Selbsthilfeinitiative gibt Tipps für strukturiertes Handeln beim Verdacht auf psychische Erkrankungen
Die Selbsthilfeinitiative zu Zwängen, Phobien und Depressionen verzeichnet weiterhin einen massiven Beratungsbedarf von Seiten der Patienten und Angehörigen. Nicht zuletzt aktuelle Entwicklungen auf der Welt und die sich daraus ergebenden Herausforderungen für die eigene Wirklichkeit führen zu massiven psychischen Problemen. Daher ist der Austausch unter Gleichbetroffenen, meint der Leiter des ehrenamtlichen Angebots, Dennis Riehle (Konstanz), der Hilfesuchenden meist mit seiner eigenen Geschichte begegnet: „Obwohl in der Entstigmatisierung von psychisch kranken Menschen schon viele Fortschritte erreicht wurden, gibt es noch immer zahlreiche Vorbehalte und falsche Vorstellungen über die tatsächliche seelische, körperliche und emotionale Belastung, welche Patienten ertragen müssen, die nicht nur an einer vorübergehenden Niedergedrücktheit leiden – oder ein kurzzeitig überfordert scheinen. In letzter Zeit wurde ich immer wieder gefragt, wie ich es nach rund 20 Jahren Depression geschafft habe, aus diesen wiederkehrenden Tiefen, Tälern und Abgründen herauszukommen. Schlussendlich habe auch ich kein Patentrezept dafür. Allerdings ist mir immer wieder die Feststellung wichtig: Es handelt sich dabei um eine ernsthafte psychiatrische Erkrankung, die in den meisten Fällen endogene wie exogene Ursachen hat. Es liegen also in aller Regel körperliche und seelische Faktoren vor, die zum Ausbruch der weit über eine bloße Traurigkeit hinausgehenden Störung und ihrem Fortbestehen führen. Trostlosigkeit, Perspektivlosigkeit, Gedankenspiralen, Schuldvorwürfe, Zweifel, Antriebslosigkeit, Unrast, Schwermut, Schmerzen, Schwarzsehen, Ängste, Rückzug, Isolation, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme, Lähmungsgefühl, Überdrüssigkeit, Appetitlosigkeit oder Erschöpfung gehören beispielhaft dazu. Schuld daran ist niemand selbst, jeder kann prinzipiell zu allen Zeitpunkten des Lebens von ihr heimgesucht werden. Das Vorurteil, sie würde lediglich die Schwachen betreffen, die sich nicht zusammenreißen könnten, ist ein Ausdruck von Herabwürdigung und Ausgrenzung, die einem arroganten und verachtenden Menschenbild folgt. Deshalb ist es heute umso wichtiger, sich selbst der Tatsache bewusst zu sein, dass man eben nichts für seine eigene Erkrankung kann – und so sollte man sich auch von niemandem irgendeine Mitverantwortlichkeit einreden lassen“, meint der 38-jährige Psychologische Berater vom Bodensee.
Und er ergänzt: „Neben einer intensiven Inanspruchnahme einer tiefenpsychologischen, analytischen und kognitiven Psychotherapie war es auch das lange Ausprobieren einer passenden Medikation, eine Ernährungsumstellung, eine Substitution mit Vitalstoffen, eine Abklärung von internistischen und hormonellen Dysbalancen, welche für mich den Durchbruch brachten. Denn zahlreiche Betroffene weisen unwissend einen deutlichen Mangel an Vitamin D, manchmal auch an Vitamin B12, Eisen oder ein Ungleichgewicht der Elektrolyte auf. Dies sollte laborchemisch abgeklärt werden. Daneben sind nicht selten hormonelle Störungen beteiligt, beispielsweise oftmals eine Unterfunktion der Schilddrüse, Mangel an Sexualhormonen oder Fehlfunktionen der Nebennierenrinde mit wichtigen Botenstoffen für die Stresstoleranz. Und nicht zuletzt wird oftmals übersehen, dass auch internistische Erkrankungen wie eine Leberfunktionstörung, Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus oder eine Herzinsuffizienz depressive Symptome triggern können. Deshalb empfiehlt sich stets eine konsiliarmedizinische Mitbeurteilung durch einen Facharzt, unter anderem auch einen Endokrinologen. Zielführend waren für mich ergänzend zudem Maßnahmen der Selbsthilfe wie ein Mentales Training, Arbeit an eigenen Glaubenssätzen, Suche nach einem frischen Lebenssinn und individueller Werteorientierung, Lichttherapie, Musik, Literatur, Kunst, Ehrenamt, soziale Kontakte, geordnete Tagesstrukturen, Schlafhygiene, Aufarbeitung von Mobbing-Erfahrung, Reflexion der Erziehung, Neuordnung von verzerrten Assoziationen und Denkmustern – und nicht zuletzt auch ein Wiederfinden des religiösen Bekenntnisses und spirituelle Praxis. Ohne Zweifel war dafür viel Disziplin nötig, die ich gerade in den schwierigsten Phasen des Krankheitsbildes nicht eigenständig aufbringen konnte. Deshalb war die fachkundige Stabilisierung meiner Situation der entscheidende Schlüssel, um mit der Arbeit an der eigenen Persönlichkeit beginnen zu können“, so Riehle abschließend.
Das Beratungsangebot der Selbsthilfeinitiative und weitere Informationen finden sich auf www.selbsthilfe-riehle.de.