Kommentar von Dennis Riehle
Mittlerweile steht einigermaßen unverhohlen fest: Die Chancen für eine Koalition aus Unionisten und Ökologisten nach der nächsten Bundestagswahl sind so groß wie nie. Denn die beiden aussichtsreichsten Kandidaten der CDU für die Kanzlerkandidatur haben sich mittlerweile eindeutig festgelegt und bekennen sich zu einer politischen Liebesheirat mit Annalena Baerbock und Ricarda Lang. Dass sich eine altehrwürdige Partei rund 16 Monate vor der nächsten Abstimmung in einer solchen Anbiederung übt, kann man sich letztendlich nur mit der frühstmöglichen Kartellbildung erklären, die Christdemokraten im Zweifel sogar mit den Linken ein Bündnis eingehen lässt, um ein Miteinander mit der AfD um jeden Preis zu verhindern. Man wäre ja sogar bereit, von München nach Berlin über New York reisen, um keinesfalls Alice Weidel oder Tino Chrupalla zu begegnen. Und es würde auch nicht viel besser, wenn man sich auf die unwahrscheinliche Option einigen würde, den bayerischen Ministerpräsidenten ins Rennen zu schicken. Er wiederum betont nämlich die Absicht einer erneuten GroKo unter Mitwirkung der von Pistorius angeführten SPD – und tut in völliger Entfremdung von der Wirklichkeit so, als wäre das nach all den Legislaturen zwischen 2005 und 2021 ein Aufbruch. Es steht somit also zu befürchten, dass es erneut eine Achse der Etablierten geben wird – mit denen sich die radikale Trendwende in unserem Land nicht bewerkstelligen lässt, die angesichts der enormen Probleme in der Gesellschaft vonnöten wäre.
Eine Stimme für die Christdemokraten bedeutet also automatisch ein Votum für den kontinuierlichen Abwärtstrend. Immerhin sind viele der Versprechen, die man aktuell aus dem Konrad-Adenauer-Haus hinsichtlich Leitkultur und Programmatik hört, lediglich Schall und Rauch. Im Zweifel ist man bereit, seine eigenen Standpunkte bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern – und die weltanschauliche Ausrichtung immer weiter zu verweichlichen. Darüber hinaus muss man sich auch stets im Bewusstsein halten, dass es der Generalsekretär ist, der wiederkehrend mit der Überlegung schwadroniert, man könne Kanzlerin Merkel ins Wahlkampfteam holen – und damit jegliche Distanzierung von ihrer „Wir schaffen das!“-Politik rückgängig machen. Es soll also partout auf ein Kontinuum hinauslaufen, das nicht in der Lage sein wird, eine fundamentale Umkehr einzuschlagen. Und es braucht schon viel Flexibilität, um die Hirnwindungen derart zu verdrehen, dass man sich das vorstellen kann, was aktuell an Gedankenspielen in der Öffentlichkeit vollführt wird. Da ist es Daniel Günther, der seine Liebe zum Sozialismus entdeckt. Oder Mario Voigt, der nicht nur gerne Gehacktes verdrückt – sondern mit jedem Partner eine Beziehung eingeht, der Björn Höcke das Mettbrötchen um die Ohren haut. Und die Reihe an Provinzpolitikern lässt sich beliebig erweitern – beispielsweise um Kai Wegner, Manuel Hagel oder Boris Rhein -, die sich ihres Gewissens entledigen müssten, um Verbindungen mit einem bis vor einiger Zeit noch völlig undenkbaren Gegenüber einzugehen.
