Kommentar von Dennis Riehle
Was ist der Unterschied zwischen einem CSD und dem ESC? Richtig, es gibt keinen mehr. Was waren das noch für Zeiten, als Nicole beim Grand Prix Eurovision de la Chanson um ein bisschen Frieden warb, Udo Jürgens „Warum nur“ fragte, Joy Fleming das Lied als eine Brücke sah oder Wencke Myhre „ein Hoch auf die Liebe“ sang. Doch spätestens mit dem Erfolg von Conchita Wurst verwandelte sich eine einst von nahezu dem gesamten Erdball mitverfolgte Musikveranstaltung in Richtung eines zeitgeistigen Events, auf dem es nicht mehr um gesangliche Kunst ging, sondern um ein provokatives, konfrontatives und pervertiertes Anbiedern einer queeren Philosophie an die Vernunft. Schlussendlich liegt man mit dieser Verwandlung heutzutage nur allzu voll im Trend. Denn gerade in unseren westlichen Zivilisationen verankert sich mehr und mehr eine Ideologie der völligen Preisgabe von Sittlichkeit, Normativität und Tugendhaftigkeit. Wie es auch die irritierenden Paraden sind, auf denen sich die LGBTIQ-Bewegung mit ihrer Obszönität als Gegenentwurf zum Konservativismus brüstet, soll nun auch die große Bühne dafür herhalten, eine Vision von Transhumanismus zu etablieren, in der sich der Mensch wechselweise als divers, Tomate, Orchidee oder Kaninchen betrachtet – und die Öffentlichkeit an der persönlichen Hilflosigkeit teilhaben lässt, auch nach Jahrzehnten auf diesem Globus noch immer nicht zu sich gefunden zu haben. Es ist das Herausfordern unserer moralischen und kollektiven Prinzipien durch eine desillusionierte Klientel an strauchelnden Nonkonformisten, die ihre Sexualität nach außen tragen müssen, weil es ansonsten wenig gibt, worauf sie stolz sein könnten. Daher schippern sie lieber bis zum Sanktnimmerleinstag auf dem Ozean der Sinnsucher. Denn einen Heimathafen anzulaufen, das würde ihrem Naturell des ständig Reisende nicht gerecht.
Als homosexueller Mann empfinde ich nicht nur ein Befremden, wenn ich auf diese pinken Zeitgenossen blicke. Sondern ich hege ihn mir auch eine große Portion an Ekel und Abscheu. Und ich entwickle ein gewisses Mitgefühl mit denjenigen, die zur Aufgabe jedweder Authentizität bereit sind, um sich nicht irgendwann doch einmal festlegen zu müssen. Während sie sich offenbar in der Situation sehen, dauerhaft keine Wesenseinheit eingehen zu wollen, war es für mich nie ein Anliegen, meine geschlechtliche Präferenz jedem Vorbeikommenden auf die Nase zu binden. Meine Definition erfolgte stets über mein Menschsein. Dass ich nebenbei schwul bin, das ist für mich ein selbstverständliches, aber eben kein vorrangiges Persönlichkeitsmerkmal, welches auch noch ansatzweise dafür geeignet wäre, es meinem Gegenüber als erste Information über mich entgegenzuwerfen. Schließlich gibt es wesentlich entscheidendere Charaktereigenschaften, welche meine Authentizität ausmachen. Deshalb schmücke ich meine Fenster auch nicht mit einer Regenbogenfahne. Denn wenn ich sie doch dekorieren wollte, genügte für mich Schwarz-Rot-Gold allemal. Ich habe mich auch nie in der sogenannten Community aufgehalten, die den ganzen Widerspruch eines Sammelbeckens an rosafarbenen Heimatlosen offenbart. Sie fordern einerseits eine Integration in die Gemeinschaft, segregieren und distanzieren sich jedoch durch den Rückzug in ein Paralleluniversum von jedem Kontakt zur Außenwelt. Dass durch solch ein Verhalten Vorurteile und Berührungsängste nicht abgebaut, sondern eher bestätigt werden, interessiert diejenigen nicht, welche nach immer neuen Rechten rufen – sich aber nicht verpflichtet fühlen, einen ethischen Wertekonsens einzuhalten, welcher das Privatleben in die eigenen vier Wände verfrachtet, statt es wie eine Monstranz in der Fußgängerzone vor sich herzutragen.
Ich kleide mich – wie jeder Bürger mit einem gesunden Verstand – in erster Linie so, dass ich nicht von vornherein auf Affront, Drama und Auffälligkeit aus bin. Ich bin mir bewusst darüber, dass ich mit meiner sexuellen Orientierung noch immer einer Minderheit angehöre, von der ich nicht verlange, sich aus dem fortwährenden Gefühl der Diskriminierung über die Mehrheit zu stellen. Wenn ich mich mit einem neuen Freund treffe, besprechen wir sicherlich an einem der letzten Punkte, mit wem ich im Zweifel einmal eine Nacht verbringen wollte. Ich gehöre auch keiner Bunt-, sondern der Bundesrepublik an. Ich fühle mich durch die Anrede „Herr“ bestens tituliert, benötige keine gesonderten Pronomen. Ich winde mich nicht um eine Anpassung an die Gesellschaft, weil ich mich seit jeher als festen Bestandteil in ihrer Mitte begriffen habe. Meine Fingernägel bleiben unlackiert, meine T-Shirts schwarz statt pink. Ich gehe abends nicht in die Szene, sondern in ein Lokal. Ich empfinde mich nicht stigmatisiert, weil ich auch nicht den Anspruch hege, am Ende besser dazustehen als jene, deren Partner andersgeschlechtlich sind. Für mich ist das Gerüst der Binarität verbindlich, weil es Natürlichkeit und Evolution flankiert. Mir sind meine politische Gesinnung, meine weltanschauliche Positionierung und die Liebe zum Vaterland allemal wichtiger als das Begehren eines Pendants, das sich in Leder, Rüschen und Handtasche wirft. Ich stehe morgens nicht vor dem Spiegel und klopfe mir für meinen Uranismus auf die Schulter. Mit Blick auf meine Biografie sind mir die beruflichen Stationen eindeutig wertvoller als das Datum meines Outings. Und ich weiß darum, dass ich mit all dieser Normalität keinen Platz in einer Wirklichkeit der Stöckelschuhe und abgewinkelten Handgelenke habe. Und um es mit Wowereit zu sagen: „Das ist auch gut so!“.