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Herr Doktor, warum wähle ich AfD? – Weil Sie klug und weise sind!

Kommentar von Dennis Riehle

Die Küchenpsychologie gehört zu den Disziplinen in unserer Gesellschaft, zu der sich nicht nur zertifizierte Fachleute imstande sehen, sondern im Zweifel jeder Bürger mit einem gewissen Anspruch, selbst ein Experte zu sein. Und so tummeln sich in unseren Breiten mittlerweile unzählige Sigmund Freuds, Carl Gustav Jungs, oder Alfred Adlers, die sich dazu berufen fühlen, nicht nur die eigene Seele näher zu betrachten – sondern sich vor allem dazu befähigt fühlen, das Unterbewusstsein des Anderen deuten zu können. So sind auch Journalisten wie ich nicht vollständig gefeit vor der Versuchung, sich auf eine Betrachtung der Tiefen unseres kollektiven Inneren einzulassen. Doch bei manch einem Kollegen scheint sich dieser Reiz zu einer missionarischen Aufgabe zu dramatisieren, die individuelle Gesinnung mit dem Abbild der affektiven Schwingungsfähigkeit des Volkes zu verbinden – und den Deutschen zum betreuten Denken an die Hand zu nehmen. Und so gebärdet sich aktuell der Haltungskollege des „Spiegel“, Marc Röhlig, in einer gewagten Interpretation von neuen Studienergebnissen, die uns doch tatsächlich weismachen möchten, dass Wähler der Alternative für Deutschland prinzipiell unglücklicher seien. Was man unter Normalbedingungen als einen publizistischen Ausrutscher abtun könnte, entpuppt sich in einer Zeit der Manipulation, Infiltration und Einflussnahme auf den Souverän als ein durchschaubares Manöver des informationsmonopolistischen Kartells und einer sich anmaßenden Wissenschaft, welche im Gleichschritt auf das Ziel hinarbeiten, die ungeliebte kritische Opposition immer weiter zu diffamieren, auszugrenzen und zu verhöhnen. Doch weil sich in der Bevölkerung mittlerweile durchaus eine gewisse Skepsis gegenüber allem regt, was aus den unverhohlenen Handlangern und Sprachrohren der Regierung innerhalb der Medien nach außen dringt, wird sich manch ein Publikum beim Lesen des vorgenannten Artikels eher im Schmunzeln und Kopfschütteln wiederfinden – als dieser plumpen und subtilen These auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit zu schenken. Denn wer sich nicht einmal darum bemüht, entsprechende Narrative zumindest in ein Kleid der Objektivität zu verpacken, sondern in der Dreistigkeit der Volksverdummung davon ausgeht, dass der Bürger alles schluckt, was ihm die vierte Gewalt an Idiotie vermittelt, sollte auch nicht damit rechnen, aus dem Lager der Vernunft Beifall zu bekommen.

Man muss im Jahr 2024 nicht einmal auf die vor Tendenziösität triefenden Erhebungen verweisen, welche uns angesichts von täglichen Messerattacken noch immer suggerieren wollen, dass die größte Sorge der Einwohnerschaft der Klimawandel sei, um einen gewissen Argwohn und Distanz gegenüber Umfragen und Forschungserkenntnissen in sich zu hegen. Stattdessen genügt das Gefühl, dass sich der rationale und pragmatisch denkende Mensch in immer mehr Stimmungsbildern nicht wiederfinden kann. Und so dürfte eine nüchterne und ehrliche Konsultation von Sympathisanten, Anhängern und Mitgliedern der AfD wohl eher zu einem gegenteiligen Befund dessen gelangen, was uns die Journaille als bare Münze andrehen will. Wenn ich auf meine eigene Person und mein Umfeld blicke – in dem es viele Familienangehörige, Freunde und Bekannte gibt, die teilweise nach Dekaden der treuen Zugehörigkeit zum linken Lager mittlerweile aus Inbrunst und Überzeugung auf die andere Seite der Brandmauer gewechselt haben -, dann bemerke ich dort ein gänzlich anderes Bild. Nicht wenige Bürger empfinden es als einen befreienden Moment, nach einem langen Unbehagen gegenüber SPD, Grünen, FDP, Linken oder CDU endlich zu dem stehen zu können, was sich nicht erst in der momentanen Legislaturperiode in ihren Herzen angebahnt hat. So sind es beispielsweise diejenigen, die einst einer Partei ihr Votum zugutekommen ließen, welche sich für eine umsichtige Nachhaltigkeit, für soziale Gerechtigkeit oder für einen authentischen Wertkonservativismus einsetze, die sich bei den jüngsten Urnengänge nicht mehr nur aus Protest für die Blauen entschieden. Es bedarf für das Wiederentdecken von Patriotismus und Nationalstolz nicht einmal der katastrophalen Sicherheitslage in Deutschland. Stattdessen genügt der vehemente Eindruck einer Umwälzung unseres kulturellen Erbes und der Bedrohung der gemeinschaftlichen Integrität, welche zu einem diametralen Umdenken führen. Und so ist es immer eine Frage von Ursache und Wirkung – mit deren Verdrehung uns insbesondere auch die Doppelzüngigen immer wieder aufs Glatteis führen wollen -, die man mit Blick auf die Erforschung der Psychodynamik für den Zuspruch einer nicht nur durch die schreibende Zunft denunzierten Kraft als Maßstab anlegen sollte.

