Quelle: Clipdealer.de, B57321333, Erworbene Standardlizenz.

Gestalten statt verwalten: Wann entsagt die AfD der Mentalität des bloßen Bewahrens und Pflegens, um zu verändern und zu rebellieren?

Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Strategie der AfD: Rechts dreht auf“ (aus: ZEIT ONLINE vom 18.06.2025)

Quo vadis, liebe Alternative für Deutschland? Wohin geht es also mit einer Partei, die im Augenblick weiterhin beste Chancen hätte, ihr Stammwählerpotenzial zu festigen, um gleichzeitig den Vorsprung der CDU zu verkleinern? Tatsächlich spielen ihr die zahlreichen außenpolitischen Konflikte, welche fast stündlich neu auf das Tableau gelangen, nicht wirklich in die Hände. Intern tobt nämlich ein Streit über die Frage, ob man für die Ukraine oder Russland, für Israel oder den Iran sein soll. Selbst beim Leib- und Magenthema Frieden gibt es teils diametral unterschiedliche Auffassungen. Und wäre all das nicht schon genug, wurde nunmehr ohne Not eine Debatte über die Neudefinition des Volkes vom Zaun gebrochen, die letztendlich vor allem deshalb geführt wird, will Maximilian Krah offenbar dem Verfassungsschutz imponieren – und schon einmal für eine etwaiges Verbotsverfahren in Karlsruhe vorbauen. Dass er sich dabei immer wieder auf bestehende Gesetze stützt und und suggerieren möchte, als seien Paragrafen nun einmal da und somit unveränderlich, zeugt von wenig Verständnis für das Dasein als Politiker, der eigentlich gestalten denn verwalten sollte.

Denn die Legislative ist nicht angetreten, um das Bestehende zu pflegen. Sondern es zu reformieren, umzuschreiben und im Zweifel sogar abzuschaffen. Wer das bloße Staatsbürgertum von der ethnisch-kulturellen Komponente entkoppelt, um damit den Weg für ein Sammelsurium von Individuen aus Nah und Fern zu ermöglichen, die am Ende die Demokratie schon allein deshalb nicht mehr mit Leben füllen können, weil ihnen abseits eines Passdokuments jedwede Orientierung, Stabilität und Grundlage für einen gemeinsamen Geist fehlen, zieht sich zurück auf die Position, der Judikative komme ein absolutes, unfehlbares und endgültiges Wort zu, dem man selbst dann nicht in die Parade fahren dürfe, wenden sich deren Entscheidungen gegen internationale Konventionen oder die Unversehrtheit einer ganzen Gesellschaft. Man öffnet die Büchse der Pandora, obwohl man doch so viele andere Fässer hätte aufmachen können. Viele Anhänger und Unterstützer interessieren beispielsweise die Positionen hinsichtlich der Rente, der Wirtschaft, des Wohnungsmangels, der Gesundheitsversorgung, der Bildung, der Infrastruktur, der Bürokratie oder des Arbeitsmarktes.

Diesbezüglich erfahren wir jedoch wenig, reduziert man sich bisweilen nahezu populistisch auf die Migration, welche zwar durchaus als Mutter vieler Probleme bezeichnet werden kann, aber nicht allein durch den ständigen Leierkasten einer Umkehr von Merkels historischem Kardinalfehler zum Ausdruck von inhaltlicher Lösungskompetenz mutiert. Es braucht etwas mehr Substanz, Konzeption und vor allem Unbeirrtheit, nicht über das Stöckchen des linksgrünen Kartells zu springen und sich um der Regierungsfähigkeit und Koalitionsbereitschaft willen der Moral zu unterwerfen oder in Anpassung gegenüber dem Zeitgeist zu verfallen. Solange jeder sein Süppchen kocht, um selbst den Boden des Minimalkonsenses zu verlassen, schadet Ansehen und Glaubwürdigkeit ganz enorm – und hinterlässt nicht völlig ohne Argument den Anschein mangelnder Professionalität und Routine. Katholiken feiern am heutigen Donnerstag Fronleichnam, um sich in der Anwesenheit Jesu zu einer Einheit zu bekennen. Wäre das vielleicht auch ein Vorbild für die AfD, welche in Vielstimmigkeit strauchelt, weil sich manch ein Egozentriker dem Reiz der One-Man-Show nicht entziehen kann?