Alexander Tuschinski, privat

Ein Künstler voller Emotionen, Meinungen und Rückgrat: Interview mit Filmregisseur Alexander Tuschinski

Selten in der Geschichte waren wir derart vom Zeitgeist beeinflusst wie im 21. Jahrhundert. Er hat nicht nur Politik und Medien heimgesucht, sondern auch Kunst und Kultur. Dabei sind es doch auch diese Metiers, die als kritischer und reflektierender Spiegel der Gesellschaft nicht sämtlicher Geisteshaltung hinterherrennen sollen, wenn man sie ihnen gerade von progressiver Seite wie das Stöckchen zum Darüberspringen hinhält. Und so ist jede Ausnahme von dieser Regel ein Gewinn. Schließlich gibt es sie noch, die Menschen mit Rückgrat und Vernunft. Sie erweisen sich als ein besonderer Schatz, weil sie oftmals Leumund und Karriere in die Waagschale werfen, um sich treu bleiben zu können.

Und auch unter den Filmemachern und Regisseuren dieses Landes verstecken sich standhafte Felsen in der Brandung, die ihr Genre zum Ausdruck von Meinung und Gesinnung nutzen – ohne sich vom Strom der Mehrheit beirren und von ihrem eigenen Kurs abbringen zu lassen. Auch Alexander Tuschinski, mit ganzem Namen Alexander Konstantin Ritter von Tuschinski, gehört dazu. Der 36-jährige Stuttgarter ist nicht nur Produzent, sondern auch Schauspieler, Autor und Musiker. Er hat internationale Aufmerksamkeit erlangt, weil insbesondere seine Spiel- und Dokumentarfilme bestechend überzeugend, ironisch provokativ und qualitativ von höchster Güte sind. Nicht umsonst war sein Werk „Caligari in the Desert“ bei der 91. Oscarverleihung im Rennen.

Mit dem Journalisten Dennis Riehle sprach er im Interview über seine Motivation, seine Ansichten, seine Schaffenskräfte und seine Ziele – und gab einen persönlichen Einblick in eine zutiefst beeindruckende Biografie.

Dennis Riehle: Lieber Herr Tuschinski, Sie sind Filmemacher, Regisseur, Autor und Musikproduzent. Ein so vielfältiges Portfolio beeindruckt. Vielleicht können Sie in ein paar Sätzen Ihren persönlichen Werdegang darstellen. Waren diese Berufe stets Ihr Traum? Wie haben sich Ihre Vorstellungen diesbezüglich über die Zeit verändert? Und fühlen Sie sich heute angekommen in diesem Ideal, in dem Lebensziel so vieler künstlerischer Fähigkeiten und Fertigkeiten?

Alexander Tuschinski: Es gibt vieles, was ich spannend finde. Meine Eltern ermutigten mich seit meiner Kindheit immer, meinen Interessen nachzugehen. Erste satirische Grafiken und Texte erstellte ich mit acht Jahren am Computer, und ich spielte an der Schule im Theater. Nach dem Abitur überlegte ich, Physik oder klassische Komposition zu studieren, entschied mich aber spontan für Audiovisuelle Medien und anschließend Geschichte. Seit ich 17 war, drehte ich mit der Kamera meiner Eltern kurze, meist lustige Filme. Parallel zum Studium machte ich damit weiter, die Filme wurden größer, es folgten internationale Preise, und so wurde ich als Filmemacher bekannt. Daneben schreibe ich, musiziere, recherchiere historische Themen und lerne gerne Menschen kennen – es gibt viel Interessantes auf der Welt. Als Teenager war mein Traum, Filme mit hohem Budget zu drehen. Inzwischen finde ich erstrebenswerter, sich mit geringem Budget frei und spontan zu entfalten. Ich sehe das Leben als dauernde Suche ohne „Ankommen“: Manche Künstler reproduzieren nach einem Erfolg nur noch Bewährtes, doch mir ist wichtig, immer wieder Neues zu wagen.

