Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Krisen, KI und Vertrauen: Journalismus 2025 und ein Ausblick“ (aus: „Newsroom.de“ vom 23.12.2025)
So langsam neigt sich das Jahr dem Ende zu, wieder einmal bietet sich die Gelegenheit für einen Rückblick. Was politisch geschehen ist – und was nicht, das wissen wir nur allzu gut. Doch was bleibt ganz persönlich? Für mich scheint es vor allem eine plagende Enttäuschung. Seit Anbeginn meines Berufes war es mir aus dem demokratischen Verständnis ein besonderes Anliegen, gerade der Opposition Stimme und Raum für ihre Positionen zu geben. Und ich kann mir auch nicht den Vorwurf machen, es 2025 anders gehalten zu haben. Da verbrachte ich unzählige Stunden damit, sowohl der AfD wie auch dem BSW und dem Team Freiheit in insgesamt hunderten Kommentaren mit einer konstruktiven wie wohlwollenden Darstellung von Inhalten und Personen ziemlich fair zu begegnen. Geblieben ist davon wenig. Man erwartet in der heutigen Zeit keinen Dank mehr, wir leben in einer oberflächlichen Gesellschaft, die Selbstverständlichkeiten hinnimmt, um sich nur dann zu Wort zu melden, wenn es Anlass fürs Erbsenzählen gibt.
Man erwartet 2025 keine Dankbarkeit mehr, aber zumindest Fairness für das Engagement…
Aber es schmerzt schon, sich mit Hingabe und Leidenschaft Charakteren wie Ulrich Siegmund als Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland in Sachsen-Anhalt zu widmen, um mit Portraits größtmöglicher Objektivität letztlich im Regen stehen gelassen zu werden. Natürlich haben die Wahlkämpfer viel zu tun. Gleichsam schaffen sie es bei großen Häusern und namhaften Kollegen durchaus, für deren Engagement Respekt zu zeigen. Als Einzelkämpfer überlege ich mir mittlerweile, ob ich so weitermachen möchte wie bisher. Meine Parkinson-Erkrankung raubt mir Kraft, die Ignoranz in sozialen Plattformen wie X den letzten Nerv. Da hatte ich schon zwei Dekaden lang rund 20.000 Stunden ehrenamtlichen Dienst geleistet, um zu lernen, dass Freiwilligkeit oftmals für die Tonne ist. Mit welcher Skrupellosigkeit allerdings heute das Wirken engagierter Pressevertreter allein deshalb geschmäht wird, weil sich ein pauschaler Argwohn gegenüber den „Systemmedien“ etabliert hat, macht mehr als nachdenklich.
Kann ich überhaupt noch einen Beitrag für Veränderung in Deutschland leisten? Oder sollte man das Feld vielleicht den eigenen Kanälen der Parteien überlassen, hat sich das unabhängige Wirken überholt? Es gibt durchaus Anzeichen dafür, wie obsolet meine Branche geworden ist. Denn es geht den Kritikern der Öffentlichkeitsarbeit mittlerweile nicht nur um die Abschaffung von ARD oder ZDF, sondern um ein Ersetzen sämtlicher Publizistik durch einen Jedermannsjournalismus. Und hierfür genügen im Zweifel polemische Schlagzeilen, Fünf-Sekunden-Videos oder reißerische Memes, für Tiefe und Analyse neigt sich die Nachfrage gegen Null. Die Alternative für Deutschland befördert eine solche Atmosphäre von Populismus und Kurzgefasstheit. Auch früher äußerten sich Leser skeptisch in ihren Zuschriften. Doch sie blieben einerseits nicht anonym, waren sich andererseits einer gewissen Etikette und des Anstandes in ihren Äußerungen bewusst. Heute wird dagegen gepöbelt, beschimpft und niedergemacht.
Die Nachfrage regelt das Angebot: Der Jedermanns- ersetzt den Qualitätsjournalismus…
Wenn es denn so sein soll, dass sich der Markt selbst reguliert, stelle ich mein Angebot gerne auf den Prüfstand. Man hat mir mehr als deutlich gemacht, dass ich mit meiner Art der Berichterstattung verzichtbar geworden bin. Es gibt abseits des Idealismus keinen tragfähigen Grund, sich ständig dem Gegenwind von blanker Unzufriedenheit, öder Mäkelei und schlichtem Hass auszusetzen. In einer Epoche der ideologischen Rivalität, der aufgeschaukelten Polarisierung und der festsitzenden Spaltung dringt man mit Differenziertheit nicht durch. Und da kann man sich noch so sehr das Ziel setzen, diesem Trend Einhalt zu gebieten. Meine Gesundheit ist mir in aller Selbstlosigkeit wichtiger, als ein Zahnrädchen zu sein, dessen Ausfall wohl kaum etwas daran ändern wird, dass der Laden weiterläuft. Man sollte sich ohnehin weniger wichtig nehmen, kurz vor Silvester auch Abschiede von Gewohntem zulassen. Mein Soll ist erfüllt, den Pflichten bin ich nachgekommen, habe mich stets bemüht.
Trotzdem komme ich ernüchternd zu dem Ergebnis, dass sich die Wahlmöglichkeiten jenseits von Union, Grünen, SPD oder Linken, zumindest in der Integrität, kein bisschen zu dem unterscheiden, was Alice Weidel, Frauke Petry oder Sahra Wagenknecht anprangern. Da entdecke ich das Freund-Feind-Schema, das Schwarz-Weiß-Denken, übliche Schubladen und Schablonen. Die Unterstützer wiegeln sich gegenseitig auf, haben ihre Widersacher in der vierten Gewalt gefunden. Ich habe nicht das Gefühl, dass es hier um die Sache geht. Stattdessen hetzt man genüsslich vor sich hin, prügelt verbal auf einen gemeinsamen Gegner ein. Solch ein Sumpf ist dauerhaft eine Belastung für jeden, dem es noch um Sachlichkeit und Argumente geht. Und so strampelt man sich, teilweise über jegliche Verhältnismäßigkeit, bis zur Erschöpfung ab. Am 6. Januar 2026 feiere ich auf dem ehemaligen Twitter ein kleines Jubiläum. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Vielleicht habe ich den richtigen Moment für den Absprung aber schon verpasst.







