Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Durchbruch beim Koalitionsausschuss: Merz verkündet Einigung bei Rente, Verkehr und Bürgergeld“ (aus: DER SPIEGEL vom 10.10.2025)
War das nun der Startschuss für den heißen Herbst – oder hat die Bundesregierung bewiesen, dass eine große Koalition zu nicht mehr in der Lage ist als schlichten Trippelschritten? Künftig soll es für Arbeitsfähige kein „Bürgergeld“ mehr geben, dagegen empfangen sie nunmehr „Grundsicherung“. Das Gesetz sieht Sanktionen bis zur vollständigen Streichung von Leistungen samt Miete vor, zeigt sich der Betroffene nicht bereit zur Mitwirkung und Kooperation, beispielsweise durch das Fernbleiben von drei Terminen beim Jobcenter. Die Vermittlung soll Vorrang erhalten, die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit einer dauerhaften Alimentierung gegenüber präferiert werden. Bisher ist noch nichts in trockenen Tüchern, gesetzliche Fixierungen stehen aus. Kürzungen in der Sache sind ohnehin nicht angedacht, sondern eine Eindämmung des Missbrauchs und ein stärkeres Fordern statt Fördern. Hiermit wird vor allem ein Akzent in Sachen Gerechtigkeitsempfinden der Allgemeinheit gesetzt, obwohl schwerwiegendere Schiefstände erhalten bleiben.
Und selbst die Grundsicherungssanktionierung ist noch nicht in trockenen Tüchern…
So dürften auch bisher hier ansässige Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine im SGB II integriert bleiben, um damit eine gravierende Belastung für den Haushalt unentwegt fortzuschreiben. Und wie man die clan- und bandenmäßigen Kriminalität hinsichtlich eines strukturierten Schindluders bei der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme eindämmen und verunmöglichen will, scheint bislang ebenfalls ungeklärt. Kommt man also über bloße Symbolpolitik wiederum nicht hinaus? Mit den vorgesehenen Anreizen durch die „Aktivrente“, der Steuerfreiheit für Renten bis zur Höhe von 2.000 Euro und Anreizen um 30 Prozent für Nacharbeiter, die trotz Anspruch auf regelhafte Altersversorgung über den gesetzlichen Eintrittsmoment hinweg einer Beschäftigung nachgehen, will man Senioren zur Tüchtigkeit von der Wiege bis zur Bahre ermutigen. Die wirtschaftliche Not der öffentlichen Kassen wird fortan also auf dem Rücken der „Boomer“ ausgetragen.
Und wieder nur Symbolpolitik, die vom Mangel an durchgreifenden Reformen ablenkt…
Es stellt einen Angriff auf die von Friedrich Merz beschworene „Wehleidigkeit“ des Volkes dar, wenn die eigentlichen Probleme dieses Landes nicht an der Wurzel angepackt werden. Auf konsequente Rückschnitte des Asylrechts und ein massives Eindämmen der Versorgung von Flüchtlingen auf Bett, Brot und Seife dürfte man wohl noch lange warten müssen. Viel eher frönt das Kabinett dem Ziel der Klimaneutralität, will E-Autos besonders für Familien mit niedrigem Budget kostengünstig halten. Mit gestutzten Investitionen in die Infrastruktur kommt man einem Schub für die lahmende Ökonomie kaum näher. Dabei hätte es viel Potenzial für Einsparung und Effizienz gegeben, könnten sich Pragmatiker wie Carsten Linnemann gegenüber dem linken Flügel der SPD durchsetzen. Durch das wechselseitige Ausbremsen bleibt es beim kleinsten gemeinsamen Nenner, der nicht einmal ansatzweise dem Ziel von Solidität, Gestaltungsspielraum und Planung Rechnung trägt.