Dennis Riehle: Sie sind ja auch als Aktivist bekannt, der gesellschaftskritische Fragen stellt. Insbesondere haben Sie sich mit Corona und den freiheitsentziehenden Maßnahmen während der Pandemie beschäftigt. War dies der Augenblick und Auslöser dafür, dass Sie auch zu einem politischen Menschen wurden?

Alexander Tuschinski: Seit meiner frühen Jugend verfolgte ich die weltweite Politik intensiv, aber bis 2020 behieltich meine Meinung meist für mich. Ich schätze einen vielfältigen Freundeskreis und wollte lieber diplomatisch verstehen als debattieren. Doch ab 2020, besonders 2021, wurde passives Beobachten unmöglich: Als „Ungeimpfter“ wurde ich verurteilt, stark eingeschränkt, und viele Medien sowie Politiker polemisierten und agierten immer offener gegen Menschen wie mich. In meinem Song „The Way“ fasse ich es zusammen: „We stayed as we were, the world turned around.” Es fühlte sich wie eine toxische Beziehung an, in der einem eingeredet wird, man sei selbst schuld an der schlechten Behandlung. Irgendwann dachte ich, wenn ich jetzt nicht auf die Straße gehe und demonstriere, wann dann?

Im Dezember 2021 besuchte ich in Hannover zum ersten Mal eine Demo. Anfangs war ich noch besorgt, erkannt zu werden, aber bald war mir das egal: Ich stehe im Rahmen des Grundgesetzes sachlich für meine Meinung, wenn jemand darauf unsachlich reagiert, trifft mich das nicht mehr. Seitdem war ich auf geschätzt 130 Demos, davon mehr als 50 als Redner.

Die Coronazeit zeigte mir, wie wichtig es ist, zur eigenen Meinung zu stehen. Resignation ist für mich der falsche Weg – eine Gesellschaft kann nur funktionieren, wenn man sich zu Wort meldet. Besonders, wenn versucht wird, bestimmte Meinungen zu diffamieren und sie aus dem Debattenraum zu drängen.

Dennis Riehle: In Ihren Demoreden sprechen Sie immer optimistisch, manchmal auch humorvoll. Vielen fällt es angesichts der ernsten Themen dieser Tage schwer, hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Wie kommen Sie zu Ihrer Einstellung?

Alexander Tuschinski: Unsere Lebenszeit ist begrenzt, je mehr wir davon glücklich verbringen, desto mehr haben wir „gewonnen“. Niemand – weder Menschen im Umfeld, Politiker, Medien noch ein abstrakter „Zeitgeist“ – sollte die Macht haben, unser inneres Gleichgewicht zu zerrütten. Politisches Engagement ist wichtig, und oft berühren oder empören mich Meldungen, Zukunftsängste sind allgegenwärtig. Doch ohne optimistische Grundüberzeugung wird man hoffnungslos, verbittert oder lethargisch und kann wenig bewegen. Während der Coronazeit kontaktierte ich über soziale Medien weitere „Ungeimpfte“ aus meinem Bekanntenkreis, organisierte Gesprächskreise in Stuttgart und tat mein Bestes, optimistische und humorvolle Stimmung zu verbreiten, besonders, als 2G und Impfpflicht drohten. Deshalb drehte ich den Dokumentarfilm „Flüstern und Lachen“ über den Sänger Yann Song King – seine humorvollen Lieder gaben vielen in der Coronazeit Mut. Im Film wird seine Biographie mit der Coronazeit und den Coronademos aus Sicht der Demonstranten verwoben. Zudem beriet ich beim Schnitt von „Freedom Parade – Tanz um dein Leben!“, der Doku über die oft satirischen Aktionen der Berliner „Freedom Parade“, die mit „Captain Future“ in den Jahren 2020-2022 viele Menschen in schweren Zeiten zum Lachen brachen.

Link zu „Flüstern und Lachen“: https://youtu.be/xgs_Y_wNI24?si=VuWNdLY3leuDWblf.

