Kommentar von Dennis Riehle
Sie ist die typische Überheblichkeit des Wertewestens, die wieder einmal zuschlägt. Wenn es nicht nach dem Kopf von Berlin, Paris oder Brüssel geht, so legt man manch einem EU-Mitgliedsland ungeniert und in völliger Hochmut den Austritt nahe. Dass wir noch immer ein Staatenbund sind, in dem jede einzelne Nation souverän entscheidet – und vor allem die Bürger eine freie Wahl zwischen den kandidierenden Kräften haben, mögen vielleicht diejenigen vergessen haben, die auch in unserem Land ohne Scham all jene ausgrenzen, gängeln und unterdrücken, die ihre Sympathie mit der konsequent agierenden und sich den Mund nicht verbieten lassenden Opposition erklären. Denn es sind diese Segregierten, die eine Abkehr von vielen Entscheidungen der Gegenwart versprechen, welche unter anderem auch der Bürokratenapparat von Ursula von der Leyen täglich neu an Bevormundung beschließt. Es ist den Menschen in der Slowakei keinesfalls zu verdenken, dass sie sich mehrheitlich für den Politiker ausgesprochen haben, der keinen Beitrag seines Landes mehr dafür leisten will, den Krieg in der Ukraine bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verlängern. Insgesamt nehmen über die gesamte Europäische Union Zweifel und Skepsis zu, welchen Sinn die immer neuen Waffenlieferungen an Kiew haben sollen. Nachdem unsere Freiheit nicht am Hindukusch verteidigt wurde, dürfte unsere Integrität auch nicht im Donbass geschützt werden. Es mag eine verbitternde Einsicht und ernüchternde Erkenntnis sein, dass sich im Zweifel auch im 21. Jahrhundert Grenzen in unseren Breiten mit Gewalt verschieben lassen. Wir können nun auf unser Ideal pochen, dass Putin diese Auseinandersetzung zumindest nicht auf dem Schlachtfeld gewinnen darf. Doch Utopien haben in einer Realität, in der jeden Tag weitere Menschen leiden und sterben, keinen ethisch vertretbaren Platz.
Es stünde Europa gut zu Gesicht, wenn es endlich wieder zu mehr eigener Souveränität gelangt und sich nicht als ein Spielball versteht, der sich in einer falschen Eingleisigkeit einem transatlantischen Bündnis verschrieben hat – aber gleichzeitig vor allem geopolitisch in einem kontinentalen Gefüge mit Russland steht. Wir haben uns zu einem Ausverkauf unserer Munition an Selenskyj entschieden – stehen als Bundeswehr mittlerweile aber derart blank da, dass wir uns nicht einmal mehr eine abhörsichere Kommunikation leisten können. Über Jahrzehnte haben wir die völlig falsche Prioritätensetzung fortgeschrieben, uns in sämtliche Konflikte auf diesem Globus einzumischen – weil wir überall unsere Interessen bedroht sahen. Doch was wäre es für eine kluge Aussicht, den Fokus auf uns selbst zu richten. Nicht nur hinsichtlich der Migration dürfte es ein wichtiger Schritt in Richtung eigenständiger Zukunft sein, uns nicht mehr für jedes Lebensschicksal in aller Herren Länder verantwortlich zu fühlen, sondern uns zunächst einmal um die Hilfebedürftigen in unseren eigenen Reihen zu kümmern. Dass die Konzentration auf mehr Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Autonomie nicht nur entsprechenden Raum für eine Konsolidierung unserer Armee bieten würde, sondern ein Verständnis als neutraler Diplomat im Herzen der EU auch manche strategische Gefahr abwenden könnte, welche derzeit von Pistorius, Kiesewetter, Strack-Zimmermann oder Hofreiter als Schreckensszenario für die kommenden sieben bis acht Jahre an die Wand gemalt werden, wollen natürlich jene nicht bedenken, die schon allein aus wirtschaftlichen Gründen auf Kriegstüchtigkeit ausgerichtet sind.
Denn es passt nur allzu gut in das Bild der ökologischen Transformation, die die bewährte, funktionierende und zuverlässige Ökonomie, welche uns über die vergangenen Jahrzehnte Wohlstand, Wachstum und Prosperität gebracht hat, zugunsten einer Erneuerbaren-Industrie niederreißen möchte. Es braucht neben dem etwas kargen Unternehmenszweig der Herstellung von Windrädern, Photovoltaikanlagen oder Wärmepumpen eine gewisse Diversifizierung im Sinne grüner Doppelmoral. Und da ist das Ankurbeln der Produktion von Panzern, Raketen und Helmen doch ein erstklassiges Pendant, um die Ideologie dieser Partei im Jahr 2024 zu komplettieren. Doch dass sich nun gleich mehrere europäische Partner, darunter auch Ungarn, nicht mehr der weltanschaulichen Übermacht der Deutschen unterwerfen wollen, ist eine bedeutsame Zäsur und eine Rote Karte. Immerhin ist es auch eine wachsende Zahl an Wählern hierzulande, die die Bundesrepublik auf dem völlig falschen Kurs sieht – und das nicht nur verteidigungs-, sicherheits- und außenpolitisch. Denn die bedingungslose Solidarität mit einem angegriffenen Volk aus der mittelbaren Nähe mag in derselben Nächstenliebe ein hehres Ansinnen sein, die auch als Rechtfertigung dafür herangezogen wird, jeden Schutzsuchenden auf diesem Erdball mit offenen Armen zu empfangen. Doch es sind gerade Staaten wie die beiden genannten, die derzeit den Gegenwind von besserwissenden Politikern aus der dritten Reihe des deutschen Parlaments zu spüren bekommen, die mit dem Finger zu Recht auf uns zeigen. Unsere Hypertoleranz, Barmherzigkeit und Selbstlosigkeit haben die EU in gefährliches Fahrwasser gebracht. Daher steht es explizit uns nicht zu, diejenigen zu moralisieren, welche an die erste Stelle ihres Handels ihr eigenes Land stellen. Mögen Budapest und Bratislava den Halbstarken aus unserem Bundestag die Stirn bieten. Es tut ja sonst keiner.