Eine wachsende Überzahl wird nicht etwa durch ihren Entschluss in der Wahlkabine unzufrieden, sondern sie setzt aufgrund von Verbitterung, Frustration und Enttäuschung über das Establishment sowie das breitflächige Versagen des politischen Einheitskonsortiums ihr Kreuz an einer Stelle, die uns vom Verfassungsschutz bis hin zur zivilgesellschaftlichen Gutmenschlichkeit mittlerweile all diejenigen madig machen wollen, die sich vor einer radikalen Trendumkehr in der Bundesrepublik fürchten – falls die Alternative in irgendeiner Konstellation an die Macht kommen sollte. Es hat also durchaus etwas mit einer Erlösung aus einem Korsett der Korrektheit, Angepasstheit und Disziplin zu tun, dass nicht wenige Bürger den Moment des Eingeständnisses ihrer neuen parteilichen Heimat als einen Akt der Emanzipation aus einer moralinsauren Richtigkeit erleben. Natürlich ist man in einer Dekade der Spaltung und Polarisierung im Zweifel großer Anfeindung ausgesetzt, wenn man auch öffentlich für eine bestimmte Weltanschauung eintritt, die zwar nicht mit der vielfaltsschwangeren und toleranztrunkenen Mentalität des Zeitgeistes in Einklang gebracht werden kann – wohl aber mit dem gesunden Menschenverstand. Immerhin wird nur derjenige zu einem „Weiter so“ appellieren, der sich in einer persönlichen Selbstaufgabe befindet – oder sich aus Angst vor Verfolgung durch die Wirklichkeit in einen eigenen Elfenbeinturm zurückgezogen hat. Es ist das beste Anzeichen für eine funktionierende, vitale und regulative Demokratie, wenn die Mehrheit regelmäßig eine Neujustierung des Kompasses vornimmt – und die Mitte nach einem Linksrutsch wieder dorthin zurückholt, wo sie lange Zeit natürlich verortet war. Und so dürfte der beständig wachsende Anteil an Depressionsgeschundenen in unseren Sphären nicht etwa unter denjenigen zu suchen sein, welche sich nach einem Ringen und Hadern ihrer Mündigkeit gewahrgeworden sind – und sich nicht mehr von der Sittenpolizei in die Kandare fahren lassen. Stattdessen scheint sich ein Blick in Richtung all jener zu lohnen, die als Opfer einer wohlgepamperten und überbehüteten Erziehung auf der endlosen Suche nach sich und ihren Fundamenten sind – und bei einer Zwischenbilanz bei einer einigermaßen schmalen Lebensbiografie nicht wirklich in Enthusiasmus verfallen dürften. Letztendlich kann sich ein Gemeinwesen nicht für jeden Verzagten eine therapeutische Couch leisten. Manchmal genügt aber schon der einfache Rat, sein Gewissen zu überprüfen, um nach und nach wieder zu einer Kongruenz zwischen Idealismus und Realismus zu finden.