Dennis Riehle: Sie haben für zahlreiche Filme verschiedener Genres Aufmerksamkeit, Lob und Anerkennung geerntet. Bei Ihren Filmen übernehmen Sie zahlreiche Aufgaben, von Kameraführung über Schnitt bis hin zur Filmmusik. Trotzdem sind Sie auf dem Boden der Tatsachen geblieben, eine nahbare und geerdete Persönlichkeit. Es scheint Ihnen nicht unbedingt um eine steile Karriere zu gehen. Was treibt Sie stattdessen an? Was ist Ihre Motivation? Und worin unterscheiden Sie sich zu Ihren Kollegen?

Alexander Tuschinski: Ich folge einem inneren Drang, Filme zu machen, die für mich „existieren müssen“. Dabei übernehme ich viele Aufgaben selbst, um meine Vision bestmöglich umzusetzen und weil es mir Freude bereitet. Auf Filmfestivals habe ich beobachtet: Bei manchen Künstlern steht das Werk im Vordergrund, beim anderen die öffentliche Wahrnehmung, sie schaffen Kunst, weil sie vom Umfeld als „Künstler“ gesehen werden wollen. Ich hoffe, zur ersten Kategorie zu gehören – das können natürlich andere besser beurteilen.

In meinen Spiel- und Experimentalfilmen verarbeite ich Gedanken und Eindrücke, der kreative Prozess ist für mich sehr befriedigend. Besonders liebe ich die Arbeit mit Schauspielern sowie Kameraführung und Schnitt. Meine Dokumentarfilme sehe ich als „Mission“, das Gedächtnis an talentierte, außergewöhnliche Menschen zu bewahren, die keine Selbstdarsteller sind. Beispiele sind Gerda Herrmann („Liedermacherin von Botnang“), Roger Ball („Caligari in the Desert“) und Tomas Kurth, den ich in „Statue of Liberty“ während des Lockdowns porträtiert habe. Solche Filme sind für mich ein Weg, Geschichten festzuhalten, die sonst oft übersehen würden.

Link zu „Statue of Liberty“: https://www.youtube.com/watch?v=F7d6RKMTok4.

Dennis Riehle: In Ihren Werken findet sich auch das Thema Frieden. Wie stehen Sie selbst zum Pazifismus? Und was denken Sie, im Kleinen dafür beitragen zu können, dass Diplomatie und Gespräch wieder mehr Aufmerksamkeit erlangen als die Eskalation von Konflikten?

Alexander Tuschinski: De-Eskalation in Konflikten ist für mich essentiell. Praktisch jeder Konflikt wird immer von beiden Seiten moralisch „gut begründet“ und als alternativlos dargestellt. Die Narrative sind immer gleich – man selbst wollte keinen Krieg, die andere Seite sei unbegründet aggressiv, jetzt sei man gezwungen, bis zum letzten zu kämpfen. Und wenn man nur einer Seite zuhört, klingt es oft sehr überzeugend. Das Resultat ist stets Leid. Deshalb sollte man bei allen medialen und politischen Narrativen sehr aufpassen, nicht von einer Eskalationsspirale mitgerissen zu werden. Man muss sich als Außenstehender nicht für eine Seite entscheiden – Krieg ist kein Wettkampf. Primär sollte es fast immer darum gehen, Gewalt schnellstmöglich zu beenden, statt eine Seite zu besiegen.
Ein einfaches Beispiel: Wenn zwei Menschen auf der Straße streiten, würden die meisten versuchen, sie zu trennen, statt einen von beiden zu bewaffnen. Im Alltag kann man dazu beitragen, indem man sachlich auf unterschiedliche Perspektiven hinweist. Das Internet ermöglicht den Zugang zu weltweiten Ansichten und Informationen, die solche Gespräche unterstützen. Ziel sollte sein, generell für De-Eskalation einzutreten, anstatt in Lagern zu denken.

Dennis Riehle: Ihr vollständiger Nachname ist „Ritter von Tuschinski“, Sie entstammen einer adeligen Familie aus der ursprünglich österreichischen, später rumänischen Bukowina. Im rumänischen Sozialismus verlor Ihre Familie fast allen Besitz und hatte gesellschaftliche Nachteile. Hat Sie Ihr familiärer Hintergrund politisch geprägt?

