Kommentar von Dennis Riehle zum Artikel „CDU-Chef Friedrich Merz verkündet: ‚Wir sind die Brandmauer!'“ (aus: „Apollo News“ vom 14.10.2025)
Befragt man das Lexikon bezüglich einer sogenannten „Brandmauer“, dann erhält man dort unter anderem die Auskunft, es handele sich um eine „klare Abgrenzung oder Trennlinie, die eine Partei oder politische Gruppe gegenüber einer anderen Partei zieht, um jegliche Zusammenarbeit, Koalition oder politische Nähe auszuschließen“. Wie passt diese Definition zu dem, was wir in Art. 21 Abs. 1 GG unter der Formulierung „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei“ und in Art. 38 GG mit dem Anspruch an „freie, gleiche, unmittelbare, geheime und allgemeine Wahlen“ zu lesen finden? Kann man noch davon ausgehen, dass in einer Agenda größtmöglicher Distanzierung und einem Ausschließen von Kooperation § 5 PartG erfüllt wird, wonach „alle Parteien gleichbehandelt werden“? Das Bundesverfassungsgericht hatte schon im Zuge des Urteils über die NPD festgehalten, dass auch „Parteien mit extremen Positionen, die nicht verboten sind, vollständig am politischen Wettbewerb teilnehmen dürfen, solange sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht aktiv gefährden“. So weit zumindest die juristische Theorie.
Rote Linien bleiben in einer Demokratie nicht-verbotener Parteien ein Fremdkörper…
Doch wie sollen Kontrarität und Rivalität stattfinden, wenn sich ein etabliertes Kartell zubetoniert, weil ihm die argumentative Kraft für eine sachinhaltliche Widerrede gegenüber der AfD fehlt? Es ist die schlichte Verweigerungshaltung, sich nicht mit deren Positionen auseinandersetzen zu wollen, die einen groben Verrat an den Prinzipien und Regeln der Volksherrschaft darstellt. Der Wähler hat einen immanenten Anspruch darauf, im Ringen um die besten Lösungen und Antworten für die Zukunft – auch zwischen Alternative für Deutschland und insbesondere der Union – einen Schlagabtausch zu erleben, der es ermöglicht, programmatische Unterschiede, ideologische Nuancen und abweichende Meinungen herausarbeiten zu können. Schon Aldous Huxley stellte klar: „Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert“. Denn es ist gerade der Etikettierte selbst, der aus der Schmähung Profit zieht. Schließlich erweist sich Opfersolidarisierung als ein sehr menschliches Phänomen, von welchem aktuell auch die Alternative für Deutschland profitieren dürfte. Immerhin gilt: Je höher die Abschottung, desto stärker wird der Protest sein.
Mit jedem Mauerstein mehr wird die Opferstilisierung der AfD zunehmen…
Die Empathie für Unterdrückte beschrieben schon Tajfel und Turner 1979 mit der „sozialen Identitätstheorie“. Sobald wir Ungerechtigkeit wahrnehmen, löst dies einen inneren Drang der Reaktanz aus, welcher in Verbindung mit Altruismus zu einem starken Bedürfnis nach Fairness und Widerspruch anschwillt. Wer ständig – Probleme negierend – durch unsere Straßen und Fußgängerzonen läuft, der kann sich zwar bedenkenlos in sein Berliner Wolkenkuckucksheim zurückziehen. Aber er wird in Sachen Bürgernähe, Vertrauen und Glaubwürdigkeit schon deshalb keinen Blumentopf mehr gewinnen, weil in einer Gegenwart der unmittelbar vor uns liegenden Umbrüche Desinteresse, Unkenntnis und Ahnungslosigkeit wahrlich keine Tugenden sind. Die Empörung über vorherrschende Zustände ist ein idealer Nährboden für Populismus. Das Beschimpfen und Diskreditieren jener, die Wahrheiten erkennen und artikulieren, erzürnt Volkes Seele weiter. Daher ist es ein nur allzu überfälliger Schritt, wenn einige Vertreter der CDU nun endlich einfordern, sich vom irrigen Gedanken zu entfernen, wonach Diskriminierung neben der Zunahme eigener Isolation und Hybris einen Mehrwert besäße.