlich kann sich auch ein Genosse kaum von der Erwartung an Konzepte und Lösungen lossagen, welcher trotz Zivildienst in der Bahnhofsmission und des Studiums der Geschichte eher zu einer Mimose taugt, fühlt er sich augenscheinlich rasch auf den Schlips getreten. Wer es nicht erträgt, mit der eigenen Inkompetenz konfrontiert zu werden, der ist auf dem Berliner Tableau falsch. Wir brauchen stabile und reflektierte Gestalten ohne Allüren, gestandene Mannsbilder fern von Theatralik. Beleidigte Leberwürste gab es in der Vergangenheit schon oft genug, drückten sie bei jedem Anwurf von Missbilligung auf die Tränendrüse. Was soll aus einer Republik werden, deren Führungsriege auf Emotionalität pocht, aber gleichzeitig das Credo ausgibt, möglichst brachial gegen die Opposition vorzugehen? Nein, wir sind hier nicht bei „Wünsch dir was“, sondern bei „So ist es“. Wer das nicht verträgt, möge abtreten.