Alexander Tuschinski: Ich bin derzeit der einzige Nachkomme meiner Linie seit 1839. Zwischen den Weltkriegen war mein Urgroßvater Demeter Oberlandesgerichtspräsident im rumänischen Czernowitz. Er galt als besonders tolerant. In einer damaligen Zeitung stand, er sei immun gegen politische Strömungen von links oder rechts. „Leben und Leben lassen“ war ihm sehr wichtig, und er war überzeugt, dass Freiheitsrechte nicht von Denkmoden abhängen dürfen. Er setzte seine Energie gezielt dort ein, wo Veränderungen möglich waren, und mied im Privaten fruchtlose Diskussionen, die nur Energie zogen aber nichts bewirkten. 1938 wurde er vorzeitig pensioniert, als Rumänien autoritärer wurde. Erzählungen über ihn waren mir seit meiner Kindheit präsent.

Mein Großvater Constantin veröffentlichte bis 1940 politische und historische Analysen, darunter 1933 eine Broschüre über Ideen zu einer Europäischen Union. Nach der Flucht aus ihrer Heimat lebten meine Großeltern ab 1944 im rumänischen Schäßburg in bescheidenen Verhältnissen, bewahrten aber ihren Humor. Constantin riet meinem Vater, sich stets genau an eigene Beobachtungen zu erinnern, da Geschichte oft nach einigen Jahren im Sinne des Zeitgeistes umgeschrieben werde.

Mein Vater Paul (*1945) stand mir besonders nahe. Er lehrte mich früh, Autoritäten grundsätzlich zu hinterfragen – sei es im Alltag oder in der Politik. Er schaffte es, auch schwierige Situationen humorvoll zu sehen. Geprägt durch den Sozialismus war er zugleich vorsichtig, seine Meinung öffentlich zu äußern. Seit den 1990ern sah er die zunehmend verengende Debattenkultur und die „politische Korrektheit“ in Deutschland sehr kritisch. Er meinte, allein der Begriff impliziere bereits sprachlich, dass „politisch korrekt“ anders sei als „faktisch korrekt“. Er starb 2009, und sein Einfluss prägt mich bis heute: Ich halte nichts davon, dem jeweils aktuellen Zeitgeist zu folgen, sondern sage das, was ich selbst für richtig halte – unabhängig davon, ob es gerade als „politisch korrekt“ gilt.

Dennis Riehle: Können Sie abschließend noch einen Einblick in Ihr Repertoire geben? Wo kann man Ihre Schaffenskraft, Ihr Können und Ihre Ergebnisse bewundern? Und was sind Ihre nächsten Projekte?

Alexander Tuschinski: Derzeit arbeite ich am Feinschliff des autobiographischen Dokumentarfilms „Cutting Squares“. Der Film ist mir besonders wichtig und geht auch auf Demos und Politik ein. Einen Überblick über mein Schaffen bietet meine Website www.alexander-tuschinski.de. Meine Werke veröffentliche ich oft im Internet, auf Youtube habe ich beispielsweise einen Kanal für meine Filme, sowie einen separaten für politische Reden und Interviews. Meine Bücher kann man im Buchhandel bestellen. Zudem bin ich auf sozialen Medien aktiv: Bei Telegram und X schreibe ich meist Politisches, während ich auf Facebook und Instagram auch zahlreiche weitere Dinge poste, die mich beschäftigen.

Dennis Riehle: Ich danke Ihnen für Ihre Antworten!


Externe Links:

Rede zu politischer Korrektheit: https://www.youtube.com/watch?v=lsUZ8WEGdkg

Rede zu Frieden: https://www.youtube.com/watch?v=IRs31jAQTPI

Rede zu „Links / Rechts“: https://www.youtube.com/shorts/af5YhRuNh9k

Online-Präsenzen:

Offizielle Website: www.alexander-tuschinski.de

Telegram: www.t.me/AlexanderTuschinski

Plattform X: @A_Tuschinski

Youtube (Filme): https://www.youtube.com/@AlexanderTuschinski

Youtube (Reden): https://www.youtube.com/@AlexanderTuschinskiReden