Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Klausurtagung des BSW ohne Sahra Wagenknecht – Partei ringt um Profil und Abgrenzung zum Kriegskurs“ (aus: „Berliner Zeitung“ vom 02.11.2025)
Es ist ein lange angedachter Schritt, um die Personenzentrierung von Sahra Wagenknecht zu beenden. Das BSW soll künftig den Namen „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“ tragen. Gleichzeitig sind Spekulationen über einen möglichen Parteiaustritt der Initiatorin hypothetisch. Wenn die Medien von „Schicksalstagen“ sprechen, dann bezieht sich dies vor allem auf interne Querelen. Ob die einstige Linken-Ikone im Dezember nochmals für den Vorsitz antritt, ließ sie bislang offen. Dass sie von ihrem eigenen Projekt getrennte Wege gehen könnte, dafür gibt es bislang keine konsistenten Belege. Die Streitigkeiten betreffen vor allem den Vorwurf einer hierarchischen Machtstruktur, die unter anderem dazu führen soll, dass bei der Aufnahme von Mitgliedern selektiert wird. Diese Behauptung rüttelt an den Grundfesten, tritt man doch nicht zuletzt für Direktdemokratie ein. Die Zentrierung von Einfluss bei einzelnen Charakteren stößt vielen Anhängern bitter auf, aber nicht nur strukturelle Probleme bereiten der noch jungen Organisation Kopfzerbrechen, die mit ihrer Gründung versuchte, ideologischer Brückenbauer zu sein.
Viel Trennendes, doch einige Leitlinien hat das Programm dennoch festgesetzt…
Es geht um inhaltliche Differenzen, nicht zuletzt in der Migrationspolitik. Hardliner fordern konsequentere Abschiebungen, setzen sich für ein restriktives Asylwesen ein. Dieser Standpunkt polarisiert, eröffnet Grenzen zwischen dem „menschenfreundlichen“ und „rechtskonservativen“ Lager. Der Gewerkschaftsflügel kritisiert dagegen eine mögliche Anbiederung an Putin, die Russlandnähe wird auch öffentlich harsch debattiert. Obwohl man sich konsequent für Frieden, Diplomatie und Verhandlungen engagiert, wollen sich manche Sympathisanten nicht einseitig zu Gunsten Russlands instrumentalisieren lassen. Ob man in ökonomischen Belangen eher den Weg von Realsozialismus oder Pragmatismus gehen soll, scheint ebenso strittig. Während für die einen der Mittelstand das Rückgrat der Gesellschaft darstellt, sind es für die anderen die Schwächeren, denen die volle Aufmerksamkeit des Staates geschenkt werden soll. Einig ist man sich dagegen in Investitionen für die Bildung, in einer Stabilisierung der Rente und in der Förderung des Wohlstandes – statt purer Geldverschwendung für Klimaaktivismus, Aufrüstung oder NGOs.
Frieden, Freiheit und Fortschritt sind die drei wesentlichen „F“s des BSW…
Bevormundung und „Cancel Culture“ sollen beendet, die Meinungsfreiheit als Kernelement der liberalen Ordnung nicht länger durch Strafverfolgung beschnitten werden. Andersdenkende dürfte man nicht haltlos diffamieren, patriotisches Gedankengut weniger pauschal verunglimpfen. Eine Mentalität der offenen Grenzen könne dem Anspruch an individuellen Schutz nicht gerecht werden, von einer Vermögensteuer wolle man absehen. Stattdessen sei die Abschaffung der kalten Progression das Ziel, Erbschaften für Milliardäre sollten stärker abgeschöpft werden. Der Eintritt in den Ruhestand soll künftig wieder bei 65 Jahren liegen, eine staatlich garantierte Mindestsicherung gelten. Die Umsetzung bleibt allerdings noch weitgehend fraglich, ebenso die Auswirkungen eines höheren Mindestlohns. Die öffentliche Hand möchte man an Schlüsselindustrien beteiligen, Aufträge vornehmlich an deutsche Unternehmen vergeben. Ausländische Straftäter will man sofort rückführen, Art. 16a GG wieder vollends auf politische Verfolgung anwenden. Bürgergeld solle lediglich langjährig Integrierten zustehen, Sprachkenntnisse und kulturelle Anpassung müssten abverlangt werden.
Ein bisschen Planwirtschaft, aber vor allem Vernunft bei Gesellschaft und Migration…
Mit Blick auf die Ukraine soll es keine Waffenlieferungen mehr geben, statt blinde Mitarbeit in der NATO müsse die Bundesrepublik als neutraler Vermittler auftreten. Wirtschaftsbeziehungen nach Moskau sollen insbesondere der Sicherung unserer Energieversorgung dienen. Im Nahen Osten sei eine Zweistaatenlösung anzustreben, keiner der beteiligten Seiten dürften Blankoschecks ausgestellt werden. Zwar wolle man sich prinzipiell für Umweltschutz aussprechen, Verbote soll es aber nicht geben. Kernkraftwerke müssten wieder hochgefahren werden, die CO2-Steuer sei obsolet. Technologieoffenheit und eine Entlastung der Bauern sind weitere Eckpunkte der Programmatik, die darüber hinaus auch umfasst, eine Einheitsschule bis zur 10. Klasse einzuführen, den Respekt vor dem Handwerk zu stärken und die Gender-Ideologie der Biologie unterzuordnen. Privatisierung von Krankenhäusern müssten verhindert werden, die Corona-Pandemie gehöre aufgearbeitet. Für das Bargeld brauche es eine Zukunft, die Digitalisierung des Euros lehnt man ebenso ab wie die Chatkontrolle, ein Staatsfernsehen, die Impfpflicht oder Eingriffe in die unbehelligte Rede.







