Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „Söder mahnt nach gescheiterter Merz-Wahl zur Besonnenheit und erinnert an Weimar“ (aus: „Stern“ vom 06.05.2025)
Es waren große Töne, die angesichts der gescheiterten Kanzlerwahl im ersten Durchgang von denjenigen in die Kameras posaunt wurden, welche nicht etwa auf die eigene Verantwortung für dieses Debakel eingehen wollten, sondern daran erinnerten, dass man der jüngst durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD eine durchaus veritable Staatskrise nicht zur Ausschlachtung überlassen dürfe. Parallelen in die Weimarer Republik wurden gezogen, um wieder einmal in einer mit fulminanten Geschichtsvergessenheit zu suggerieren, dass sich dieses Land auf dem Weg in Richtung des möglichen Revivals von 1933 befinde. Wer sich mit der Historie intensiver beschäftigt, wüsste um die diametralen Unterschiede zwischen damals und heute. Doch im Zweifel hilft auch die beste Bildung nichts, wenn es vornehmlich darum gehen soll, bezüglich der ungeliebten Opposition nach dem Credo zu agieren: Aus den Augen, aus dem Sinn. Zwar erteilte der künftige Innenminister Dobrindt einer Welle von Forderungen kurzerhand die klare Absage, dass es für Beamte Konsequenzen geben müsse, die weiterhin den Alternativen ihre Stimme geben – oder sich beispielsweise auf digitalen Plattformen öffentlich zu ihr bekennen. Trotzdem hat die Stimmung bei uns ein Niveau erreicht, welches man aus der Dämmerung sich anbahnender Autokratien und Totalitarismen allzu gut einzuordnen weiß.
Da werden Menschen zu Freiwild erklärt, die ihr Recht auf unbehelligte Wahl in Anspruch nehmen wollen, weil sie sich nicht auf das Urteil einer Behörde verlassen, die ohne fachliche Überprüfung einem Gutachten Glauben schenkte, welches sich offenbar in der Aneinanderreihung von Zitaten und Forderungen unterschiedlichster Abgeordneter wie Funktionäre der Blauen erschöpft, die jeder Bürger mit Verstand und Pragmatismus als allzu legitim, nachvollziehbar und erforderlich betrachten muss. Denn nur derjenige kann sich an der Erwartung stören, dass eine souveräne Nation eigenmächtig darüber bestimmt, wer ihr Territorium von außen betreten darf, dem es an jeglichem Gewissen für eine unversehrte Zukunft des Volkes mangelt. Die Hetze auf ein Viertel unserer Bevölkerung macht deutlich, wer sich in diesen Tagen dem Vorwurf ausgesetzt fühlen muss, das „Nie wieder“ doch noch zu relativieren. Es sind gerade nicht Alice Weidel oder Tino Chrupalla, sondern Lars Klingbeil, Saskia Esken, Felix Banaszak oder Britta Haßelmann, die mit ihrer ständigen Demagogie und Agitation dafür Sorge tragen, dass diese Gesellschaft weiter polarisiert wird, um im Zweifel jene gänzlich an den Rand zu drängen, die sich nach einer Heimat ohne Messergewalt, Toleranztrunkenheit und Masseneinwanderung sehnen, dafür aber innere Sicherheit und eine verlässliche Rente beanspruchen.
Das demokratische Gefüge steht nicht deshalb auf dem Spiel, weil eine Partei die Weiterentwicklung von repräsentativen in Richtung plebiszitärer Verhältnisse anstrebt – oder die Europäische Union in ihrer jetzigen Variante eines bürokratischen Überbaus mit aus den Angeln gehobenen Kompetenzen ablehnt. Stattdessen sind es die vehementen Rufe nach einem Intervenieren von Karlsruhe, das in seiner bisherigen Rechtsprechung allerdings deutlich machte, dass das Verbieten eines politischen Wettbewerbs die absolute Ausnahme bleiben muss, die zündeln. Solange allein auf ethnische Unterschiede aufmerksam gemacht wird, ohne den Fremden pauschal zu diskreditieren oder ihn als unwertes Wesen zu betrachten, liegt offensichtlich kein Verstoß gegen Art. 1 GG vor. Entsprechende Urteile unterstreichen auch, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz eben nicht dazu verpflichtet, In- und Ausländer generell mit selben Befugnissen auszustatten. Von niemandem kann abverlangt werden, die momentane Herrschaftsform als die einzig wahre und ideale zu definieren. Und ohne eine erkennbare Bereitschaft, mit den Prinzipien einer liberalen Ordnung in einen aggressiven wie kämpferischen Konkurrenzkampf zu treten, wird es von Seiten der roten Roben kein grünes Licht für ein Dekret geben. Das mag im Gleichschritt marschierende Marionetten enttäuschen. Doch die Wahrheit hat am Ende meist obsiegt.
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