Man prahlt mit der Aussicht darauf, wesentliche Entschlüsse der Ampel – wie beispielsweise das Bürgergeld, das Selbstbestimmungsgesetz, die Heizungswende, das Staatsangehörigkeitsrecht oder die Cannabis-Legalisierung – rückgängig machen zu wollen. Und da gehen die Schwarzen allen Ernstes davon aus, dies mit einem Pendant verwirklichen zu können, welches aus Überzeugung an diesem ethischen, wirtschaftlichen und strukturellen Abriss der Bundesrepublik ursächlich, tatkräftig und gar federführend mitgewirkt hat. Nein, jede dieser Konstellationen wird zu einem weiteren Stillstand führen. Statt eines Fortschritts bringt man uns erneut auf das internationale Abstellgleis. Denn welchen Wert sollen Ankündigungen hinsichtlich der Migration, der Transformation oder der Inflation haben, wenn man den politischen Beischlaf mit einem Mitbewerber sucht, der bis zum Augenblick des Urnengangs als weltanschaulich diametraler Gegner bezeichnet wurde – und nach den ersten Hochrechnungen zum/r Traummänn*in mutiert? Die inhaltliche Nähe zur Alternative für Deutschland wäre aus der Perspektive der ihr „C“ nur noch als Feigenblatt tragenden CDU um Längen größer als zu Rot, Grün oder auch Gelb. Aber was nicht sein darf, muss prinzipiell bekämpft werden. Es geht also nicht um den Willen des Souveräns, sondern allein um die ideologische Fixierung auf eine Nazi-Paranoia, die aber viele Vertreter in den Kommunen und Ländern mittlerweile bereits abgelegt haben.
Denn mancherorts wird zumindest die punktuelle Zusammenarbeit mit den Blauen gesucht, um in gewissen sachpolitischen Angelegenheiten gemeinsam abzustimmen. Und es sind gerade die Erfahrungen aus der Peripherie, die die Berliner Christdemokraten hellhörig machen sollten. Überall dort, wo die AfD Amts- und Mandatsträger stellt, ist die Welt nicht untergegangen. Stattdessen lässt es sich mit ihr überaus pragmatisch kooperieren. Denn man kann ohne jegliche Verbiegung vernunftorientierte Forderungen umsetzen, was mit keinem der zeitgeistig Verblendeten aus dem Spektrum des Regenbogens möglich wäre. Immerhin fragt sich jeder mit ein wenig verbliebenem Menschenverstand, wie man auch nur ansatzweise die Kurve kriegen soll, wenn große Teile der grünen Basis die Bezahlkarte für Flüchtlinge ablehnen, jede Abschiebung verhindern möchten und am besten noch viel mehr Schiffe an der Seenotrettung im Mittelmeer beteiligen wollen. Wenn sie an der lebensfeindlichen Utopie des Zero „CO2“ festhalten, mit Wärmepumpen und E-Autos unsere Stromversorgung in Gefahr bringen und eine Energiewende nach planwirtschaftliche Modell bis zum bitteren Ende vorantreiben. Oder wie man Spaltung und Polarisierung zu stoppen vermag, wenn Ens die Rechte von Transidentitären, Bubatz-Süchtigen und Ultra-Veganern stärker gewichtet als die Ansprüche der Allgemeinbevölkerung.
Man kann nur hoffen, dass diejenigen erwachen, die sich nicht dem Lager von Ruprecht Polenz zugehörig fühlen, sondern auf Stimmen wie jene des JU-Vorsitzenden Johannes Winkel, NRW-Innenminister Herbert Reul oder Polizeigewerkschafter Manuel Ostermann vertrauen. Die Zeit von Kontaktscham und Brandmauern muss schon allein deshalb enden, weil die Rede vom Untergang unserer kulturellen Identität und des christlichen Abendlandes mittlerweile kein Geplänkel mehr ist. Es geht um existenzielle Belange – sowohl in ökonomischer wie in zivilisatorischer Hinsicht. Und da ist eigentlich kein Platz mehr für ein infantiles Winden um die AfD. Sollte sich abzeichnen, dass die Union nicht zu einem Schwenk ihrer derzeitigen Pläne für eine Anbandelung mit Ramelow oder Habeck offen ist, wird sich bis zum Herbst 2025 noch Einiges an den Umfragen ändern. Denn mit jeder weiteren Hofierung des Einheitsbreis nimmt die Sensitivität des Kompasses der Menschen zu. Und er wird bei Bedarf mit voller Härte nach rechts ausschlagen – und nicht wenige Bürger dürften sodann keine Skrupel mehr davor haben, auch als einstiges Stammklientel bei der CDU ins Lager der AfD zu wechseln.