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Ein Meisterwerk publizistischer Regelverstöße: Wie das „Hitlergruß“-Cover des „stern“ gleich drei Richtlinien des Pressekodexes tangiert…

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Analyse – Der Stern im Nazi-Wahn: Diesmal trifft es die deutschen Schulen“ (aus: „Apollo News“ vom 30.10.2025)

Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass jeder Journalist im Rahmen seiner Ausbildung auch mit den publizistischen Grundsätzen in Kontakt gekommen ist, die als Orientierung dafür gelten, was in unserer Branche an berufsethischen Grenzen gilt. Doch immer öfter hat man heutzutage den Eindruck, dass der Pressekodex bis aufs Äußerste strapaziert wird. Dies gilt auch mit Blick auf eine aktuelle Veröffentlichung des Magazins „stern“ in Ausgabe 45 vom 30.10.2025. Über der Untertitelung „Rechte Klassenzimmer – Nazi-Parolen und Ausländerhetze sind heute an vielen Schulen Alltag“ setzt die Redaktion auf eine Grafik, die einen Jugendlichen mit zum Hitlergruß ausgestrecktem Arm sowie einem Ranzen samt Aufkleber der AfD zeigt. Dass in unserer Republik mittlerweile ein Wahn vor der Wiederkehr des Faschismus grassiert, um gleichzeitig auch sprachintensives Vokabular als Mahnung zu missbrauchen, ist nicht wirklich etwas Neues. Doch das Ausmaß des mindestens neurotischen Versuchs, stilisierte Horrorszenarien an die Wand zu malen, bleibt beängstigend.

Wer mit einer grafischen Darstellung soziale Gruppen pauschal verunglimpft, handelt unredlich!

Im oben genannten Regelwerk findet sich Richtlinie 11.1, die besagt: „Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird“. Von einem solchen Fall ist vorliegend auszugehen, wenn eine soziale Gruppe in Pauschalität dafür herangezogen wird, ein Phänomen beschreiben zu wollen, das sich sicherlich punktuell feststellen lässt. Doch ist die Überzeugung, sich nicht nur in der Fußgängerzone, sondern auch auf dem Pausenhof fremd zu fühlen, anrüchig oder verdächtig, um in völligem Irrwitz zu unterstellen, irgendein Sprössling finde Gefallen an der Denkweise des „Führers“? Man braucht schon eine eigentümliche Verquickung von Synapsen, um der nächsten Generation in der Auffassung, sich mancherorts als von migrantischen Mehrheiten unterdrückt, gegängelt und gemobbt zu betrachten, Sympathie für den Holocaust nachzusagen. Dieser verleumderische Charakter widerspricht dem Diskriminierungsverbot aus Ziffer 12 des besagten Katalogs für integres Schreiben.

Auch der Wahrheitsgehalt der Titelseite relativiert sich durch fehlende Vollständigkeit…

Richtlinie 2.5 betont darüber hinaus die Sorgfaltspflicht, bei Bildmaterial „irreführende Verzerrungen auszuschließen“. Unzulässig ist demnach auch die Generalisierung oder Abstrahierung, beispielsweise der Vorwurf, die Alternative für Deutschland mache aus unseren Kleinsten Extremisten. Abseits davon waren Wahrheit und Vollständigkeit seit eh und je ein selbstverständliches Credo. Deshalb gehört zu einer realistischen Einordnung zwingend dazu: Etwa 2.100 Vorfälle in der Kohorte bis ca. 21 Jahre gab es 2024, die rechter Gesinnung zugeschrieben wurden. Im Vergleich gelten jedoch 6.000 Personen dieser Altersschicht als potenziell Antifa-links, der Anteil dort stieg im Gegensatz zu nationalistisch motivierten Delikten (ca. 25 Prozent) um 38 Prozent. Rund 1.500 Straftaten mit islamistischem Hintergrund wurden im gleichen Zeitraum von Heranwachsenden verzeichnet, dem gewaltbereiten Salafismus gehören 12.000 Postpubertierende an. Sich also nur eine Perspektive herauszugreifen, die andere Sichtweisen ausspart, ist unredlich und rufschädigend.