Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „BSW gibt sich neue Führungsriege – und neuen Parteinamen“ (aus: DER SPIEGEL vom 06.12.2025)
Das Kürzel bleibt, der Langname kommt künftig ohne die Gründerin aus: Nachdem sich Sahra Wagenknecht aus der Führungsebene ihrer initiierten Partei zurückgezogen hat, wollte sich das BSW auch im Titel von einer Personenfokussierung lossagen. So ist man künftig – offiziell ab 1. Oktober 2026 – das „Bündnis für Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“, entschied die Delegiertenversammlung in Magdeburg. Der Ort war offenbar nicht grundlos gewählt, bestimmt Sachsen-Anhalt im kommenden Jahr sein Landesparlament neu. Und tatsächlich muss das junge Projekt in den Umfragen vielerorts um seine Bedeutung fürchten. Auch wenn man in Sachen Mitgliederzahl stark gewachsen ist, so haben vor allem interne Rivalitäten, fehlende Geschlossenheit, Rück- und Austritte das Interesse und die Aufmerksamkeit an den Violett-Orangenen erheblich geschmälert. Die neue Doppelspitze aus Fabio De Masi und Amira Mohamed Ali wurde dennoch mit überwältigender Mehrheit abgesegnet, die Einrichtung einer Grundwertekommission soll nicht nur das inhaltliche Profil stärken. Stattdessen ist man wesentliche Schritte auf dem Weg zur Professionalisierung gegangen.
Ein Parteitag mit auffallend großer Harmonie – trotz interner Querelen und Rivalitäten…
So wird auch die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Resultat vom 23. Februar 2025, bei dem man nur äußerst knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, nach dem Willen der Basis fortgesetzt. Immerhin entscheidet sich an einer Neuauszählung neben dem Einzug ins Berliner Plenum auch, ob die schwarz-rote Koalition und Kanzler Friedrich Merz überhaupt legitim im Amt sind. Die Generaldebatte war von kämpferischen, kritischen und einheitlichen Tönen geprägt. Der Fokus lag auf Friedenspolitik, der Ablehnung des Wehrdienstes, Skepsis gegenüber der NATO und der Forderung nach Energieimporten aus Russland. Selbstreflektierende Redebeiträge zu internen Konflikten und der Wahrnehmung als „Linke 2.0“ konnten den dominierenden Optimismus und die spürbare Entschlossenheit nicht trüben. Insgesamt gestaltete sich die Atmosphäre als überaus gesittet, Standing Ovations für pragmatische Beiträge waren häufig, Ermahnungen wegen Buhrufen dagegen eher die Ausnahme. Man wolle sich ökonomisch und gesellschaftlich pragmatisch geben, weiterhin das Augenmerk auf Pazifismus und die Rolle als Opposition zur Aufrüstung der Mächtigen legen.
Der Fokus bleibt auf Frieden und Gerechtigkeit, das Profil soll aber erweitert werden…
Generalsekretär Christian Leye erhielt starken Beifall für seine Widerspruch zum möglichen Losverfahren bei der Rekrutierung neuer Freiwilliger für die Armee, Amira Mohammed Ali sprach mit Blick auf die Konkurrenz von „Westentaschenrevolutionären“, brandmarkte den Wahlprüfungsausschuss für seinen „Bummelstreik“. Der Thüringer BSW-Politiker Robert Schütz mahnte an, nicht „Krieg gegen Kritiker zu führen“. Klaus Ernst ermutigte zu einer regierungsfähigen Agenda, Zaklin Nastic fand scharfe Worte für die transatlantische Allianz. Man wolle sich auch in anderen Themen künftig eindeutiger festlegen, war am Mikrofon mehrmals zu vernehmen. Der Streitpunkt der Brandmauer wurde deutlich milder diskutiert, als Beobachter dies erwartet hätten. „Unsere Gegner haben sich zu früh gefreut. Unsere größten Erfolge liegen nicht hinter uns, sondern noch vor uns“, unterstrich Sahra Wagenknecht, die auch an eine schwierige Gründungsphase mit Querulanten und Spaltern erinnerte, um gleichzeitig die Ausgrenzung der AfD als „unendliche Dummheit“ zu bezeichnen. Kurzum: Man ist erwachsener geworden, ein Abschreiben unter ferner liefen wäre tatsächlich zu voreilig.







