Quelle: Clipdealer.de, B164475428. Erworbene Standardlizenz.

Heiligenverehrung in Grün und Blau: Wird Weidel in die gottgleichen Fußstapfen eines angehimmelten Habeck treten?

Kommentar von Dennis Riehle

Wer Journalismus mit Leidenschaft und Akribie betreiben will, der muss mit dem Umstand klarkommen, dass dieser Beruf im besten Falle ziemlich undankbar ist. Denn man sollte idealerweise mit der Tatsache einverstanden sein, sich prinzipiell in alle Richtungen Kritik, Zweifel und Skepsis zu bewahren, ohne allzu offensichtlich, regelmäßig und immanent in Fürsprache gegenüber einer bestimmten politischen Kraft zu verfallen. Und so ist es das Normalste der Welt, dass man als Presseschaffender auch dann Distanz zur Alternative für Deutschland übt, sollte man als Privatmensch eine parteiliche Präferenz für sie haben. Daher komme ich auch nicht umhin, an der nunmehr gekürten Kanzlerkandidaten Alice Weidel und einem unbedingt Eindruck schindenden Auftritt auf dem Parteitag in Riesa Widersprüche zu benennen, die mir nicht erst seit dem Talk mit Elon Musk aufgefallen sind. Und von denen ich denke, dass man sie nicht aus einer falschen Rücksichtnahme auf den momentan stattfindenden Schlagabtausch um die besten Lösungen für unsere Zukunft verschweigen sollte. Denn bei allem Wahrnehmen von Befindlichkeiten ist es mit Glaubwürdigkeit verbunden, sich selbst nicht zu verstellen.

Dass sich die studierte Volkswirtschaftlerin dazu durchgerungen hat, vor dem versammelten Publikum im Saal das böse Wort der Remigration in den Mund zu nehmen, weil es eben so sein soll, kann man als einen Dammbruch bezeichnen, wenn man den Leitmedien in diesem Land angehört. Denn die werten Haltungskollegen haben bis heute nicht begriffen, dass es sich um einen Terminus handelt, der seit den 1980er-Jahren in der deutschen Verwaltung nicht nur gängig ist, sondern zum standardisierten Vokabular gehört, wenn es um legitime Abschiebungen und Rückführungen von abgelehnten Asylbewerbern geht. Ich empöre mich weniger über die Verwendung dieser vollkommen unanrüchigen Buchstabenfolge, hinter der sich die eigentlich selbstverständliche Forderung nach Ausweisung aller illegal Eingereisten verbirgt. Stattdessen bin ich mir nicht sicher, ob die Vorsitzende der AfD mit Haut und Haar hinter diesem Programmpunkt steht. Wirkte doch die Formulierung ihrer Sätze einigermaßen abgenötigt, nicht zwingend aus Inbrunst oder gar eigenem Antrieb heraus gewählt. Zwar konnte man eine rote Linie im Konzept der 45-Jährigen erkennen. Ob sie belastbar und tragfähig gewesen ist, bleibt eine andere Frage. 

Ich habe selbst viele Reden für Amts- und Mandatsträger verfasst. Und deshalb weiß ich, dass nicht selten die Anforderung ist, ein Manuskript zu schreiben, das das Publikum begeistert oder gar in euphorische Ekstase versetzt, aber nicht immer mit der tatsächlichen Überzeugung des Vortragenden konformgehen muss. Für mich gibt es nichts daran zu rütteln, dass sich die Gütersloherin überaus kämpferisch und an vielen Stellen mehr als solide gab, als sie wesentliche Positionen zu Transformation, Wirtschaftsstandort, innerer Sicherheit, Zeitgeist oder Meinungsfreiheit referierte. Und sie mag in der jetzigen Situation die adäquate Führungsfigur sein, mit der sich auch deshalb noch weitere Prozente erringen lassen dürften, weil sie an vielen Stellen durchaus Brücken bauen kann zwischen den unterschiedlichen Lagern und Flügeln ihrer durchaus heterogenen Mannschaft. Und natürlich kann man in ihrer Lage nur allzu sehr nachvollziehen, dass sie es möglichst vielen Recht machen will, um Geschlossenheit und Zusammenhalt zu demonstrieren. Das ist normal und gängig, birgt aber auch das Risiko, bisweilen als unstet und ohne Deckungsgleichheit zu wirken.

Daher steht sie unter einem gewissen Druck und ist manchen Zwängen ausgesetzt, die man bei der Beurteilung berücksichtigen muss. Nachdem sie unsere Nation aber korrekterweise als einen Sklaven der USA darstellte, um sich sodann mit einem amerikanischen Multimilliardär ziemlich harmonisch und plänkelnd zum virtuellen Stelldichein zu verabreden, mangelt es für meinen Geschmack an einer gewissen Authentizität. Das gilt auch hinsichtlich der Einlassung, wir müssten bedarfsweise sogar die Erwartung von Donald Trump nach mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung mit noch höheren Zahlen übertrumpfen. Passt das mit einem pazifistischen Weltbild zusammen, das die Blauen vor allem im Osten hochhalten? Und wird es tatsächlich auch dann zu einer umfassenden Trendumkehr bei den vielen Schutzsuchenden kommen, die millionenfach ohne dauerhafte Aufenthaltserlaubnis lediglichen Gaststatus besitzen, wenn Tagesschau oder ZDF wider besseres Wissens das Ansinnen von Deportation gebetsmühlenartig suggerieren? Nun kommt es also darauf an, dass sich das biblische Zitat bewährt: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen!“ (1. Johannes 2). Und hierauf blicke ich durchaus mit erwartungsvoller Hochspannung.