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Nun umzingelt die Wirklichkeit auch die Union!

Die CDU steht möglicherweise vor dem gleichen Problem, das auch Minister Habeck eingeholt hat: Sie könnte sich schon bald von der Wirklichkeit umzingelt fühlen, weil sie sich mit Brandmauern derart zugebaut hat, dass sie von der Realität kaum noch etwas mitbekommt. Unvereinbarkeiten hier, Kontaktscham dort: Schlussendlich haben die etablierten Parteien durch das gesamte Spektrum hinweg bis heute nicht verstanden, dass man mit Verboten, Diffamierungen und dem Einreden eines „Igitt“-Gefühls bei den Wählern nicht punktet. Im Gegenteil.

Denn in Zeiten einer aufoktroyierten Gutmenschlichkeit sind die Versuchung und der Reiz besonders hoch, sich mit dem vermeintlich „Bösen“ zu solidarisieren. Statt sich zu fragen, weshalb es zwischen AfD-Mitgliedern, von Medien zu Rechtsextremen erklärten Identitären und Vertretern der Werteunion überhaupt zu einem möglichen „Geheimtreffen“ gekommen ist, setzt man sich lieber schnell die Scheuklappen auf, denn man könnte ansonsten dazu aufgefordert werden, sich mit den eigenen Versäumnissen, Fehlern und einem massiven Nachholbedarf in Sachen rationaler, pragmatischer und überzeugender Lösungs- und Gegenvorschläge konfrontieren zu müssen.

Dass viele Bürger in der Union keine glaubwürdige Option mehr sehen, um ein Kreuz bei der Alternative für Deutschland auf dem Stimmzettel obsolet zu machen, liegt nicht zuletzt daran, dass man gerade in der jüngeren Vergangenheit massive Zweifel hat aufkommen lassen, inwieweit man tatsächlich mit dem Politikstil von Angela Merkel gebrochen hat. Ihre damalige Naivität in Sachen Migrationspolitik bleibt für die Christdemokraten ein noch über viele Jahre hinweg anhaftendes Manko. Insbesondere dann, wenn Linnemann mit dem Gedanken spielt, die Ex-Kanzlerin in das Wahlkampfteam von Merz zu holen – und Bosbach als Notlösung hervorgekramt wird, der von einem einstigen Hoffnungsträger zu einem Brandstifter gegenüber denjenigen Menschen geworden ist, die sich aus Überzeugung oder Protest zu ihrem demokratisch legitimierten Recht der freien Wahl der AfD bekennen.

Die nun bei der Vorstandsklausur entstandene Heidelberger Erklärung ist zwar einerseits eine Ansage, mit wesentlichen in der Kritik stehenden Entscheidungen der Ampel bei einer etwaigen Machtübernahme brechen zu wollen. Dafür braucht es aber nun einmal gestaltende Mehrheiten in Form einer Koalition, in der beide Partner dazu bereit sind, das Heizungsgesetz zurückzunehmen, das Bürgergeld zu reformieren und endlich eine konsequente Anwendung der geltenden Gesetze mit Blick auf die Flüchtlingskrise zu beschließen. Ob das mit einer im ökosozialistischen Gemenge der falsch verstandenen Humanität verhafteten SPD möglich sein wird, scheint angesichts des massiven Ansehensverlustes für die Partei durch die Kanzlerschaft Scholz mehr als fraglich.

Mit wem also soll eine entsprechende Programmatik umgesetzt werden können? Man steht am Scheideweg, Abgrenzungen nach links fallen zu lassen – und damit der Alternative für Deutschland weitere Prozente zuzuschustern. Oder sich zumindest dem Gedanken einer möglichen Minderheitsregierung anzunähern, in der wechselnde Bündnisse zu einer dem Wohl des Volkes gewidmeten Politik zurückfinden – und man sich in einzelnen sachpolitischen Entscheidungen auch nicht mehr der in einer Demokratie vollkommen, legitimen und weitsichtigen Unterstützung der AfD in Form loser, punktueller und begrenzter Zusammenarbeit verschließt. Denn möglicherweise mehr als 20, vielleicht sogar 30 Prozent der Wahlteilnehmer völlig außen vor zu lassen, kann in einer Volksherrschaft dauerhaft nicht funktionieren.

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