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Die Dissonanz der einzelfallbezogenen Meinungsfreiheit: Gilt Artikel 5 im BSW nur dann, wenn Wertung arg- und kritiklos daherkommt?

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Zum Abtritt knöpft sich Wagenknecht noch die Opposition in der eigenen Partei vor“ (aus: WELT vom 07.12.2025)

Ich habe schon viele Parteitage in meiner journalistischen Karriere beobachtet. Häufig sind sie Schauplatz von Rivalität und Selbstprofilierung, das Brennglas interner Konflikte und Gelegenheit für persönliche Abrechnungen mit Freund und Feind. Deshalb fiel die Diszipliniertheit des BSW auf, kam man jüngst in Magdeburg zur Delegiertenversammlung zusammen, um sich einerseits einen anderen Namen zu geben, aber auch den Vorstand nach dem Rückzug von Sahra Wagenknecht neben Amira Mohamed Ali mit Fabio De Masi neu zu besetzen. Doch bei vorbildlicher Sachlichkeit in den Reden und Disziplin in der inhaltlichen Auseinandersetzung gab es Anlass für Kritik. So wurde Journalistenkollege Dominik Reichert trotz seiner Anmeldung nicht zur Teilnahme an der Veranstaltung zugelassen. Der Reporter von COMPACT berichtete in den sozialen Medien über das Vorkommnis, rückt es die künftig unter dem Titel „Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“ fungierende Kraft in ein durchaus schlechtes Licht, will man sich Pressevertretern entledigen, offenbar willkürlich und grundlos. Denn eine erkennbare Rechtfertigung gibt es nicht, warum ausgerechnet demjenigen der Zutritt verwehrt wurde, der bisher eigentlich fair und konstruktiv über das noch junge Projekt berichtet, sich programmatisch gar in seiner Nähe verortet hatte.

Der Umgang sowohl mit Medienvertretern wie auch internen Kritikern ist mehr als fragwürdig…

Gibt es da also ein Problem mit der Meinungsfreiheit, untergräbt man eigens gesteckte Ideale und Zielsetzungen? Man könnte es durchaus annehmen, blickt man auf ähnlich gelagerte Fälle, die für Aufregung und Furore sorgten. Der Landesverband Thüringen hat eine Abmahnung und Klage gegen den „YouTuber“ Konstantin Schink auf den Weg gebracht, der sich eigentlich als BSW-Unterstützer versteht. Grund ist ein Video samt Screenshot, in dem er eine Mitarbeiterin der Fraktion als „Transaktivistin“ bezeichnet hatte, was als diffamierend angesehen und ein daraus resultierender Schmerzensgeldanspruch von 2.000 Euro formuliert wurde. Am 16. Dezember 2025 soll vor dem Landgericht Erfurt entsprechend verhandelt werden, schließlich liegt die Anschuldigung einer „Cancel Culture“ in der Luft, wenn die Partei einerseits Art. 5 GG hochhält, sie mit Blick auf Werturteile gegenüber ihren Leuten augenscheinlich zu beschneiden bereit ist. Und es gibt weitere Schlagzeilen der Vergangenheit, die ein allzu stilisiertes Bild zurechtrücken. Beim Gründungsparteitag in Bremen und Niedersachsen durften Medienvertreter nur kurz anwesend sein, der Deutsche Journalistenverband sah darin eine Einschränkung seines Handlungsspielraums. Ähnlich in Mecklenburg-Vorpommern, wo der Presse der Zugang zum Termin gänzlich verwehrt wurde.

Intern muss die Mentalität des Ausgrenzens enden, will man eigenen Idealen gerecht werden!

Dass es jüngst auch Vorwürfe autoritärer Tendenzen gab, traten vier Landtagsabgeordnete in Brandenburg aus, weil sie sich wachsenden Drucks ausgesetzt sahen, der eine offene Diskussion behindere, reiht sich in den Rückzug des Leipziger Professors Stefan Machill ein, der einen allzu engen Meinungskorridor hinsichtlich der Diskussion um den Krieg zwischen Israel und der Hamas bemängelte. In Bayern wurde ein BSW-Mandatar wegen seines harten Migrationskurses angegangen, auf einem Sonderparteitag in Sachsen-Anhalt eskalierten Machtkämpfe entlang der Frage, wie man sich gegenüber der AfD aufstellt. Es entwickelt sich eine ziemlich konsistente Indizienkette, wonach unliebsame Dissidenten isoliert sind – und innerparteiliche Demokratie vulnerabel erscheint. Mit Pragmatismus hat eine derartige Agenda nur wenig gemein. Und wieder einmal erweist sich ein Wettbewerber auf dem ideologischen Tableau als Doppelmoralist, der wesentliche Prinzipien der liberalen Ordnung kurzerhand relativiert. Da etabliert sich ein bedenkliches Phänomen unter jenen, die um ihres Machtstatus willen auf absolute und bedingungslose Geschlossenheit angewiesen sind, dass eigentlich universell geltende Grundrechte einzelfallbezogen interpretiert und bedarfsweise angepasst werden. Denn diese Art der Flexibilität schadet aller Glaubwürdigkeit.