Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Neue Schlammschlacht AfD-Spitze in NRW gibt sich offenem Machtkampf kurz vor Kommunalwahl hin“ (aus: „Rheinische Post“ vom 23.07.2025)
Es ist nichts wirklich Neues, aber ich bekenne mich immer wieder: Zwar bin ich in meiner beruflichen Funktion als Journalist zur Objektivität und Unabhängigkeit angehalten, um zwar nicht ideologisch und moralisch vollkommen neutral zu sein, aber mich doch in die Lage versetzen zu können, den Blick über meine individuellen Präferenzen hinaus zu weiten. Daneben fungiere ich auch als Wähler und Bürger dieses Landes, der auf dem Stimmzettel ein Kreuz aus mehr oder weniger Überzeugung setzt. Früher tat ich dies eher bei SPD und Grünen, seit geraumer Zeit aber ausdrücklich bei der AfD. Trotzdem ist damit keine Liebesheirat verbunden, prädestiniert sich eine politische Kraft ohnehin nicht für die Ehe.
Denn da spielt am Ende zu viel Pragmatismus mit, um sich in gänzlicher Naivität und schlichtem Vertrauen blind auf eine Beziehung einzulassen, die stattdessen von der Erwartung getragen sein sollte, inhaltlich wie argumentativ Antworten und Lösungskonzepte auf die Fragen der Gegenwart geliefert zu bekommen. Doch wird die Alternative für Deutschland diesem Anspruch gerecht? Und kann man im Zweifel darüber hinwegsehen, dass sie im Augenblick vom Versagen ihrer Konkurrenten profitiert, ohne sich selbst um Profil und Programmatik zu bemühen? Kann es ausreichen, die Hände in den Schoß zu legen und genüsslich dabei zuzusehen, wie die Prozente der CDU purzeln?
Wo gehobelt wird, fallen bei der AfD manchmal ganze Balken!
Ich gebe ehrlicherweise zu, selten aus ihr schlau zu werden. Mein Unverständnis hängt nicht zuletzt auch damit zusammen, dass in kaum einer anderen Gruppierung so viele divergierende Strömungen, Interessen und Lager beheimatet sind, die teils in diametral unterschiedliche Richtungen agieren. Da treffen die Unterstützer der Ukraine auf Befürworter von Putin, Libertäre auf Sozialstaatstragende, Friedensanhänger auf Kriegstüchtige, Remigrationisten auf Binnen-Ethnopluralisten. Der altgediente Alexander Gauland sprach nicht umsonst von einem „gärigen Haufen“, zerfleischt sich aktuell beispielsweise der Landesverband in Nordrhein-Westfalen an den Personalien Schramm und Helferich selbst.
Auch sucht man nach einem stringenten Kurs im Umgang mit Maximilian Krah, streiten sich die unterschiedlichen Flügel über eine geforderte Mäßigung im Bundestag, entbehrt der Vorstand offenbar einer erwartbaren Professionalität in den sozialen Medien. Gleichsam sind es immer wieder anstößige Aussagen einzelner Vertreter und Funktionäre, die sogar ein Stammklientel vergraulen können, fehlt es ihnen oftmals an Differenzierung und Sensibilität für die Wirkungskraft von Polarisierung und Konfrontation. So wankt mein Zuspruch nicht etwa deshalb, weil es mir an einem Glauben für Veränderung fehlen würde. Ganz im Gegenteil, denn ich bin mir im Klaren darüber, dass es Aufstand braucht.
Das Vertrauen in die Tölpelhaftigkeit der Anderen ist kein überzeugendes Konzept!
Doch wenn ich auf substanzielle Antworten hinsichtlich der Probleme und Sorgen des kleinen Mannes ebenso lange warten muss wie auf eine Erkenntnis der Sprecherin aus Köln-Mülheim, Iris Dworeck-Danielowsk, die als Antwort auf ein Meme des Landtagsabgeordneten Klaus Esser unter dem Titel „Mehr Akzeptanz für Homosexuelle? Islamisten abschieben“ die schlichte Kommentierung hinterließ: „Immer wieder begegnet einem innerhalb der AfD Empörung wenn Muslime ihre Stimme gegen Regenbogenpropaganda, CSD usw. deutlich erheben. Plötzlich sind wir die Verteidiger der Homo-Lobby und eines hedonistisch-liberalen Lifestyles“, dann frage ich mich als schwuler Mann durchaus, wie solche Einlassungen gemeint sind.
Und ob man zwischen verantwortungsvoll und vor allem im privaten Umfeld gleichgeschlechtlich liebenden Menschen einerseits und weltanschaulichen Propagandisten oder sittenwidrigen Fetischisten andererseits nicht zu unterscheiden weiß. Verallgemeinerungen dienen regelmäßig der Sippenhaft und Ausgrenzung. Eigentlich sollte gerade diese Partei solche Manöver bestens kennen, wird sie doch ebenfalls isoliert und gebrandmarkt, ohne Rücksicht auf die klare Trennlinie zwischen Striktheit und Extremen. Natürlich kann man mit Polemik und Populismus einen Blumentopf gewinnen. Zu sehr viel mehr wird Generalisierung um der Spaltung Provokation willen nicht taugen, sieht Sachdebatte doch gänzlich anders aus.